16. April 2020

In eine ordentliche und saubere Wohnung zu kommen hat mir deutlich mehr Freude bereitet, als ich noch nicht den ganzen Tag mit meinem blitz blanken WG-Zimmer konfrontiert war. Ich hoffe auf ein baldiges Ende des Kontaktverbotes – nur damit Ordnung und Sauberkeit mal wirklich wieder sparken.

Mein Zimmer ist so sauber und aufgeräumt wie noch nie in den fast 2 Jahren, die ich es jetzt schon bewohne. Jeder Zentimeter ist gesaugt und gewischt. Jede Oberfläche abgestaubt. Jedes Buch in das Regal einsortiert. Jedes Fenster ist geputzt. Alle 13 Schubladen in meinem Zimmer habe ich aufgerissen, ausgeräumt und ausgewischt. Dann habe ich sie befreit, von allem überflüssigen was sich in ihnen befand, um sie mit verbesserter Struktur wieder einzuräumen. Marie Kondos Philosophie zum Aussortieren ist der Maßstab, nach dem ich nun zu leben scheine.

Tagtäglich stelle ich mir nun die Frage: „Does this spark joy?“, „Bereitet mir das Freude?“. Dabei beschränke ich mich mittlerweile nicht nur auf Gegenstände – und auch nicht mehr nur auf mein Zimmer. Das Kontaktverbot und alle anderen Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus, gelten schon fast einen Monat und mit meinen Schubladen hatte es sich bereits nach Tag drei ausgekondot.

Also weitete ich die Frage danach, ob mir etwas Freude bereitet aus. Sparkt die Art, wie die Dinge auf meiner Kommode rumliegen, Freude? Nein. Zack, und schon wieder was aufgeräumt. Sparkt der Dreck oben auf dem Kühlschrank Freude? Absolut nicht. Und schon hab ich alles herunter gezerrt und geschrubbt. Das ging dann nochmal etwa drei Tage so und die Wohnung sparkte vorerst auf Hochglanz.

Schnitt zu jetzt. Ein Monat mit Kontaktverbot, ein Monat im Homeoffice, ein Monat nur für das Nötigste – und dazu zähle ich frische Luft durch Spazierengehen – die Wohnung verlassen. Mittlerweile stelle ich mir nicht mehr die Frage ob mir irgendwas in meiner WG noch Freude bereitet. Denn die Antwort wird nein lauten. Meine Mitbewohner*innen sind von dieser Frage und ihrer negativen Beantwortung natürlich ausgeschlossen.

Der Anblick der eigene vier Wände ist, mal mehr mal weniger, nur noch schwer zu ertragen. Dabei müsste ich mich so wohl wie nie zuvor auf meinen 19,5 Quadratmetern fühlen. Alles ist so schön ordentlich und sauber und keine meiner Pflanzen sieht unglücklich aus.

Es fühlt sich alles abgehakt an. Die To-Do-Liste der Dinge, die ich immer mal (sauber) machen wollte aber immer wieder vor mir hergeschoben habe, ist abgearbeitet. Das sollte ein recht befriedigendes Gefühl sein. Doch die Ordnung und die Sauberkeit kann ich nur genießen, wenn sie befreit von der Unordnung und dem Chaos des Alltags in der ich mich sonst befindet. Das nach Hause Kommen in die Ordnung und Sauberkeit nach einem langen, anstrengenden Tag mit Terminen und Verabredungen ist doch eigentlich das, was die Ordnung und Sauberkeit überhaupt erst erstrebenswert macht.

Verbringt man den ganzen Tag in der Ordnung und der Sauberkeit, erscheint sie zwecklos. Sie sparkt keine Freude mehr und wieso brauche ich sie dann überhaupt noch?

Man könnte jetzt meinen, dass ich meine Wohnung vollkommen vernachlässigt habe seit den sechs Tagen in denen ich meine innere Kondo gechannelt hatte. Natürlich ist alles noch ordentlich und sauber, denn was sollte man dieser Tage sonst noch tun, außer Ordnung zu schaffen und sauber zu machen.

Die Maßnahmen des Bundesregierung sind nun noch mindestens bis zum 3. Mai verlängert. Das sind noch etwa zwei Wochen. Zwei Wochen in denen man möglichst den Kontakt zu anderen Menschen vermeiden soll. Zwei Wochen in denen das Leben hauptsächlich in den eigenen vier Wänden stattfinden soll. Zwei Wochen voll freudloser Ordnung und Sauberkeit.

