Geschrieben von Claudio Rizzello
Berlin, 07. Februar 2014
“The Grand Budapest Hotel“ eröffnet die 64. Berlinale mit einem Paukenschlag. Wes Anderson entwirft ein märchenhaftes Kuriositätenkabinett mit Schauspielern, die auf einzigartige Art und Weise Tragik und Komik so zu vereinigen wissen, dass der Zuschauer mit einem melancholischen Schmunzeln zurückbleibt.
Das Hotelfoyer des “Grand Budapest Hotel“ als Mikrokosmos einer absurden, skurrilen und grotesken, sich dramatisch verändernden Gesellschaft der Zwischenkriegszeit. Die Zeit hat es so nie gegeben. Den Ort auch nicht. Macht aber nichts. Der Film lebt vom Geist des alten Europas und präsentiert ein verzerrtes Bild des Kontinents kurz vor der Machtergreifung der Nazis. Der Regisseur Wes Anderson war 2002 schon mit “Die Royal Tenenbaums“ und 2005 mit „Die Tiefseetaucher“ auf der Berlinale vertreten – gewonnen hat er noch nicht. Auf ein Neues also:
Im alpinen Zubrowka liegt ein rosafarbenes, pompöses Hotel an einem Berg, der so steil ist, dass man nur mit einer Seilbahn nach oben gelangt. So beginnt ein typischer Wes-Anderson-Film; ein Konglomerat an egozentrischen Exzentrikern, peniblen Poeten und lila Liftboys. Der gut parfümierte, an Theatralik nicht zu überbietende Concierge Monsieur Gustave (Ralph Fiennes) und sein Page Zero Moustafa (Tony Revolori) kennen die Vorlieben und geheimsten Wünsche aller Hotelgäste. Besonders gerne kommt Monsieur Gustave aber den Bedürfnissen von alten, reichen, schrulligen Damen nach, die das ihrerseits zu schätzen wissen. So auch Madame D. – gespielt von der brillanten Tilda Swinton, die, in einem weißen Sarg aufgebahrt, noch mehr Ausstrahlungskraft besitzt als manch ein Schauspielkollege bei einem Wutanfall.
Ihr missgünstiger Sohn Dimitri (Adrien Brody) beschuldigt Gustave des Mordes an seiner Mutter und der Erbschleicherei. Gustave landet im Gefängnis, bleibt dort aber nicht lange. Gemeinsam mit seinem “Lobby Boy“ gerät er daraufhin immer wieder in lebensgefährliche und trotzdem irgendwie charmante Verwicklungen. Hiermit beginnt ein auf drei Zeitebenen erzählter, hintersinniger Klamauk, der nur durch das virtuose Spiel mit filmischen Mitteln, subtilem Slapstick und dem Charisma der Akteure am Leben erhalten wird. Die überspitze Puppenhaus-Ästhetik ist so künstlich, dass sie schon wieder künstlerisch ist.
Schnell ist der Zuschauer in einer Welt gefangen, die dem Treiben in einer Schneekugel gleicht und ihm keinen Raum lässt, an etwas anderes zu denken. Man starrt also mit infantiler Unbeschwertheit in die Kugel und ist fasziniert von schrillen Farben, majestätischen Gebäuden und der Gewissheit, dass das Gute letztendlich über das Böse siegen wird. Welch fantastische Traumwelt.
Zeitweise schüttelt der Regisseur die Kugel allerdings so heftig, dass eine Überdosis charakteristischer Stilelemente Andersons nur durch namenhafte Schauspieler wie Jude Law, F. Murray Abraham, Jeff Goldblum, Bill Murray und Edward Norton auszugleichen ist. Der Balanceakt gelingt dabei gerade so. Was bleibt, ist dieses melancholische Schmunzeln, als Beweis dafür, dass der Film – gegen Ende doch noch aufwühlend – so bunt, lustig und durchgeknallt gar nicht ist.
“The Grand Budapest Hotel”
Großbritannien / Deutschland 2014
Regie: Wes Anderson
Darsteller: Ralph Fiennes, Tony Revolori, F. Murray Abraham, Mathieu Amalric, Adrien Brody
100 Min.
Foto: Wikimedia Commons, Jessica Weiller; Lizenz: CC0, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Bear_unsplash.jpg#/media/File:Bear_unsplash.jpg
Also ich hätte ja gedacht, dass die Kommentare an dieser Stelle dazu dienen sollen, die Filmrezensionen auf “unauf.de” zu kommentieren und nicht, um für einen eigenen Beitrag Werbung zu machen…
In diesem Sinne: Mein Kompliment an den Autor Claudio Rizzello! Ihm ist eine sehr wortgewandte und lebendige Rezension gelungen, die Lust auf “mehr” macht :-))
Weiter so!!!
Ich bin noch ganz begeistert von diesem neuen Wes Anderson-Film (meine Filmkritik hier: http://www.leselink.de/filme/komoedie/grand-budapest-hotel.html ), der es gleichzeitig schafft, das Typische beizubehalten – die Detailverliebtheit, die Ernsthaftigkeit der Figuren und eine Erzählung, in der es auch viel um das Erzählen an sich geht – mit einem neuen Genre zu verbinden.
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