Uns selbst gönnen wir selten etwas, anderen noch seltener. Vielleicht, weil wir uns selbst dabei ertappen, zu überprüfen, ob er oder sie den Erfolg wirklich verdient hat. Konkurrenz scheint uns angeboren zu sein. Was könnte die Lösung sein? 

Dass Gönnen manchmal schwerfällt, ist kein Geheimnis. Manchen von uns mehr, manchen weniger. Und niemand ist besonders stolz darauf. Ob es um Erfolg, Liebe oder Glück geht: Viel zu oft können wir uns nicht bedingungslos für jemand anderen freuen. Und seltsamerweise ist dieser Jemand nicht selten eine Person, die uns nahesteht, die womöglich zum Kreise unserer Liebsten gehört.

Aber wo liegt eigentlich das Problem? Hat die Person, der wir nur zähneknirschend applaudieren, in diesem Moment irgendetwas an sich, das sie unseres Lobes weniger würdig macht? Vielleicht ertappen wir uns dabei, zu überprüfen, ob er oder sie den Erfolg wirklich verdient hat. Leider handelt es sich hierbei eher selten um Gedanken à la Hat dieser Mensch mit fairen Mitteln gekämpft, sondern vielmehr um einen direkten Vergleich mit uns selbst. Hätten wir diese Note nicht eher verdient? Haben wir nicht genauso viel gearbeitet? Würden wir nicht viel besser zu dieser einen Person passen?
Klar, ist man selbst zur Abwechslung mal im Gleichgewicht und sprüht man vor innerer Harmonie und Zufriedenheit, so fällt einem das gutheißende Lächeln oder der ehrliche Schulterklopfer gleich viel leichter. Nächstenliebe und Selbstliebe gehen oft Hand in Hand.

Aber die Konkurrenz scheint uns anerzogen zu sein. In einer Welt voller Möglichkeiten, ständig neuer Ideen, endloser Lifestyle-Inspirationen auf Social Media… Ist es möglich, sich jemals wirklich auf einem Erfolgserlebnis auszuruhen, ohne gleich befürchten zu müssen, von irgendeiner Seite übertrumpft zu werden? Vielleicht ist es eine ständige Verlustangst, die uns zu miserablen Gönner*innen macht.

Ein weiteres Symptom jener bedauernswerten emotionalen Impotenz ist es, sich manchmal regelrecht verfolgt zu fühlen. Ist jemand vielleicht sogar gezielt darauf aus, uns unseren Platz streitig zu machen oder uns auszustechen?

Laut Freud ist die Angst vor dem „bösen Blick” eine alte Form des Aberglaubens und basiert vor allem darauf, dass wir, wenn wir in einem Mitmenschen schlechte oder bedrohliche Eigenschaften vermuten, diese eigentlich in uns selbst spüren. Werden wir zum Beispiel unruhig, weil wir befürchten, durch den Neid einer anderen Person zu Schaden zu kommen, so ist dies in der Regel der Neid, den wir umgekehrt selbst empfunden hätten. Die Vorstellung, dass die vermeintlichen Bösewichte um uns herum oft nur Projektionen unserer eigenen inneren Bösewichte sind, ist eindeutig beklemmend.

Ist jenes Auf der Hut Sein nicht auch eine Art Selbstschutzmechanismus? Vielleicht versuchen wir im Grunde nur, Enttäuschungen vorzubeugen und gehen vom Schlimmsten aus, sodass uns unser Erfolg, wenn er alle Hindernisse überwunden hat, gleich doppelt so prächtig erscheint. Wenn ich die Filme, die ich mir als Kind begeistert in Dauerschleife angesehen habe, mal unter der Lupe betrachte, fällt mir auf, dass man es fast antrainiert bekommen hat, von Gegenspielern auszugehen. Das Gute wäre nicht das Gute, wenn es sich nicht gegenüber Ursula, Scar oder Dschafar behaupten müsste. Danke, Walt.

Suchen wir also regelrecht nach diesen Fieslingen und schöpfen dabei unbemerkt aus unserer eigenen Niedertracht?

Eigentlich sollten Gegenspieler und Stolpersteine doch etwas sein, das wir mit aller Macht vermeiden oder sogar verdrängen wollen. Stattdessen erwischen wir uns dabei, ganz gezielt nach dem Unheil zu suchen. Und das sogar, wenn es sich um eine sehr vertraute Person handelt, die vermutlich nur unser Bestes will. Und deren Bestes wir wollen. Sind wir in diesem Fall nicht ganz besonders anfällig für Neid und Konkurrenzdenken? Immerhin sind es eben diese Menschen, die uns nicht nur unterstützen, zum Lachen bringen, uns lieben, sondern auch unsere geheimen Schwächen kennen. Dass genau sie es sind, deren Überlegenheit wir häufig am meisten fürchten, verstärkt umso mehr den Verdacht, dass der Ursprung des ganzen Unmuts bei uns selbst liegt. Es ist gewissermaßen die Angst davor, entlarvt zu werden, davor, dass jemand die Kenntnis unserer Schwachstellen nutzt, um sich uns gegenüber einen Vorteil zu verschaffen.

Vielleicht besteht die Lösung des Ganzen darin, einfach mal durchzuatmen und sich vorzunehmen, der eigenen Sache mehr zu vertrauen. Und außerdem wird in der Regel nicht nur Neid mit Neid, sondern auch Wohlwollen mit Wohlwollen beantwortet.


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