Bis dahin werde ich wohl einfach versuchen, möglichst wenig auf die von mir gereinigte Wohnung zu achten, in dem ich nochmal Marie Kondo beim aufräumen zusehe. Meine Netflix-Watchlist habe ich in den letzten Wochen übrigens genauso durchgearbeitet wie meine Schreibtischschubladen.


31. März 2020

Ein Ausnahmezustand wie dieser bringt jede und jeden unter uns dazu, Dinge zu tun, von denen wir unter normalen Umständen vermutlich ablassen würden. Für die einen ist es Joggen, für die anderen die Fenster zu putzen und für mich ist es, regelmäßig zu kochen.

Unter normalen Umständen verbringe ich wenig Zeit Zuhause. Zwischen Arbeit, Uni, Freundschaften und Verpflichtungen – die das Leben außerhalb von Hotel Mama nun mal mit sich bringt – bin ich eher selten in meiner WG anzutreffen. Manchmal sind es nur kurze Unterbrechungen von vielleicht einer Stunde, die ich dort verbringe. Diese Zeit nutze ich dann, um die Füße hochzulegen, auf Instagram rumzuhängen oder mich nochmal umzuziehen. Essen tue ich oft zwischendurch, im Gehen, in der Bahn und zu Vorlesungszeiten auch regelmäßig in der Mensa – manchmal im Hörsaal.

Diese normalen Umstände gibt es nicht mehr. Arbeit, Uni, Freundschaften und Verpflichtungen werden von Zuhause aus gepflegt. Kurzweilige Pausen brauche ich nicht, weil ich vom Gang zur Dusche und zurück zu meinem Sofa meist nicht wirklich erschöpft bin. Also bleibt Zeit, die ich theoretisch zum Kochen nutzen könnte.

Nun ist es aber auch so, dass ich unter normalen Umständen nicht nur wenig Zeit, sondern auch wenig Motivation und erst recht keine Freude für’s Kochen übrig habe. Sollte es länger als 20 Minuten in Anspruch nehmen, fange ich – unter normalen Umständen – gar nicht erst damit an. Immerhin brauche ich nur 10 Minuten um Wasser zum Kochen zu bringen, Nudeln reinzuschmeißen und ein Glas Pesto zu öffnen.

Weil jetzt aber alle um mich herum meinen, die Zeit des Nichts-tun-können sei genau die richtige Zeit, sich selbst zu optimieren, dachte ich mir, ich probier’ das auch mal aus und koche jetzt. Also genauer gesagt, hatte ich mir vorgenommen, jetzt zu kochen. Zunächst sind diesen Worten keine Taten, sondern nur Tiefkühlpizza und Schnorrerei bei meinem kulinarisch begabten Mitbewohner gefolgt. Der guckt auch immer ganz kritisch, wenn ich ein Küchenmesser in die Hand nehme. Gestern musste er mir erklären, wie man eine Zwiebel am einfachsten schält.

Meine Unwissenheit hat erst dann in meiner neu gewonnenen Euphorie für‘s Kochen gebremst, als ich mir die Frage stellen musste, was neben Nudeln und Kartoffeln eigentlich noch als Grundnahrungsmittel für eine Mahlzeit dienen kann. Gnocchi vielleicht? Mir ist nichts besseres als Reis eingefallen und das ist nun wirklich ein irre langweiliges Lebensmittel, wenn man nichts vernünftiges daraus zu machen weiß – so wie ich.

Daher verzichte ich jetzt auf sowas wie ein Grundnahrungsmittel in meiner Kocherei und schmeiße einfach nur kiloweise Gemüse in die größte Pfanne die ich finden kann. Noch drei Liter Humus drauf gekippt und fertig ist die, meiner Meinung nach, chefkoch.de-würdige Mahlzeit. Wenn ich starke Ratatouille-Vibes fühle (der Disney-Film nicht das Gericht), dann sprenkel ich sogar noch ein paar Walnüsse oben drauf.

Vergesse ich den Einsatz von Salz und Pfeffer nicht, schmeckt das auch ganz gut – nur viel Spaß habe ich noch immer nicht dran. Vorsichtshalber habe ich bei meinem letzten Einkauf auch eine Packung Spaghetti und ein Glas Pesto mitgenommen. Dass ich meine neue Challenge bis zum Ende dieses Ausnahmezustandes durchziehe, kann ich nicht versprechen. Vielleicht täte es mir aber auch ganz gut mal wieder ein vertraut lieblos angerichtetes Essen zu mir zu nehmen. Dann würde sich wenigstens für 20 Minuten alles nach normalen Umständen anfühlen – 10 Minuten brauche ich für’s Essen.