Geschrieben von Miriam Nomanni

Berlin, 08. Februar 2013

,,Do you hear the people sing? Singing the song of angry men?” – Ja, man hört sie laut und deutlich, die Elenden aus “Les Misérables”. Die neueste filmische Adaption des Musicals, das auf dem historischen Roman “Die Elenden” von Viktor Hugo aus dem Jahr 1862 beruht, glänzt auf der Berlinale 2013 durch eine brillante Überführung des Bühnenstoffs auf die Leinwand.

Die Geschichte beginnt im Jahr 1815. Deren Mittelpunkt bildet Jean Valjean (Hugh Jackman) oder auch Gefangener Nummer 24601, der für den Diebstahl von Brot und für zahlreiche Fluchtversuche 19 Jahre seines Lebens im Gefängnis verbringen musste. Als er endlich von Polizeiinspektor Javert (Russel Crowe) entlassen wird, erhält er jedoch den Pass eines Häftlings auf Bewährung, der ihm das Arbeiten unmöglich macht. In seiner Not bestiehlt er einen Geistlichen, der ihm vergibt und ihm die Beute sogar überlässt. Vom Verhalten des Geistlichen berührt beschließt Valjean, seiner Bewährung zu entfliehen und von nun an ein moralisch gutes Leben zu führen.

Sieben Jahre später setzt die Geschichte wieder ein. Valjean ist nun Bürgermeister von einer kleinen Gemeinde Nordfrankreichs und Fabrikbesitzer. Die junge Fantine (Anne Hathaway), Mutter der kleinen Cosette (Isabelle Allen), wird aus Valjeans Fabrik ohne dessen Wissen entlassen und verkauft daraufhin ihren Körper, um für ihre Tochter sorgen zu können. Ihr Gesundheitszustand verschlechtert sich dabei rapide. Valjean nimmt sich ihrer an und verspricht Fantine an ihrem Totenbett, für ihre Tochter  zu sorgen. Er muss jedoch – nun in Begleitung der jungen Cosette – erneut von Javert verfolgt aus der Stadt fliehen, denn dieser hat  Valjean als ehemaligen Gefängnisinsassen wiedererkannt.

Weitere neun Jahre später befinden sich Valjean und Cosette, aber auch Javert in Paris. Die Stadt steht kurz vor dem Juniaufstand 1832,eine Vielzahl junger Studierenden plant den Widerstand gegen den französischen König. Auch Javert ist in der Stadt. Die inzwischen jugendlich gewordene Cosette (Amanda Seyfried) verliebt sich in einen der Widerständler und Valjean muss sich nun entscheiden: Will er weiterhin fliehen oder Cosettes Liebe unterstützen?

“Les Misérables” ist ein zweieinhalbstündiges Feuerwerk aus brillanter Schauspiel- und Gesangskunst, einem atemberaubenden Soundtrack und gekonnter Inszenierung des Regisseurs Tom Hooper.

Hauptdarsteller Hugh Jackman erweckt den Charakter des Valjean zu wahrem Leben und schafft es nicht nur, durch seine bereits am Broadway erprobte Stimme zu begeistern, sondern auch ungekünstelt einen Gefangenen mit blutunterlaufenen Augen zu mimen. Sein starke Mimik ist ein tragendes Element des Films, was durch die vielen Nahaufnahmen nur unterstützt wird. Aufgrund seiner Leistung in „Les Misérables“ wurde Jackman bereits als Bester Hauptdarsteller für den Oscar 2013 nominiert.

Ebenfalls unnachahmlich überzeugend, ohne theatralisch zu werden, tritt  Anne Hathaway als verzweifelte Mutter Fantine auf. Mit dem Stück “I Dreamed a Dream” liefert sie sowohl das musikalische als auch schauspielerische Highlight. Den Golden Globe 2013 erhielt sie bereits für diese Performance, der diesjährige Oscar als Beste Nebendarstellerin könnte in den nächsten Wochen folgen – zu Recht.

Ein Wermutstropfen ist allerdings doch zu entdecken: Amanda Seyfried, welche die jugendliche Cosette darstellt, weiß leider nicht so wie ihre Kollegen zu überzeugen. Dies liegt weniger an ihrer tadellosen Stimme, sondern viel mehr am mangelnden Ausdruck ihres Schauspiels, der gerade im Verhältnis zu Hugh Jackman aufzufallen scheint. Insbesondere das Ende des Films zieht sich so scheinbar in die Länge.

Eine mit Spannung erfüllte Atmosphäre schafft dennoch zu jeder Zeit der Schnitt: So wirkt es in den kämpferischen Auseinandersetzungen oft, als liefe der Kameramann direkt den Darstellern hinterher, dann ist es gar nicht so einfach, dem Geschehen mit den Augen zu folgen. Dies ist ein gelungener Kontrast zu vielen ruhigen Szenen des Films.

Es ist zudem kaum zu glauben, dass ein realistischer und vor allem mitreißender Handlungsstrang ohne Probleme erzeugt werden kann, wenn die Figuren nur singend kommunizieren. Dies ist jedoch an keiner Stelle seltsam und stört auch nicht den Fluss der Geschichte.

Der Stab aus Hollywood-Größen sowie weniger bekannten Darsteller in kleineren Rollen ergibt ein perfektes Gesamtbild. ,,Les Misérables” ist damit nicht nur für Fans des populären Musiktheaters ein absolutes Muss und beweist, dass ein Musical nicht nur auf der Bühne die größten Gefühle hervorrufen kann.

 

Großbritannien, 2012, 158 Minuten
Sektion: Berlinale Special
Sprache: Englisch
Regie: Tom Hooper

Darsteller u.a.: Hugh Jackman, Russel Crowe, Anne Hathaway, Amanda Seyfried

Kinostart: Am Samstag, 09.Februar 2013 und Do, 14. Februar als Berlinale Special im Friedrichstadt-Palast und ab dem 21. Februar 2013 regulär in den deutschen Kinos

 

Foto: Wikimedia Commons, Jessica Weiller; Lizenz: CC0, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Bear_unsplash.jpg#/media/File:Bear_unsplash.jpg