Hunderttausende Europäer*innen befanden sich zur Zeit des Ausbruchs der Corona-Pandemie gerade auf Reisen. Als an vielen Orten alles noch einigermaßen normal zu sein schien, wurden viele Urlauber*innen von den Grenzschließungen, Einschränkungen der Reisefreiheit und den von der Regierung der jeweiligen Länder beschlossenen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie überrumpelt.

Um die Heimkehr der Urlauber*innen zu ermöglichen, rief das Auswärtige Amt die größte Rückholaktion aller Zeiten in Kooperation mit kommerziellen Fluganbietern ins Leben, für welche die Bundesregierung 50 Millionen Euro zur Verfügung stellte. Die Kosten dafür in Höhe eines normalen Economy Tickets müssen die Rückgeholten erst später begleichen. Im Folgenden schildere ich die Erlebnisse einiger Reisender, die während des Ausbruchs der Corona-Pandemie in verschiedenen Ländern unterwegs waren. 

Lina (Indien)

Die Kommunikation mit der deutschen Botschaft verlief problemlos und meine Registrierung für das Rückholprogramm am 24.03 ebenfalls. Auf der Seite waren viele Telefonnummern und Kontaktmöglichkeiten zu finden und die Mitarbeiter*innen waren sehr freundlich und hilfsbereit. Die Mail, wann mein Rückflug gehen sollte, bekam ich jedoch erst am selben Tag des Abflugs, am 31. März. Ich hatte bloß eine Stunde Zeit mich zum Flughafen zu begeben, wo trotz langen Wartezeiten aber alles gut organisiert war. Es war jedoch unheimlich schwierig, stressbehaftet und kräftezehrend aus dem Dorf, in dem ich mich befand, herauszukommen, da die meisten Taxis nicht mehr gefahren sind und der öffentliche Verkehr lahmgelegt war.

Die Situation in Indien ist viel angespannter als in Deutschland. Die Ausgangssperre galt zunächst vor allem für Ausländer*innen. Vor meinem Abflug war ich mit drei anderen für zehn Tage in Zwangsisolation. Das Militär und die Polizei haben überprüft, ob sich jemand draußen aufhielt und leistete den Anordnungen der Regierung teilweise auch mit Gewalt durch Schlagstöcke Folge. Einige Tourist*innen, die sich nicht an die Ausgangssperre hielten und mit dem Motorrad unterwegs waren, mussten ins Gefängnis. 

Am 22.03 ordnete die Regierung erst einen Lockdown für einen Tag an (vor allem für Tourist*innen) und verlängerte diesen plötzlich auf 21 Tage. Alle Grenzen wurden verriegelt, die Gasthäuser nahmen von heute auf morgen kaum mehr Leute auf oder schmissen gar Tourist*innen raus. Es bildeten sich riesige Schlangen vor den Lebensmittelläden, da die Menschen berechtigte Sorge vor Engpässen hatten. In ländlichen Gebieten hatten die Einheimischen Angst vor einer Ansteckung durch Ausländer*innen und fingen an sie zu meiden und ihnen ihre Hilfe zu verweigern. Die Furcht der Inder*innen vor einer verheerenden Pandemie wurde deutlich, da das Gesundheitssystem bei weitem nicht in der Lage dazu ist, die Folgen zu tragen.

Ich bin unendlich dankbar und erleichtert wieder in Deutschland zu sein. Es ist ein unfassbares Privileg. Viele Menschen in Indien müssen jetzt wahrscheinlich Hunger leiden, da es Lieferungsengpässe gibt und sie sich nicht vorzeitig mit Vorräten eindecken konnten, weil die Regierung überhaupt nicht transparent war.

Christoph (Kolumbien)

Ich war schon etwas länger in Südamerika unterwegs und war gerade an der kolumbianischen Karibikküste, als erste Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie ergriffen wurden. Viele Städte hatten ab Mitte März eine Quarantäne für Tourist*innen verhängt und die Straßen wurden von der Polizei bewacht und kontrolliert. Nach und nach wurden immer mehr Restaurants, Museen und Bars geschlossen, viele Hostels nahmen keine Reisenden mehr auf, die nicht länger als 14 Tage in Kolumbien gewesen waren und die Straßen wurden gespenstisch still und leer.

