Linker Journalismus in einer kapitalistisch organisierten Gesellschaft – geht das überhaupt? Bei einer Podiumsdiskussion Anfang November lud die Hochschulgruppe „Die Linke.SDS“ linke Journalist*innen ein, um herauszufinden, was es mit der „Vertrauenskrise“ der Medien auf sich hat und was man dagegen tun kann
Bei der Veranstaltung am 08. November diskutieren Nelli Tügel (Neues Deutschland), Benjamin Knödler (Der Freitag) und Raphael Thelen (Freier Journalist bei Spiegel Online) zunächst über ein Dilemma: Um die eigene Klientel zu bedienen, will sich linker Journalismus inhaltlich und weltanschaulich von den sogenannten „Mainstream-Medien“ abheben. Gleichzeitig wolle man aber auch von der breiten Öffentlichkeit wahrgenommen werden und müsse deshalb thematisch anschlussfähig bleiben.
Besorgt blicken die Journalist*innen auf knappe Gelder, die vor allem kleineren Redaktionen zu schaffen machen. Freie Mitarbeiter*innen angemessen zu bezahlen und investigativen Journalismus zu fördern, sei eine enorme Herausforderung, der kaum nachzukommen sei. Das gleiche gelte für ein internationales und zuverlässiges Netzwerk an Korrespondent*innen – ohne finanziellen Spielraum kaum zu stemmen. So müsse man oft bei Berichterstattung aus dem Ausland auf die nur schwer nachprüfbaren und gegebenenfalls selektiven Informationen von großen Presse-Agenturen zurückgreifen.
Die „Vertrauenskrise der Medien“ wird kontrovers diskutiert, insbesondere unter dem Stichwort „Lügenpresse“. Für Nelli Tügel ist eine allgemeine Politikverdrossenheit für die fortschreitende Spaltung der Gesellschaft verantwortlich. Benjamin Knödler sieht dagegen die Journalist*innen selbst in der Bringschuld: Der Vertrauensverlust in den Medien liege auch daran, dass viele Journalist*innen zwar eine neutrale Berichterstattung postulierten, diese aber meistens nicht gegeben sei. Für ihn als linken Journalisten sei es wichtig, sein linkes Weltbild zu transportieren, dabei aber „fair zu bleiben“. Für Raphael Thelen ist das Wort „Lügenpresse“ Ausdruck autoritärer Ansichten, die von einer kleinen aber lauten Minderheit vertreten würden, welche sich nicht für demokratische Verfahren interessiere.
Sollte man also auf diese Leute zugehen, über sie berichten und somit auf der Mainstream-Welle mitschwimmen? Oder wäre es konstruktiver, lieber andere wichtige Themen zu behandeln, um die Argumente der Rechten zu entkräften? Die Diskutierenden sind sich relativ einig, dass Portale wie der „Faktenfinder“ der Tagesschau zwar teilweise sinnvoll seien, es aber immer noch Themen gebe, die zu wenig Beachtung fänden. Die Themensetzung der Zeitungen und die Lebensrealitäten der Bevölkerung würden oftmals zu weit auseinanderklaffen. Viele Leute fänden sich nicht wieder, besonders Arme und Hartz-4-Empfänger*innen, gerade wegen der Art und Weise wie häufig über Armut berichtet werde. Außerdem gebe es in den großen Zeitungen nur wenige ostdeutsche Redakteur*innen.
Um diese Missstände zu ändern, sind sich die Journalist*innen einig, dass linke Medien optimistischer werden müssen und Lösungsansätze anbieten sollten. Des Weiteren sei es essentiell, als linke Medienschaffende selbstständig Themen zu setzen und gezielt auf Probleme aufmerksam zu machen, was sich allerdings wegen der geringen Popularität vieler Themen und der begrenzten Reichweite oft schwierig gestalte. Bei Berichten über die AfD wolle man nicht dieselben Fehler machen wie andere Zeitungen. Außerdem, so Nelli Tügel, müsse man die AfD nicht nur „von unten“, sinnbildlich dargestellt im wirtschaftlich abgehängten Ostdeutschen, sondern auch „von oben“, also speziell die Biographien und Ideologien der Führungsriege, erklären.
Alles in allem kann man von einem informativen Abend sprechen, wenn auch leider nur etwa zwei Hände voll Leute dieses Angebot wahrgenommen haben. Die „Macht der Medien“ haben wir vielleicht nicht umfänglich ergründen können, wie der SDS zuvor medial angekündigt hat. Es wurde uns dennoch ein interessanter Einblick in die Arbeit linker Journalist*innen gewährt und einige Hürden, mit denen sie konfrontiert sind aufgezeigt. Das waren die knappen 1 ½ Stunden, die das Ganze gedauert hat, auf jeden Fall wert.