Female Pleasure: Gleichberechtigung auf allen Ebenen?
Barbara Millers rückt in ihrem Dokumentarfilm #Female Pleasure die unterschiedlichsten Arten sexueller Unterdrückung in den Fokus. Leider bleibt es dabei, die Unterdrückung und nicht die tatsächliche Auslebung weiblichen Vergnügens zu besprechen
Jedes Jahr wird in Japan das Phallus-Festival gefeiert. Menschen aus aller Welt reisen in die japanische Stadt Kawasaki, um das männliche Geschlechtsteil zu bejubeln. Im gleichen Land muß sich eine junge Künstlerin vor Gericht verantworten, weil sie ihre Vagina zu einer Manga-Heldin machte. Dies ist eine von fünf Geschichten, die der Dokumentarfilm #Female Pleasure erzählt. Er zeigt, wie Frauen gesellschaftliche Tabus brechen und öffentlich über die Unterdrückung ihrer Sexualität sprechen.
Der Film der Schweizer Regisseurin Barbara Miller portraitiert fünf Frauen aus fünf verschiedenen Kulturen, welche sich trauen, offen über die verschiedensten Arten von sexueller Unterdrückung zu sprechen: Genitalverstümmelung, Vergewaltigung, Zwangsheirat.
So stellt uns der Film Leyla Hussein vor, die in Somalia aufwächst und schon als kleines Mädchen – ohne ihr Einverständnis – beschnitten wird. Genitalverstümmelung ist in ihrer Kultur noch immer etwas Alltägliches. In Rom erlebt Doris Wagner als Nonne einer katholischen Glaubensgemeinschaft, was es heißt, Machtstrukturen unterworfen zu sein. Mehrmals wird sie von einem Priester derselben Gemeinschaft vergewaltigt. Die Dokumentation führt uns weiter nach Indien, ins Land des Kamasutras, wo weder offen über Sexualität noch über Liebe gesprochen wird. Vithika Yadav ist die erste in ihrer Familie, die aus Liebe heiratet. Schließlich findet man sich mitten im New Yorker Stadtteil Williamsburg wieder, wo Deborah Feldmann in einer jüdisch orthodoxen Glaubensgemeinschaft aufwächst. Sie wird zwangsverheiratet und bekommt ein Kind. Vom Rest des Big Apples kennt sie vor ihrem Ausbruch aus der Gemeinschaft nur die Skyline. Und dann ist da noch Rokudenashiko, die japanische Vagina-Künstlerin. Beeindruckend ist, wie die Regisseurin es schafft, diese fünf individuellen Geschichten so miteinander in Einklang zu bringen, dass ein großes Ganzes entsteht. Alle fünf Frauen setzen sich tagtäglich für (sexuelle) Gleichberechtigung ein: Vithika Yadav spricht in Indien öffentlich über Liebe und Sex, Doris Wagner schreibt ein Buch über ihre Erlebnisse, Leyla Hussein gründet mehrere Hilfsprojekte.
Doch die Frauen kämpfen nicht nur gegen die Unterdrückung weiblicher Sexualität, sondern setzten sich auch für die Erfüllung ihrer Lust ein: #Female Pleasure, denn auch Frauen sollen sich ungehemmt sexuell ausleben dürfen, sollte doch eine der Hauptaussagen des Films sein. Schade ist deshalb, dass dieser Aspekt im Film nur am Rande angesprochen wird.
Auch wenn die Erlebnisse der fünf porträtierten Frauen keineswegs positiv sind und der Weg zur sexuellen Gleichberechtigung noch steinig ist, lassen Millers Protagonisten einem trotzdem spüren, dass sich etwas verändert. Die Erkenntnisse der Frauen sind teilweise zwar nicht neu, dennoch wird man inspiriert von ihrem unermüdlichen Kampf dafür, einen offenen Dialog über jene Gleichberechtigung unter der Gürtellinie zu entfachen. So ist der Film nicht nur einen Kinobesuch wert, sondern läßt auch hoffen, dass wir bald nicht nur das Phallus-Festival, sondern auch die Vagina-Parade feiern werden.
Autorin: Elena Oberholzer