Da es keinerlei Rückmeldungen und Informationen zur Lage weder vom Auswärtigen Amt, dessen Internetseite nicht einmal abrufbar war, noch von den Airlines gab, bin ich nach Bogota geflogen, um dort nach Flügen nach Europa zu schauen. Am Flughafen traf ich auf viele andere Reisende, deren Rückflüge ersatzlos annulliert worden waren und die nun ratlos und nervös auf Informationen warteten. Die Stimmung war angespannt und unruhig und viele konnten sich die exorbitant in die Höhe getriebenen Preise der noch verfügbaren Charterflüge nach Europa nicht leisten, weshalb sie auf die Rückholaktion angewiesen waren.

Ein paar Tage später kam die vage Bestätigung per Mail, dass sich jetzt um die Rückholaktion gekümmert wird und der erste Flieger Mitte der Woche gehen könnte. Ansonsten gab es keine weiteren Anhaltspunkte, nur dass man entweder auf der Passagier- oder Warteliste stand. Ich hatte Glück, aber manche Urlauber*innen fühlten sich im Stich gelassen, da sie gar keine Bestätigungsmail erhalten haben und ihre Registrierung nicht im System auffindbar war.

Am Flughafen war die Organisation etwas besser. Mitarbeiter*innen von der Botschaft waren an der sehr langen Schlange vor dem und im Flughafen unterwegs und haben Informationen verteilt und Fragen beantwortet. Es gab strenge Passkontrollen und Fiebermessungen.Die kolumbianische Regierung zeigte sich kooperativ und hat sich im Vergleich zu Peru und Neuseeland nicht gegen die Ausreise gestellt. Vor einigen Tagen ist der letzte Rückholflug abgehoben.

Philip (Philippinen)

Ich war sechs Wochen auf den Philippinnen und habe die letzten zwei Wochen auf Cebu, einer der am Dichtesten besiedelten Inseln mit internationalem Flughafen verbracht. Ich hatte eigentlich keinen Rückflug geplant und wollte nach Singapur weiterreisen, jedoch wurden ab Mitte März die Fähr- und Inlandsflugverbindungen ausgesetzt.

Ich hatte überlegt die Pandemie auf Cebu auszusitzen, da die Verschärfung der Krise noch nicht so absehbar war, wie in Europa und bis auf die oben genannten Maßnahmen alles weitgehend normal blieb. Ab dem 20. März nahm aber auch hier der normale Alltag sein Ende: touristische Aktivitäten wurden untersagt, damit zusammenhängende Attraktionen geschlossen und Ausgangssperren verhängt.

Restaurants durften nur noch Speisen zur Mitnahme anbieten oder mussten komplett schließen und an den Eingängen der Supermärkte wurde Fieber gemessen. Tourist*innen, die weniger als 14 Tage auf der Insel gewesen waren, sollten sich in Quarantäne begeben und diejenigen, die sich bereits länger als zwei Wochen auf den Philippinen befanden, erhielten ein Health Certificate. Die Locals blieben stets freundlich zu uns und wir hatten keine Probleme mit der örtlichen Polizei.

Letztendlich wurde auch der öffentliche Verkehr am 28. März lahmgelegt und es waren nun auch keine Reisen innerhalb der Insel mehr möglich, was zuvor klar und deutlich in den Unterkünften kommuniziert wurde. Glücklicherweise konnte ich an jenem Tag noch zum Flughafen von Cebu, an dem die Situation sehr unübersichtlich war, fahren und nach langer Wartezeit einen Flug vom deutschen Rückholprogramm wahrnehmen.

