Für jeden noch so kleinen Feiertag gibt es irgendwo einen Rabattcode. Auch zum Weltfrauentag aka Feministischen Kampftag bieten Händler immer öfter Gutscheine für Rosen, Liedschatten und Pumps an. Ist das ein Grund, sich zu freuen?
Während jeder andere Feiertag vom Single Day bis zum Valentinstag in den vergangenen Jahren bereits konsequent ausgeschlachtet wurde, um den Konsum anzuregen, hat die Wirtschaft nun auch den 8. März für sich entdeckt. Eine erste Werbeaktion fiel mir bei Dagi Bee auf. Die Influencerin, die sonst nicht mit Äußerungen zu feministischen Themen auffällt, rührte in ihrer Instagram-Story die Werbetrommel für Weltfrauentag-Rabatte auf ihre Kosmetikmarke „Beetique“. Aber auch Konkurrent Douglas (Slogan: Alles was Frau liebt), Pandora, Blume2000 und viele weitere in ihrer Zielgruppe ähnlich divers aufgestellte Unternehmen bieten Gutscheine an. Die Frankfurter Allgemeine hat sie dankenswerter Weise alle aufgelistet.
Es ist natürlich nicht verwerflich, beim Kauf von Liedschatten und Co sparen zu wollen, auch nicht für Feminist*innen, denen ja eine Abneigung gegen Make-up unterstellt wird. Allerdings drängt sich die Frage auf, ob durch die Kommerzialisierung des 8. März – wie bei jedem anderen Feiertag auch – nicht die Bedeutung verloren geht. Und ob wir uns das leisten wollen. Denn die Themen, auf die der 8. März aufmerksam machen will, sind wichtig – selbst wenn neben dem brutalen Krieg in der Ukraine mit schwersten Menschenrechtsverletzungen gerade alles andere banal erscheint.
Denn in Deutschland versucht jeden Tag, ein Mann seine Partnerin oder Expartnerin zu töten, jeden dritten Tag stirbt eine Frau durch die Hand ihres Partners oder Expartners. Häusliche Gewalt zieht sich durch alle Altersgruppen und sozialen Schichten. Zwei Drittel aller Straftäter besitzen die deutsche Staatsbürgerschaft. 16.000 Frauen flüchten jährlich vor physischer oder psychischer Gewalt in ein Frauenhaus. Die Finanzierung jener Einrichtungen ist jedoch nicht bundesweit geregelt, sondern erfolgt über Spenden sowie teils Tagessätze der zuständigen Städte und Kommunen. Und die Plätze reichen vorne und hinter nicht, wie die FAZ schon 2019 berichtete.
Für Gewalt an Frauen fehlt es trotz erschreckender Zahlen und zunehmender öffentlicher Debatte nach wie vor an Bewusstsein. Bei der Eurobarometer-Umfrage, die die Einstellung zu gesellschaftspolitischen Themen in den EU-Ländern miteinander vergleicht, gab 2016 fast jeder fünfte Deutsche an, dass Gewalt an Frauen oft vom Opfer provoziert würde. Das Ergebnis lag damit noch über dem EU-Schnitt, wo 17 Prozent der Aussage zustimmten. Ein Bild, dass sich mir in Gesprächen mit Freunden widerspiegelte. Wenn sie bei Gesprächen über Gewaltvorwürfen von Frauen gegenüber Männern nicht betreten schwiegen, fanden sie oft schnell Gründe und Motive, warum die Anschuldigungen falsch sein könnten. Das ist statistisch Nonsens. Laut einer Studie liegt der Anteil der Falschbeschuldigungen bei Vergewaltigungen in Deutschland bei drei Prozent. Die Verurteilungsquote bei Vergewaltigungen ist zudem verschwindend gering – sie beträgt gerade einmal 8,4 Prozent. Zum Vergleich: In Berlin wurde 2018 etwas mehr als die Hälfte der wegen gefährlicher Körperverletzung Angezeigter verurteilt. Doch nur fünf bis 15 Prozent der Vergewaltigungen werden von den Überlebenden überhaupt angezeigt.
Mord und Gewalt an Frauen zeigen nur die extremste Form der Diskriminierung in einem System, dessen Funktionalität auf der Ausbeutung von Ungleichheiten beruht. In Bezug auf Frauen bedeutet das neben sexualisierter Gewalt auch wirtschaftliche Nachteile. Ein Großteil der Angestellten im unterfinanzierten Pflegesektor sind Frauen, die darüber hinaus von Staat und Gesellschaft auch im Privaten als primäre Ansprechpartnerinnen bei Care-Tätigkeiten wahrgenommen werden. Durch zu wenig institutionelle Unterstützung bei Erziehung und Pflege ebenso wie durch schlechtere Bezahlung verdienen sie somit im Schnitt achtzehn Prozent weniger als Männer. Besonders stark ist der Unterschied in Ostdeutschland, wo Frauen in ihrem Leben 450.000 Euro weniger Vermögen ansammeln als Männer. Das lässt sich nicht durch ein paar Gutscheine wettmachen.
Weiter Zahlen und Fakten könnt ihr der Kampagne „Vergewaltigung Verurteilen“ des Bundesverbandes für Frauberatungstsellen und Frauennotrufe entnehmen.
Foto: Manuel Cosentino/ unsplash