Illustration: Anna Lechner
Geschrieben von Charlotte Vollenberg und Marie Heinrichs
Berlin, 19. Mai 2013
In vielen Fächern kann man heute nach in der Regel drei Jahren Studium einen Hochschulabschluss erwerben. Doch viele Studierende fragen sich, was der mit der Bologna-Reform eingeführte Bachelor denn überhaupt wert ist und welche Chancen er auf dem Arbeitsmarkt eröffnet. Absolventen, Hochschulen und Arbeitgeber beteiligen sich an der öffentlichen Debatte um den neuartigen Abschluss.
Der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft hat, gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung, gemeinsam mit dem Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) und der Hochschul-Informations-Systems-GmbH (HIS) versucht, die Arbeitsmarktbefähigung und -akzeptanz von Bachelorstudierenden und -absolventen zu ermitteln. Der Bericht “Mit dem Bachelor in den Beruf“ stellt nun die Erkenntnisse der Befragung von Bachelorstudierenden, Bachelorabsolventen und Unternehmen sowie Vergleichsstichproben mit Studierenden traditioneller Studiengänge aus dem Jahr 2010 vor. Darin ist einerseits zu erfahren, dass fast zwei Drittel der erwerbstätigen Fachhochschul- und mehr als die Hälfte der Universitätsbachelors mit ihrer aktuellen beruflichen Situation zufrieden bis sehr zufrieden sind. Andererseits gelang es Ersteren zu 19 Prozent und Letzteren zu 28 Prozent nicht, eine Stelle zu finden, die einem Hochschulabschluss angemessen ist.
„Ich möchte mir nicht anmaßen, dies zu pauschalisieren, gebe aber zu, dass ich den Eindruck habe, dass man mit einem Bachelorabschluss nicht wirklich weit kommt“, meint Luise Künnemann. Die 21-Jährige studiert Medientechnik im sechsten von sieben Semestern Regelstudienzeit an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig (HTWK). Sie selbst würde nach dem Bachelorabschluss gern direkt einen Master anhängen, um vor allem bezüglich Führungspositionen besser auf das Berufsleben vorbereitet zu sein. „Ich denke, dass fünf Jahre Studium und zwei große Abschlussarbeiten schon besser sind als der ‚kleine’ Bachelor, der ja meist ‚nur’ drei Jahre geht“, erklärt Künnemann ihren Standpunkt.
Rosemarie Schwartz-Jaroß, Leiterin des Referats Beruf und Wissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin (HU), kann Künnemanns Standpunkt untermauern: „Möchte man ins höhere Managment, dann empfehlen wir den Master. So auch im Wissenschaftsbereich und in gewissen politischen Institutionen.“ Bei der Vorbereitung auf die Berufswelt sei der Bachelor eine Art erster Schritt. „Mit dem Bachelor hat man sein Handwerkszeug mitbekommen, aber man sollte auf jeden Fall seinen Kompetenzbereich stetig erweitern“, empfiehlt sie. Zusätzliche Qualifikationen wie Zertifikate, Praktika oder Sprachen würden beim zukünftigen Arbeitgeber meist den Ausschlag geben. Auch der Bericht des Stifterverbands für die Deutsche Wissenschaft zeigt, dass die große Mehrheit der Personalverantwortlichen in Unternehmen einen generellen Nachbesserungsbedarf bei den Bachelorstudiengängen sieht. 76 Prozent der Befragten bemängelten einen zu niedrigen Praxisbezug der Lehrinhalte. Ebenso geben die befragten Studierenden als wichtigen Verbesserungswunsch die Möglichkeit an, während des Studiums ohne Zeitverzug ein Praktikum absolvieren zu können.
„Ich persönlich finde, dass es zunächst einmal stimmt, dass der Bachelor sehr vollgepackt ist – allein schon durch die Umrüstung vieler fünfjähriger Diplomstudiengänge auf den viel kürzeren Bachelor. So bleibt nicht immer Zeit, seinen Horizont außerhalb des Studiums zu erweitern“, gibt auch Luise Künnemann zu bedenken. An der HWTK sei jedoch glücklicherweise ein Praxissemester Pflicht, wodurch ein „erzwungener“ Blick über den Tellerrand garantiert sei. „Ich denke, das ist wichtig – sowohl für die eigene Spezialisierung als auch um der Gefahr vorzubeugen, dass der persönliche Kompetenzbereich nur mit dem Bachelorstudium zu begrenzt sein könnte“, erläutert sie. Neben allen Einwänden ergibt der Bericht des Stifterverbandes für die deutsche Wissenschaft aber auch, dass bei Unternehmen, die generell Akademiker beschäftigen, vor allem drei Kriterien für Bedeutung sind, wenn es um die die Besetzung von höheren Fach- oder Führungspositionen geht: Identifikation mit den Unternehmenszielen, Leistungsmotivation und Kommunikationsfähigkeit. Ein Masterabschluss wurde lediglich von 4,4 % dieser Unternehmen als sehr wichtig bewertet.