Dafür hatte man sich anfangs, auf der dafür angelegten Elefand-Liste vom Auswärtigen Amt eintragen müssen, jedoch war der Andrang für Rückholaktionen auf den Philippinen so groß, dass die deutsche Botschaft ein neues Programm vorstellen musste. Beim neuen Programm musste man sich täglich online eintragen, um zu bestätigen, dass man noch keinen Rückholflug erhalten hatte und noch immer Interesse an einer Rückholung bestand. Hier wurden zunächst Familien und ältere Menschen priorisiert.

Die Kommunikation mit der deutschen Botschaft verlief zunächst mühsam, da die Leitungen ständig belegt waren, wurde aber täglich zunehmend besser. Wir bekamen später zwei Emails von der deutschen Botschaft: Eine Entschuldigung, dafür dass alles so chaotisch und schleppend lief und eine Warnung, dass man sich umgehend zu den Flughäfen begeben sollte, wenn man die Insel noch verlassen möchte.

Angesichts des nie zuvor dagewesenen Ausnahmezustands war die Organisation in Ordnung, aber eine schnellere Aktualisierung der Informationen wäre hilfreich gewesen.Die meisten Tourist*innen müssten mittlerweile wieder in Deutschland sein, jedoch sind noch immer einige auf den kleineren Inseln gestrandet, da diese schwerer zu erreichen sind. 

Adrien (Ägypten)

Ich konnte noch zu einem normalen Preis nach Hause fliegen, bevor die regulären Flüge nach Europa ausgesetzt wurden. Ich war ein paar Wochen in Ägypten, um an einer Sprachschule Arabisch zu lernen. In meiner Klasse gab es einen taiwanesischen Mitschüler, der auf der Straße aufgrund seiner Ethnizität als Träger des Coronavirus angefeindet wurde. Nicht asiatisch aussehende Tourist*innen wurden ganz normal behandelt, bis zu dem Zeitpunkt, als die Meldung kam, dass ein deutscher Tourist in Ägypten am Coronavirus verstorben ist und weitere Fälle von Covid-19 bei Tourist*innen diagnostiziert wurden. Von der Botschaft wurde daraufhin lediglich empfohlen, sich so schnell wie möglich um einen Rückflug zu kümmern, solange es noch möglich ist. 

Die Kommunikation des Problems von Seiten der ägyptischen Regierung schlug komplett fehl und war an Intransparenz kaum zu überbieten. Es wurden vereinzelt unseriöse Maßnahmen und bewusste Desinformation auf sozialen Netzwerken verbreitet, wie zum Beispiel das Trinken von Orangensaft, um sich gegen das Coronavirus zu immunisieren. Ansonsten gab es überhaupt keine offizielle Stellungnahme zur innerstaatlichen und internationalen Lage um das Coronavirus.

Das hatte den Effekt, dass die Bevölkerung sich sorglos verhielt, den Ernst der Lage nicht erkannte und sich in keiner Weise auf den Ausbruch vorbereiten konnte. Am 15. März gab es einen Wendepunkt, als die Türkei und auch viele andere europäische Länder ihre Grenzen und Flughäfen für Tourist*innen schlossen. Am selben Tag kündigte die ägyptische Regierung plötzlich die Schließung von Schulen und Universitäten an und verbot alle Großveranstaltungen. Sie sagte Freitagsgebete ab und führte eine nächtliche Sperrstunde ein. Bis heute wurden keine weiteren Maßnahmen verhängt und das Tagesgeschehen hat sich kaum verändert.

Trotz der sich global zunehmend verschlimmernden Zustände, scheint die Regierung darauf zu setzen, dass die Bevölkerung Ägyptens eine der jüngsten der Welt ist und das Gesundheitssystem aufgrund dessen nicht so stark von den Covid-19-Fällen überlastet sein wird. Lediglich 5% der ägyptischen Bevölkerung sind älter als 60 Jahre und mehr als die Hälfte unter 25. Laut offiziellen Zahlen ist die Ansteckungs- und Todesrate bisher verhältnismäßig niedrig, jedoch wurde eine Journalistin ausgewiesen, die die tatsächlichen Fallzahlen publizierte.