Als eine der meist verbreiteten Geschlechtskrankheiten findet vor allem HPV keine Beachtung in der Gesellschaft. Auch in meinem Leben hatte die Krankheit keine Bedeutung, bevor ich ihr persönlich begegnet bin.

Acht Uhr morgens, ich bin noch am Schlafen, mein Wecker soll erst eine halbe Stunde später klingeln. Ich höre mein Handy vibrieren und nehme den Anruf entgegen. Es ist meine Frauenärztin, Dr. Petersen.

„Guten Morgen, Frau Olschanskaya. Dr. Petersen hier. Störe ich Sie?“

„Nein, nein, alles gut, hallo“, antworte ich im Halbschlaf. 

Daraufhin sagt mir meine Frauenärztin, ich soll mir keine Sorgen machen. Sie spricht mehrmals eine komische Abkürzung aus, die ich nicht verstehe. Ich stehe auf und eile zum Küchentisch. 

Dr. Petersen sagt, sie habe bei der Vorsorgeuntersuchung etwas gefunden. 

„Was denn?“, frage ich sie und mir wird leicht schwindelig.

Das, was sie buchstabiert, schreibe ich auf: “PAP3D2”. PAP III D2 klingt wie der Name, den Elon Musk seinem nächsten Baby geben könnte, ist aber eine ernsthafte Sache. Es ist eine Diagnose, die eine Zellveränderung in den Schleimhäuten des Gebärmutterhalses kennzeichnet. Aus diesem Grund werde ich von meiner Frauenärztin für die weitere Untersuchung zu einer Dysplasiesprechstunde weitergeleitet. Dr. Petersen muss nochmal buchstabieren – ich habe das Wort „Dysplasie“ bisher nie gehört. Die Frauenärztin eilt, das Gespräch zu beenden. Ich bleibe am Küchentisch sitzen und klar, ich google nach meinen Testergebnissen. Wer PAP III oder irgendwelche PAPs hatte, weiß schon, dass man als erstes Ergebnis auf die Seite des Krebsinformationsdienstes weitergeleitet wird.

Die nächste halbe Stunde sitze ich vor dem Computer und heule. PAPIIID2 heißt, dass meine Schleimhautzellen nicht in Ordnung sind. Es ist zum Glück kein Krebs, aber die Zellveränderungen sind schwer ausgeprägt und müssen eventuell durch eine OP entfernt werden. Ob das der Fall ist, werde ich durch die Dysplasiesprechstunde erfahren, in der mir ein Stück Gewebe entnommen wird, um auf Bösartigkeit untersucht zu werden. Das heißt, wenn die Zellveränderungen sehr stark ausgeprägt sind und die Gefahr eines Tumors besteht, werden die Zellen weggelasert. Nur zur Info: PAP III D2 ist nur eine Stufe von PAP IV entfernt, das Stadium, in dem man von Krebs spricht.

Ich bin in Panik. Warum? Weil ich 24 Jahre alt bin, weil ich noch nicht weiß, ob ich Kinder haben will. Weil ich super aufrichtig bin, ständig zur Vorsorge gehe und versuche, mir keinen Stress zu machen, was nicht immer klappt. Aber bei wem klappt es? Was habe ich falsch gemacht?

Als ich meinem Freund von meiner Diagnose erzählt habe, weinte ich. Dann riss ich mich zusammen und machte einen Termin bei der Dysplasiesprechstunde aus. Die Prioritäten waren plötzlich klar – Gesundheit, Gebärmutter, ich.

Ich habe mit allen Freundinnen darüber gesprochen, mit denen ich sprechen konnte, um weitere Internetrecherchen zu vermeiden. Zwei meiner Freundinnen hatten ähnliche Diagnosen, mal eine niedrige PAP Stufe, mal eine höhere. Eine Bekannte der Freundin hat es weggelasert bekommen und konnte später ein Kind kriegen. Jetzt war ich froh, dass ich mich nicht in meinem Zimmerchen mit Google verschlossen hatte.

Vorsorge ist wichtig, Aufklärung noch mehr

Die Dysplasiesprechstunde verlief ganz okay. Nur eine Arzthelferin war ätzend. Die sagte, alles sei nicht so schlimm, als sie mir ein Stück Papier gab, auf dem „Eintrag ins Krebsregister” stand. Ansonsten war die Dysplasiesprechstunde wie eine normale Vorsorgeuntersuchung gestaltet. Mein Gebärmutterhals wurde mit einem Mikroskop untersucht und ich konnte sogar schauen, was in mir drin abgeht. Auch die Stelle mit den ausgeprägten Zellveränderungen habe ich gesehen. 

