Maria Kurjo ist Turmspringerin, Sportsoldatin und Psychologiestudentin. Der UnAuf erzählt sie von dieser Dreifachbelastung, ihren Erfolgen, Rückschlägen und dem Moment vor dem Absprung

Chlorgeruch und weiße Kacheln: Das zweite Zuhause von Maria (29) ist die Schwimm- und Sprunghalle im Europasportpark Berlin. Hier trainiert sie sechsmal die Woche, fünf bis sechs Stunden täglich. Sie ist seit ihrem achten Lebensjahr Turmspringerin. Angefangen hat sie in der Grundschule, als sie bei einer Sichtung durch die örtliche Trainerin für geeignet befunden wurde. „Zuerst war ich richtig schlecht“, sagt Maria. Sie habe erst relativ spät mit dem Turmspringen angefangen und musste erstmal den Vorsprung der anderen Kinder aufholen. Und auch wenn sie anfangs immer nur die letzten Plätze belegt hat, trainierte sie weiter und gewann schließlich die ersten Medaillen. Erst dann wurde sie sich allmählich ihres Potentials bewusst.

Maria beschreibt sich als fleißiges Kind und lacht, als sie sagt, dass vielleicht eher der Fleiß als ihr Talent ausschlaggebend für ihren Erfolg war. Und so sprang sie 2004 ihre erste Jugend-Europameisterschaft in Russland. Trotz des Leistungssports sei ihre Jugend unbeschwert gewesen, Disziplin und Selbstständigkeit habe sie dabei intuitiv gelernt. Nebenbei hat sie ihr Abitur gemacht. Nach dem Schulabschluss absolvierte Maria dann eine Grundausbildung bei der Bundeswehr. Sportsoldatin zu werden sei für sie die einzige Möglichkeit gewesen, ohne existentielle Sorgen vom Sport leben zu können. Andere Sportarten würden durch Sponsoren gefördert, beim Wasserspringen sei das aber nicht der Fall. Also nimmt Mariaihre militärischen Verpflichtungen wahr, besucht Lehrgänge und meldet sich monatlich in der Kaserne.

„Als Wasserspringerin muss man eine dicke Haut haben“

Was Maria vor dem Absprung durch den Kopf geht? Sie hält kurz inne und sagt dann: „Im besten Fall nicht mehr so viel. Wer denkt, verliert!“ Sie erklärt uns, dass der Sprung aus zehn Metern Höhe etwa anderthalb Sekunden dauert und dass alle Bewegungen in Automatismen ablaufen sollten.

2010 stürzt Maria beim Springertag in Rostock. Sie schlägt mit dem Kopf auf der Plattform auf, ist sofort bewusstlos und wacht erst im Krankenwagen wieder auf. Der Sprung sollte ein „gehockter dreieineinhalb Delphin-Salto“ werden. Geduldig erklärt Maria: „Man steht rückwärts und dreht vorwärts.“

Über ihren Sturz spricht sie ruhig und rational, ihren Fehler habe sie genau rekonstruieren können. Den Sprung hat sie seitdem zwar noch ausgeführt, aber zu ihrem Repertoire gehöre er in dieser Formnicht mehr.

Ein Leben neben dem Sport

Seit 2013 studiert Maria Psychologie an der HU. Eigentlich wollte sie Gerichtsmedizinerin werden, aber ihr wurde gesagt, das Medizinstudium sei nicht mit dem Sport vereinbar. Also entschied sie sich für die Psychologie. Als zweites Standbein könne sie sich besonders gut Sportpsychologie vorstellen oder auch eine Tätigkeit in der sportlichen Laufbahnberatung. Bisher stehe nur fest, dass sie in Berlin bleiben will.

Trotz des anspruchsvollen Studiums bleibt der Sport ihre erste Priorität. Trainingslager wegen anstehender Prüfungen abzusagen, sei für sie keine Option, Urlaub kann Maria nur außerhalb der Saison nehmen. Unterstützung bei der Planung dieser Doppelbelastung erhält sie allerdings von Seiten der HU und des Olympiastützpunktes Berlin.

Aber irgendwann will Maria auch an Familienplanung denken, verlobt ist sie schon. Sie möchte irgendwann „ankommen“, so nennt sie es. Bis 2020 sei der Leistungssport aber mindestens geplant, denn dann finden die olympischen Spiele in Tokio statt. Und auch wenn wir Maria erst seit eine Stunde kennen, sind wir uns sicher, dass sie das, was sie sich dort vornimmt, auch schafft.