Anstatt ihr Vermögen zu verprassen, fallen einige Superreiche dadurch auf, dass sie sich vermeintlich wohltätigen Zwecken widmen. Das ist nicht großzügig, sondern dient lediglich zur Legitimation extremen Reichtums, kommentiert unsere Autorin.
Während die Pandemie die ganze Welt in Atem hält und Menschen überall um ihre Existenz kämpfen müssen, explodiert das Vermögen von Superreichen buchstäblich und die Einnahmen von Wirtschaftsgiganten wie Amazon & Co. schnellen exponentiell nach oben. Während hierzulande Privatpersonen, Einzelhändler und ganze Branchen um ihre Existenz fürchten, stieg das Gesamtvermögen der mehr als 2.000 Dollar-Milliardär*innen weltweit bis Ende Juli auf den Rekordwert von rund 10,2 Billionen Dollar (8,7 Billionen Euro).
Doch auch schon vor dem Beginn der Pandemie wurde Kapital immer weiter von unten nach oben umverteilt, aus der Natur und unterbezahlter Lohnarbeit extrahiert und durch politische Macht und Einflussnahme gesichert. Der Kapitalismus braucht Armut, um ausbeuten zu können, um immer mehr Kapital aus dieser Ausbeutung heraus zu schöpfen, dieses dann zu akkumulieren und zu reinvestieren – und immer mehr Geld zu machen.
Viele, die daran verdienen, verdienen schon seit Generationen an ihren Unternehmen und vererben diese nach ihrem biologischen Ende weiter oder haben sie den, hierzulande im Nationalsozialismus verfolgten Juden entrissen, ohne dies jemals aufgearbeitet zu haben. Ein großer Teil des gesamten privaten Vermögens ist auch hierzulande nicht mit den eigenen Händen erarbeitet worden, sondern durch Erbschaften oder Schenkungen zustande gekommen. Beispielsweise wurden das Kaufhaus Tietz im Zuge der “Arisierung” im Nationalsozialismus zu Galeria Kaufhof oder die Taschentuchmarke Tempo von den ursprünglichen Besitzer*innen enteignet.
Nun gibt es wenige Ausnahmen von Erb*innen, die das geerbte Vermögen nicht, wie von den Erzeugern geplant, wieder ins Unternehmen investieren und dieses weiter ausbauen, sondern ihren eigenen Vorhaben nachgehen und Pläne umsetzen. Klar, wenn man superreich ist, werden einem bei der Verwirklichung seiner Lebensträume nicht unbedingt viele Steine in den Weg gelegt. Einige Erb*innen verprassen dann jahrelang das Vermögen ihrer Eltern und frönen dem hedonistischen Lebensstil – ein paar wenige jedoch versuchen ihr Vermögen in „sinnvolle“ Projekte zu investieren, die Welt zu einem „etwas besseren Ort“ zu machen und denjenigen gönnerhaft eine Chance zu geben, die nicht das Glück hatten per Zufall in eine super reiche Familie hineingeboren zu werden und Unmengen an Geld zu erben – und nun stattdessen hart arbeiten müssen, um ihre Existenz zu sichern.
Diese Wenigen werden jedoch medial, aber auch im Volksmund besonders positiv hervorgehoben, wenn sie zum Beispiel wie Bill und Melinda Gates in die Gesundheitsforschung investieren und an die WHO spenden oder wie Jeff Bezos 10 Milliarden „gegen den Klimawandel“ locker machen, was auch immer das heißen mag.
Ein weiteres Beispiel ist Ise Bosch, die mehrere Stiftungen fördert und „mit dem Geld, welches sie mit Vertrauen weitergibt, arbeitet.“ Dann ist da noch Paula Schwarz, die etwas von einer Revolution erzählt, was für sie so viel bedeutet wie ein gigantisches Datenmanagementsystem aufzubauen, das Flüchtlinge dorthin lotst, wo sie gebraucht werden, beziehungsweise ihre Arbeitskraft, die sie dann global vermarkten können und damit nach eigener Aussage „den eigenen Wert steigern können“. Also hinein in die nächste Ausbeutung über den Willen der Geflüchteten hinweg. Als wäre der Wert eines Menschen von seiner Produktivität abhängig – aber ja, genau so ist das im Kapitalismus.
An diesen Spenden ist nichts Großzügiges. An den Investitionen nichts Barmherziges. Und schon gar nicht müssen diejenigen, die die Spenden erhalten, dankbar dafür sein. Ein bisschen Charity ändert rein gar nichts an der weltweiten Ungleichheit. Sie dient lediglich zur weiteren Legitimation von extremem Reichtum und rückt die Geber*innen in ein gutes Licht, bringt ihnen wahrscheinlich sogar positive Publicity wodurch dann letztendlich das eigene Geschäft floriert.
Wieso sollte ein einzelner Mensch entscheiden dürfen, was gut für andere ist, nur weil sie*er zufällig über sehr viel Geld verfügt und damit über enorm viel Macht? Wo bleibt die Empörung der sogenannten Verfechter*innen der Demokratie, bei solch undemokratischen Begebenheiten? Im kapitalistischen Staat hat eine reiche Minderheit das meiste Sagen, da ihr durch Geld und Lobbyeinfluss eine höhere Teilhabe am kapitalistischen, politischen System ermöglicht wird als dem Durchschnittsmenschen.
Sicherlich sind einige Spendenziele ehrenhaft und sinnvoll – was passiert aber, wenn ein Multimilliardär beschließt, eine terroristische Organisation oder Klima zerstörerische Unternehmen zu fördern, oder den politischen Wahlkampf eines Präsidentschaftskandidaten, der die eigenen, für den Rest der Welt schädlichen Interessen in der Politik durchbringen wird? Am Beispiel der USA wird dies sichtbar: Die Koch Brothers spenden jährlich Millionen an die republikanische Partei, um Politik für radikal freien Handel und niedrige Steuern und gegen umfassende, staatliche Sozialsysteme und Umweltschutz durchzusetzen – also zum Vorteil für ihr eigenes Geschäft. Auch wenn dies nicht im Interesse der Mehrheit geschieht, werden die Forderungen von Superreichen in den meisten Fällen dennoch politisch umgesetzt. Politiker*innen ist es auch ausdrücklich qua Gesetz erlaubt Lobby Tätigkeiten nachzugehen. Anstatt Politik nach dem Willen der Wähler*innen zu betreiben, werden so die Interessen der herrschenden Klasse umgesetzt. Allein diese Tatsache nimmt der Existenz von Superreichen jegliche Legitimität.
Wenn Superreiche die Welt wirklich zu einem besseren Ort machen wollen, dann müssen sie zusammen mit den Ausgebeuteten einen Systemwechsel einfordern und dafür einstehen, dass niemand mehr über so viel Geld und damit Macht verfügen darf. Große Vermögen sind nicht mit der Demokratie vereinbar, Ungleichheit zerreißt sie von innen heraus und zerstört früher oder später das soziale Gefüge.