Nach der Entnahme des Zellabstriches sollte ich zwei Wochen warten, bis das Ergebnis da ist. Mein Freund traf mich am Ausgang aus der Praxis und wir machten einen schönen Spaziergang in der Gegend. Die Sonne schien und ich konnte meine Sorgen loslassen. Als ich unter den Sonnenstrahlen saß, verstand ich plötzlich, dass ich gerade jetzt nichts mehr verändern kann. Das war erleichternd.

Während der zwei Wochen des Wartens versuchte ich nicht zu viel über das kommende Ergebnis nachzudenken. Ich habe mir Urlaub genommen, die Gedanken kamen und gingen. Und klar, unter diesen Gedanken waren einige, die mit „und was, wenn“ anfingen. Dann las ich Statistiken, die mich eher beunruhigten, denn: 

Gebärmutterhalskrebs wird sehr oft durch Humane Papillomviren (HPV) verursacht. Es gibt sehr viele HPV-Typen und einige davon können zu Genitalwarzen oder Gebärmutterhalskrebs führen. Ich habe mich bei der Beratungsstelle für sexuelle Gesundheit gegen alle möglichen Geschlechtskrankheiten testen lassen und war negativ auf alles. Nach einem Anruf bei der Teststelle stellte ich fest, dass sie nicht mal auf HPV testen! Warum wusste ich nichts davon? Das Robert-Koch-Institut (RKI) schreibt, dass in Deutschland 35 Prozent der Frauen im Alter von 20-25 Jahren mit einem Hochrisiko-HPV-Typ infiziert sind (Daten 2010; 2011). 2017 wurden 14.509 Frauen gegen Gebärmutterhalskrebs behandelt. Das ist verdammt viel und verdammt traurig.

Mein Ergebnis erreichte mich nach sechs Wochen und vielen stressigen Telefonaten mit dem Dysplasiezentrum und meiner Frauenärztin. 1,5 Monate mit Gebärmutterhalskrebs im Hinterkopf machen kein Spaß. An einem Mittwoch bekam ich endlich die Ergebnisse. „HPV Typ 18” – Hochrisiko Typus, der Gebärmutterhalskrebs verursachen kann. Aber kein Krebs. Noch? Ich war so halb froh.

Häufig, aber wenig bekannt

Ich recherchierte bezüglich HPV 18 und fand heraus, dass HPV eine sehr häufige Geschlechtskrankheit ist, die oft ohne Symptome verläuft. Sie wird hauptsächlich durch Geschlechtsverkehr übertragen. Tja, trotz geschützten Geschlechtsverkehrs kann man daran erkranken. Obwohl HPV eine der verbreitetsten Geschlechtskrankheiten ist, wird ihr wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Auch die Beratungsstelle für sexuelle Gesundheit testet auf alles, aber nicht darauf. Zuerst ärgerte ich mich heftig über meine Ex-Freunde, die sich nicht testen lassen haben, bevor sie von mir Sex ohne Kondom forderten. Dann erfuhr ich, dass die Männer es sogar schlechter als Frauen haben.

Denn besonders Männer, die, wie Frauen die Krankheit übertragen und davon unter anderem Peniskrebs bekommen können, sind zu wenig dagegen geschützt. Während einer als Frau jährlich die Möglichkeit eines PAP-Test zur Verfügung steht, den man bei der Frauenärztin machen kann, werden Männer übersehen. Mein Freund musste nun für seinen HPV-Test 50 Euro bezahlen, weil es nicht von der Krankenkasse übernommen wird. Widerspruch: Eine der meist verbreiteten Krankheiten, die zu Krebs führen kann, wird komplett vom Gesundheitssystem übersehen. Kann das sein? Eine Lücke im System kann zu Krebs führen, auch wenn man geschützt miteinander schläft. 

Seit 2007 wird eine Impfung gegen HPV-Typen für Mädchen und seit 2017 für Jungs empfohlen, nur leider wissen davon sehr wenige. Die Kosten werden von manchen Krankenkassen, wie zum Beispiel der Techniker bis zum 26 Lebensjahr übernommen. 

Ich bin dankbar, keinen Krebs zu haben, klar, aber ich denke zugleich an die Methode des Vorbeugens – die Impfung – die ich nicht in Anspruch genommen habe. Jetzt stehen mir noch paar Tests bevor und eine lange Zeit, in der ich Medikamente nehmen muss, denn meine Zellen sind immer noch nicht in Ordnung. Aber zumindest kann ich jetzt darüber schreiben und einen Riesen Aufruf machen: Lasst euch testen und impfen! So könnt ihr euch und eure Partner*innen vor dem Stress und Krebs schützen.


Die Autorin des Artikels möchte gerne anonym bleiben. Sie ist der Redaktion bekannt.