Sauerteigbrot ist ja sowas von letzter Lockdown. Jetzt ist Berlin wieder im Lockdown. Das ist zwar uncool, aber eben unumgänglich. Daher muss ich mich in dieser Kolumne weitgehend auf domestische Aktivitäten beschränken. Da ihr das aber auch müsst, kommt diese Folge von Berlin für Uncoole ja vielleicht gelegen. Es wird fermentiert.
Fermentieren dürften den Hippen unter euch ein Begriff sein. Es ist ein Prozess mit dem Lebensmittel haltbar, aber eben auch besonders schmackhaft gemacht werden können. In anaerobischen Bedingungen (also in einem sauerstoffarmen Umfeld) verdauen Milchsäurebakterien die Lebensmittel schon einmal ein Bisschen und erzeugen so nicht nur einen säuerlichen Geschmack, sondern machen die Lebensmittel auch bekömmlicher und gesünder. Für den Darm sollen fermentierte Lebensmittel besonders toll sein. Wenn ihr mehr darüber lesen wollt, fragt einfach die Suchmaschine eures Vertrauens. Das Internet ist überladen mit Fermentations-Infos. Hier schreiten wir jetzt zur Tat.
Als erstes radle ich zum Supermarkt und kaufe Chinakohl, Karotten, Ingwer, Frühlingszwiebeln, Radieschen, Knoblauch und eine ganze Menge Chilis. Na, ahnt ihr schon was hier heute zusammengemischt, ich meine gezaubert, wird? Genau – Kimchi. Und noch eine schön scharfe Soße.
Wieder in meiner Küche angekommen wird ein Podcast angemacht, das Handy in eine leere Tasse gestellt, denn die Bluetooth-Box ist nicht geladen und dann schnibbel ich los. Rezepten folgen ist nicht so mein Ding. Außerdem ist das Fermentieren auch immer ein Experimentieren. So viel kann man nicht falsch machen. Es schmeckt halt nur jedes mal ein Bisschen anders. Deswegen wird einfach alles klein gehackt und in eine Schüssel geworfen.
Damit das Kimchi auch schön scharf wird, püriere ich eine obszöne Menge Ingwer, Chilli und Knoblauch. Meine Nase fängt an zu laufen und die Augen brennen, obwohl ich nicht in sie gefasst habe. Ja, die ganze Küche riecht scharf. Gut, dass meine Mitbewohner heute ausgeflogen sind.
Hilft ja alles nichts. Ich widme mich den restlichen Chilis. Die Kerne kommen auch mit rein. Es soll ja ordentlich scharf werden. Außerdem bin ich wirklich zu faul die alle heraus zu pulen. Nach den ersten zwei bis drei Wochen der Fermentation wird die Soße sowieso püriert, dann merkt man auch die Kerne nicht mehr, oder?
Ich bin so auf das Schneiden, Schälen und meine tränenden Augen konzentriert, dass ich dem Podcast nicht lausche. Er bietet eher ein angenehmes Stimmenbett im Hintergrund. Da fühlt man sich nicht so einsam während des ganzen Social Distancing.
Der Podcast dudelt munter weiter, während ich die Lake für die Chilisoße vorbereite. Es sollte eine einprozentige Salzlake sein. Eine Waage, die Mengen unter 2 Gramm abwiegen kann, habe ich nicht. Ich bin ja kein Ticker und auch keine professionelle Stonerin. Uncool halt. Deswegen muss Augenmaß reichen. Ich schmeiße etwas Salz ins Wasser. Hoffentlich wird das was.
Jetzt streue ich noch etwas Salz über das Kimchi-Gemüse. Das muss nun ziehen, damit das Salz dem Gemüse das Wasser entziehen kann
Pausenzeit. Leider reibe ich jetzt munter meine Chili-Finger in mein Auge. Es brennt und ich renne ins Bad. Nach dem kleinen Fauxpas kann ich mich entspannt auf die Couch fläzen.
Zwei Stunden und drei Folgen einer mittelmäßigen Netflix-Serie später ist genug Flüssigkeit aus dem Gemüse ausgetreten. Ich stopfe alles in ein Weckglas und stelle sicher, dass alles Gemüse mit der Lake bedeckt ist. Das ist ganz wichtig, sonst besteht die Gefahr, das die Mixtur schimmelt.
Das Werk ist vollbracht. Ein Glas Kimchi und zwei Gläschen mit scharfer Soße sind fertig. Naja, eigentlich sind sie erst in zwei bis sechs Wochen fertig, wenn es genug fermentiert ist. Aber die Arbeit ist bis auf das täglich “Rülpsen lassen” getan. Mit Rülpsen lassen meine ich, einmal kurz die Deckel öffnen, damit die durch die Fermentation entstehenden Gase entweichen können. Sollte man dies vergessen, besteht die Gefahr, dass so viel Druck in den Behältern entsteht, dass die Lake beim Öffnen mit Karacho heraus spritzt und die Wände der WG-Küche versaut. Also falls ihr an eurer Kaution hängt, lieber regelmäßig Rülpsen lassen.
Wer noch mehr über das Fermentieren wissen möchte (man kann nämlich auch Bier, Kombucha oder Käse selber machen) und neugierig auf ein paar richtige Rezepte ist, dem kann ich das Buch The Art of Fermentation von Sandor Ellix Katz empfehlen.
Ich hoffe beim nächsten Mal geht’s wieder raus und ich kann die Untiefen Berlins und nicht nur die meiner Küche erkunden. Bis dahin, ein herzliches ‘tschüss’.
Titelbild: Matt Seymour/unsplash.com; alle anderen Fotos: Marita Fischer