Nach Bekanntgabe der Stundenpläne zeigen sich wieder einmal die Probleme der Überbelegung an der HU. In diversen Studiengängen wurden Studierende nicht zu ihren Seminaren zugelassen.
Seit dem Wochenende hört das Handy nicht auf zu vibrieren: Nachrichten über Nachrichten in der Whatsapp-Gruppe meines Studiengangs. Scheinbar hat niemand annähernd die Kurse erhalten, die er*sie belegen wollte – geschweige denn die, die nötig wären, um den Studienverlauf gemäß Regelstudienplan fortsetzen zu können. Zu diesen Leuten gehöre auch ich.
Ich nähere mich im 5. Fachsemester dem Endspurt: meinen Bachelor in Sozialwissenschaften könnte ich im kommenden Jahr abschließen. Laut Studienordnung fehlen mir dafür nur noch zwei Vertiefungsseminare und drei andere Seminare. Entsprechend geschockt war ich, als ich von zehn angemeldeten Kursen nur für zwei angenommen wurde. Davon keines für den Abschluss zwingend notwendiges Vertiefungsseminar.
Wie mir geht es vielen anderen. Eine Kommilitonin wurde für alle angemeldeten Kurse abgelehnt und fragt, ob jemand ihr die Zugangsdaten für ein bestimmtes Seminar schicken könne. Eine andere fragt: „Wie ist es möglich, dass einige 4 Seminare bekommen und andere gar keine?“ Worauf jemand antwortet: „Bestimmt ne Mischung aus Glück, Beliebtheit der Seminare (…), einer schlechten Verwaltung und schlechten Programmierung.“ Der Chat mutiert zur Tauschbörse.
Diese Verzweiflung und Resignation höre ich auch beim Gespräch mit meinen Studienfreund*innen heraus. Eine Freundin, die neben dem Studium einem sehr anspruchsvollen Job im Krankenhaus nachgeht, erzählt mir, dass sie notgedrungen ein Seminar antreten wird, das sie inhaltlich wenig interessiert. Es sei das einzige, zu dem sie zugelassen wurde. Eigentlich soll die Vertiefung der Schwerpunktsetzung im Hinblick auf die Bachelorarbeit dienen. Die wird sie wohl verfehlen. Die Alternative wäre ein längeres Studium – finanziell und zeitlich wäre das eine Belastung.
Das Problem mit den unzureichenden Plätzen und Seminaren gibt es seit Jahren. Neben den Sozialwissenschaften sind auch andere Studiengänge betroffen. Auch letztes Semester haben viele nicht alle angestrebten Seminare bekommen. Doch dieses Semester scheint es, als würde die Hochschulpolitik der HU in einem vorläufigen Tiefpunkt gipfeln. Hat die Coronakrise auch hier Spuren hinterlassen?
Apropos Corona: Wurde den Studierenden während der Pandemie nicht größtmögliche Unterstützung angeboten? Wo ist dieser Geist hin? An der finanziellen und mentalen Lage ihrer Studierenden scheint die Uni mit diesem vorhersehbaren Chaos jedenfalls nicht allzu viel gelegen zu sein.
Mit all diesem Frust und den damit einhergehenden Sorgen wende ich mich an Fachschaft und Refrat. Die sind ebenfalls verärgert, aber verständnisvoll für unsere Lage. Sie würden bereits versuchen, alle Hebel in Bewegung zu setzen. Derweil rät mir der Refrat, ich solle meine Anliegen an höhere Gremien tragen – ein Ratschlag, den ich gerne an die anderen in der Whatsapp-Gruppe weiterleite. Die Fachschaft verweist mich ans Studienbüro. Beide raten mir zudem, mich direkt an die Dozierenden zu wenden.
Also schreibe ich ein paar Dozierenden. Das Ergebnis: in einem Seminar werden die Plätze verlost, in einem werde ich auf die Warteliste gesetzt und in einem habe ich tatsächlich Glück und werde trotz Ablehnung in Agnes angenommen.
Die erste Woche wird somit zum Spießrutenlauf: Jede*r Dozierende scheint seinen*ihren Kurs individuell zu regeln; wer wieso zu welchem Kurs zugelassen wird oder nicht ist undurchsichtig. Anstatt uns auf Inhalte konzentrieren zu können, müssen wir alle Hebel in Bewegung setzen, um überhaupt richtig weiterstudieren zu können. Der weitere Studienverlauf: unsicher.
Nach der Verunsicherung der letzten anderthalb Jahre hätte ich mir einen deutlich klareren Kurs von meiner Uni gewünscht. Leider hat die Humboldt-Universität hier versagt. Auch im neuen Semester werden alte Probleme wieder aufgekocht.
Foto: Cosima Kopp