Hochschulpolitik in Oslo heißt: Online-Wahlen beim Studierendenparlament (StuPa) und bezahlte Vollzeit-Stellen für die Studierenden-Vertreter*innen. Mit Erfolg: Die Wahlbeteiligung liegt im Schnitt bei 15 Prozent und damit deutlich höher als an deutschen Universitäten. Wichtige Umweltregulierungen, wie eine ordentliche Mülltrennung, wurden vom Parlament angestoßen.

Die 26-jährige Linnea Barberini hat ihr Studium für ein Jahr pausiert, um in der Politik zu arbeiten: Sie ist eine von fünf gewählten Vertreter*innen, die 40 Stunden in der Woche plus Überstunden im Executive Committee des StuPas sitzen und zusammen das höchste Entscheidungsorgan bilden. 

Das StuPa hat seinen Sitz im Herzen des Campus, in einer restaurierten Villa. Hier hat Linnea ihr Büro: hohe Decken, große Fenster, und in der Ecke steht ein Sofa. Einmal im Monat kommen die 36 gewählten Vertreter*innen des StuPas zur Sitzung. Linnea und ihre 4 Mitstreiter vom Executive Committee sind jeden Tag hier.

Hier arbeiten Mitarbeiter*innen des StuPas in Oslo in ihren Büros. Foto: Lena Fiedler
Die Büros der Mitarbeiter*innen des StuPas an der Universität Oslo. Foto: Lena Fiedler

Bezahlt werden sie aus dem Budget des Parlaments, das von der Universität bereit gestellt wird. Das Gehalt ist dabei vergleichbar mit einem Traineeship und liegt deutlich unter dem, was Linnea in einem anderen Beruf mit ihrem Bildungsabschluss bekommen würde.

StuPa einfach online wählen

Das Parlament teilt sich in drei Ebenen. Auf der ersten Ebene sitzen die 36 Parlamentarier*innen, die einmal im Jahr über die Listen der Uni-Parteien gewählt werden. Die Parlamentarier*innen wählen das Executive Committee. Auf der zweiten Ebene sitzen die Fakultätsräte, auf der dritten die Vertreter*innen der einzelnen Studiengänge. Linnea gesteht: „Es ist ein bisschen kompliziert, vor allem auf der zweiten und dritten Stufe verliert man schnell den Überblick!“ Aus jeder Ebene werden Vertreter*innen in die höheren Ebenen gewählt.

So sollen alle Interessen abgebildet werden. Aber die acht Fakultäten agieren jeweils unabhängig. Manche sind gut organisiert, andere weniger. „Manchmal ist es schwer, jemanden zu erreichen, der weiß worum es geht!“ klagt Linnea. Auch deshalb haben die fünf Studierenden aus dem Executive Committee Unterstützung: Zwei administrative Kräfte sitzen mit in der Villa. Sie sind nicht gewählt, sondern fest angestellt. Und wenn im Frühling gewählt wird, bleiben sie die gleichen, während in die Büros von Linnea und ihren Kommiliton*innen andere einziehen.

An der UiO wählt man online. Man loggt sich im Wahlportal ein und kann dann in aller Ruhe und zu jeder Zeit seine gewünschten Kandidat*innen auswählen. Weitere Informationen zu den Wahlen und den Kandidat*innen sind verlinkt. Die meisten Wahlen laufen eine Woche. In diesem Zeitraum darf man sein Wahlformular so oft ändern wie man will. 

In diesem Gebäude sitzen die Mitarbeiter*innen des StuPas an der Universität Oslo. Foto: Lena Fiedler
In der Villa EIKA haben die StuPa-Mitarbeiter*innen ihre Büros. Foto: Lena Fiedler

Die Online-Wahlen sind für Linnea fester Bestandteil des politischen Systems: „Wir machen das schon seit Ewigkeiten so!“ Und nicht nur die Studierenden wählen online, auch die Universität wählt so, zum Beispiel den Dean. Die Wahlbeteiligung in Oslo ist höher als an deutschen Universitäten. Im Schnitt der letzten 10 Jahre lag sie bei 15 Prozent. 2017 sogar bei 17,6 Prozent – Rekord! Damit ist sie deutlich höher als an der HU (vgl.: 2019 lag die Wahlbeteiligung an der HU bei 8,02 Prozent).

„Wir können in unseren Forderungen radikal sein”

Linnea erzählt zufrieden von ihrer Arbeit im Parlament: „Es ist eine tolle Erfahrung!“ Sie hat das Gefühl, dass sie hier wirklich etwas verändern kann. „Die Universität nimmt uns sehr ernst.“ Im politischen Alltag schiebt sie zwar viele unbezahlte Überstunden, aber es lohnt sich: Im Moment verhandelt die Universität über ihre Klimaziele 2030 – und Linnea und ihre Kommiliton*innen sitzen mit am Tisch. Sie haben zum Beispiel durchgesetzt, dass die Universität einen detaillierten Bericht veröffentlichen muss, in welchen Bereichen wie viel CO2 ausgestoßen wird.

Das überraschende Ergebnis: Der Reisesektor ist mit 31 Prozent für fast ein Drittel des gesamten CO2 Ausstoßes der UiO verantwortlich. Weil das StuPa die Erfassung und Veröffentlichung der Daten eingefordert hat, können nun gezielte Maßnahmen ergriffen werden, um den CO2 Ausstoß der Universität zu reduzieren.

An der Universität Oslo wird das StuPa online gewählt. Screenshot: Lena Fiedler
An der Universität Oslo wird das StuPa online gewählt. Jeder Studierende kann sich einfach einloggen und an den Wahlen teilnehmen. Screenshot: Lena Fiedler

Ihre Arbeit als Politikerin fast die Studentin so zusammen: „Ich glaube, unser größter Einfluss liegt nicht darin, ganz neue Projekte anzustoßen, sondern die laufende Hochschulpolitik in eine bessere Richtung zu lenken. Wir können in unseren Forderungen radikal sein und damit die Universität dazu zwingen, ehrgeizige Ziele zu formulieren und einzuhalten.“

Weitere Infos zum STuPa an der Universität Oslo: 

Das StuPa der UiO hat 36 Sitze. 

28 der Parlamentarier*innen werden im Frühling jedes Jahres über Listenplätze gewählt: Alle Studierenden der UiO sind dazu aufgerufen, eine der sechs Listen zu wählen: The Liberal List, The Realist List, The Green List, The Left Alliance und The Guest List. Den Wahlergebnissen entsprechend werden dann die Listenplätze aufgeteilt. 

Außerdem entsendet jeder Fakultätsrat eine Repräsentant*in in das Studierendenparlament. So werden die übrigen 8 Plätze besetzt.

Die Fakultätsräte werden von den jeweiligen Studierenden ihrer Fakultät im Frühling oder Herbst gewählt. 

Das StuPa wählt fünf Parlamentarier*innen als Executive Committee. Das ist das höchste Entscheidungsorgan des Parlaments. Die fünf Studierenden pausieren ihr Studium für ein Jahr und arbeiten in bezahlter Vollzeit als Hochschulpolitiker.