Warschau gleicht momentan einem politischen Hexenkessel. Direkt neben der Uni, vor der Heilig-Kreuz-Kirche, fanden letztes Jahr die großen Proteste gegen die Verschärfung der Abtreibungsgesetze statt. Auch die innere Unipolitik scheint eingeschlafen. Der Austausch zwischen Dozierenden und Studierenden ist streng hierarchisch geregelt. Insbesondere in den älteren Disziplinen wie in meinem eigenen Fach der Geschichtswissenschaft ist dies in den Seminaren spürbar. Dennoch finden auch in der Uni viele Diskussionen über die schwindende Presse- und Meinungsfreiheit im Land statt – die meisten Studierenden identifizieren sich mit Europa. Insbesondere die kritische Haltung der polnischen, ungarischen und rumänischen Studenten gegenüber ihren Regimes, hat mich beeindruckt und mir vor Augen geführt, wie privilegiert ich bin, im weltoffenen Berlin leben zu dürfen.

Ich habe definitiv gelernt, dass Polen und seine Hauptstadt mehr sind als nur der Osten, wo man günstig Böller und Zigaretten bekommt. So bietet die Hauptstraße Nowy Swiat neben zahlreichen Bars und Restaurants auch mit Unmengen an Kultur. Die vielen katholischen Kirchen sind nicht nur für Gläubige wichtige Anlaufstellen, sondern lassen sich auch aus dem architektonischen Blickwinkel bewundern. Nicht umsonst wird Warschau als „kleines Berlin“ bezeichnet; die Techno-Szene ist im Kommen und in den meisten Lokalitäten wird die Hipsteratmosphäre durch reaktivierte 70er Jahre-Möbel im Sowjetstyle einfach wiederhergestellt werden.Warschau ist nicht zu erklären, man muss es erleben, aber ich empfehle jedem die fünfstündige Fahrt mit der Bahn. Insidertipp: Der Kaffee und das Wasser sind im ICE ab der Grenze nach Frankfurt/Oder kostenlos und das WLAN funktioniert auch bloß in Polen.

Miriam Meinekat, 22, Geschichtswissenschaften/Deutsche Literatur