Der Berliner Wohnungsmarkt hat sich in den letzten 30 Jahren drastisch verändert. Zuletzt stiegen die Kaltmieten in einigen Stadtteilen um bis zu 200 Prozent an, hohe Modernisierungskosten treiben Mieter*innen aus ihren Wohnungen. Die UnAuf hat zu ihrem 30. Geburtstag eine Podiumsdiskussion veranstaltet und sich am 23. Mai im Demokratie Lab der Konrad-Adenauer-Stiftung gefragt: Wem gehört Berlin?

Anwesend waren der Neuköllner Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD), Wibke Werner, stellvertretende Geschäftsführerin des Berliner Mietervereins, Marlene Heihsel (FDP Berlin), Mitglied der BVV Friedrichshain-Kreuzberg, Mario Husten, Vorstand der Holzmarkt25 Genossenschaft, Andreas Jeromin, ehemaliger Hausbesetzer in Berlin und Katrin Neuhaus, Mitgründerin und erste Chefredakteurin der UnAuf. Moderiert wurde die Veranstaltung von UnAuf-Alumnus und ZDF-Moderator Wolf-Christian Ulrich.

Das Podium v.l.n.r: Mario Husten, Martin Hikel, Wolf-Christian Ulrich, Katrin Neuhaus, Marlene Heihsel, Wibke Werner, Andreas Jeromin, Foto: Gabriel Rinaldi

„Es gab einfach keine bezahlbaren Wohnungen“, erinnert sich Neuhaus, die Ende der 1980er Jahre der Hausbesetzerszene in Prenzlauer Berg angehörte. Im ehemaligen Ostberlin habe es eine große Zahl unsanierter Häuser gegeben. Angetrieben durch die Wohnungsnot seien diese Häuser einfach besetzt worden. In diese Zeit fiel auch die Gründungsstunde der UnAuf. „Wir sind in einem solchen Haus geboren worden“, so Neuhaus. Die UnAuf startete damals als Sprachrohr des Studentenrates, für dessen politische Arbeit Neuhaus und ihre Mitstreiter*innen eine Plattform schaffen wollten.

„Es gab einfach keine bezahlbaren Wohnungen“ – Katrin Neuhaus

Deutsche Wohnen & Co. enteignen?

Heute, knapp dreißig Jahre später, ist das Problem der Wohnungsknappheit in Berlin aktueller denn je. Seit Beginn des Jahres hat die Debatte – auch dank des Volksbegehrens „Deutsche Wohnen & Co. Enteignen“ – einen neuen Höhepunkt erreicht. Besonders betroffen seien Studierende, so Werner vom Mieterschutzbund. „Da wird ordentlich Kasse gemacht mit den jungen Menschen, aber diese stellen gleichzeitig auch Konkurrenz für junge Familien dar.“ Alle Anwesenden sind sich einig, dass es „neuere kreativer Lösungen“ für die Wohnungssituation bedarf. Moderator Ulrich stellt in diesem Kontext das Volksbegehren zur Enteignung der Berliner Immobilienkonzerne zur Debatte.

Den Verkauf von fast 200.000 staatlichen Wohnungen an Immobilienkonzerne in den 1990er Jahren bis 2005 bewertet SPD-Politiker Hikel kritisch. „Mit dem Verkauf von 65.000 Wohnungen allein 2004 hat der Senat Berliner Tafelsilber verscherbelt“, sagt der Neuköllner Bezirksbürgermeister. Er sehe sich selbst in einem Zwiespalt zwischen Idealismus und Realpolitik. „Wohnen ist nicht nur als Renditeobjekt auf dem freien Markt zu sehen“. Andererseits müssten für die Enteignung finanzielle Mittel genutzt werden, die auf kommunaler Ebene an anderer Stelle dringend benötigt würden. Das Volksbegehren sei ein Vorschlagshammer, „der vielleicht zu attraktiv und einfach klingt, als das es die langfristig richtige Lösung ist“, so Hikel.

„Mit dem Verkauf von 65.000 Wohnungen allein 2004 hat der Senat Berliner Tafelsilber verscherbelt“ – Martin Hikel

Fehlendes Bekenntnis zum Neubau

Für FDP-Politikerin Heihsel sind die Enteignungsvorstößen des Volksbegehrens keine Lösung für Berlins Mietenproblem. „Einerseits sehen wir das Problem, dass Enteignung nicht zu günstigen Mieten führt, der Weg führt nur über Angebot.“ Andererseits sei Enteignung kein gerechtes Mittel, da auch Menschen von ihm profitierten, die den Milieuschutz nicht benötigen. Es führe kein Weg an Neubau vorbei, so Heihsel. Auch Hikel fehle das Bekenntnis zu Neubau. Auf Ulrichs Nachfrage, wieso in den letzten Jahren so wenig gebaut worden sei, berichtet Hikel von seinen Erfahrungen mit Bauprojekten in Neukölln. Seine Bilanz fällt nüchtern aus. „Es gab immer viele Fragen, ob überhaupt neu gebaut werden darf und dann kam es häufig auch zu Bürgerprotesten,“ erklärt Hikel. In einem solchen Fall sei er als Bezirksverwaltung auch dazu verpflichtet, das Milieu nachweislich zu schützen.

Jeromin beobachtet eine zunehmende Veränderung der städtischen Infrastruktur. Hostels und AirBnB Wohnungen hätten das Stadtbild Berlins zum Negativen verändert und die Quadratmeterpreise nach oben getrieben. „Es gibt viele Leute, die arbeiten, aber nicht genug Geld verdienen,“ so Jeromin. Diese seien gezwungen aus der Stadt heraus in den Berliner Speckgürtel zu ziehen. Hikel kann dieser Entwicklung durchaus etwas Positives abgewinnen und spricht von der Schaffung einer „Metropolregion“ mit besserer Infrastruktur. Dieser Vorstellung setzt Moderator Ulrich entgegen, dass in Berlin seit dreißig Jahren keine neue S-Bahnstrecke gebaut wurde und auch der Ausbau der U5 stagniere.

Das Publikum im Demokratie Lab der Konrad-Adenauer-Stiftung, Foto: Gabriel Rinaldi

Mehr Freiraum und Toleranz

Husten wünscht sich mehr Raum für Selbstverwaltungen und Genossenschaften. Er selbst setzt sich mit dem Projekt Holzmarkt25 für den Erhalt kreativer Freiräume in Berlin ein. „Ich fände es gut, wenn die Stadt Berlin Flächen zurückholt und dann verpachtet“, so Husten. Zudem müsse es mehr Unterstützung für genossenschaftliche Projekte durch die regierenden Kräfte geben.

„Ich fände es gut, wenn die Stadt Berlin Flächen zurückholt und dann verpachtet“ – Mario Husten

FDP- Politikerin Heihsel plädiert für weniger Piefigkeit und mehr Toleranz gegenüber den Mitmenschen. Viele Berliner*innen würden sich zu stark über Verdichtung und Lärm beschweren. „Ich würde mir wirklich eine bessere Mischung wünschen, aber dafür muss man akzeptieren, dass man auch etwas dafür hergeben muss“, so Heihsel. Werner erwidert, dass sie im Mieterverein eine andere Realität erlebe und fordert, die Not der Menschen ernst zu nehmen. „Wir müssen diese Schieflage auf dem Wohnungsmarkt einfach wieder hinkriegen.“