Land unter in Berlin. In Das Licht von Tom Tykwer trifft eine bildungsbürgerliche Familie auf eine Geflüchtete aus Syrien. Leider ist der Film mit Klischees überladen.
Ein grelles Licht flackert durch das Fenster einer Plattenbauwohnung. Mit dieser Szene beginnt Das Licht, der Eröffnungsfilm der diesjährigen Berlinale. Milena (Nicolette Krebitz) und Tim Engels (Lars Eidinger) leben mit ihren beiden siebzehnjährigen Kindern in einer geräumigen Altbauwohnung. Milena koordiniert für das Bundesministerium für Internationale Zusammenarbeit einen Theaterbau in Nairobi. Tim arbeitet für eine Werbeagentur. Ihre Ehe ist seit Jahren bestenfalls eine Zweckgemeinschaft und die Zwillinge Frieda (Elke Biesendorfer) und Jon (Julius Gause) haben sich längst von ihren Eltern entfremdet. Alle zwei Wochen lebt Milenas unehelicher Sohn Dio bei der Familie. Um ihre Ehe zu retten, besuchen Milena und Tim, nicht zum ersten Mal, eine Paartherapie, die allerdings mehr Trennendes als Verbindendes zutage fördert. Die polnische Haushaltshilfe stirbt beim Putzen an einem Herzinfarkt und liegt stundenlang tot in der Wohnung, weil alle so mit sich selbst beschäftigt sind, dass sie den Tod ihrer Hausangestellten nicht bemerken. Als Nachfolgerin tritt Farrah (Tara Al-Deen), eine syrische Psychotherapeutin, die als Geflüchtete nach Deutschland gekommen ist, als neue Haushälterin ins Leben der Familie.
Alle Figuren sind mit ihrer Lebenssituation unzufrieden und wünschen sich eine Wiederannäherung an die anderen Familienmitglieder. Da sie daran scheitern, ihre Bedürfnisse einander zu kommunizieren, vertrauen sie sich Farrah an, die allen gegenüber sehr verständnisvoll auftritt und schnell das Vertrauen der Familie gewinnt. Ihr gegenüber artikulieren sie ihre Wünsche und Hoffnungen, die sie untereinander nicht ansprechen können, ohne Streit anzufangen. Farrah versucht vordergründig, die Familie wieder zusammenzubringen, verfolgt dabei jedoch ihre eigenen Ziele. Zum Ende werden die Geschichten Farrahs und der Familie Engels auf zynische Weise zusammengeführt, wobei die titelgebende Lampe eine große Rolle spielt.
Trotz aller Versuche, dem Film psychologische Tiefe zu verleihen, bleiben Handlung und Figuren, Farrah ausgenommen, oberflächlich. Milena schimpft in Kenia über den langsamen Baufortschritt des Theaters und spielt sich als White Saviour auf. Zurück in Deutschland versucht sie verzweifelt, Staatssekretär*innen zu überreden, ihr die bewilligten Fördermittel nicht zu streichen. Tim denkt sich Greenwashingkampagnen für Unternehmen aus und generiert sich dabei als Klimaschützer. Jon flüchtet sich mit Videospielen in eine Parallelwelt und Frieda versucht dem tristen Familienalltag mit Techno und Drogentrips zu entfliehen. Ein plakativeres Wiederkäuen gesellschaftlicher Diskurse ist kaum vorstellbar. Wäre dies nicht schlimm genug, versinken die Figuren, die natürlich ihre Privilegien reflektieren, in unerträglichem Selbstmitleid, ihren selbst gesetzten, hohen moralischen Standards nicht gerecht zu werden.
Warum Tim am liebsten nackt durch die Wohnung läuft, bleibt ebenso rätselhaft, wie die Szene, in der ein Lieferdienst-Mitarbeiter von einem LKW überfahren wird, nachdem er Jon Essen geliefert hat. Als Verweis auf die miserablen Arbeitsbedingungen in dieser Branche taugt die Sequenz aufgrund ihrer Kürze und dem fehlenden Zusammenhang zum Rest der Handlung zumindest nicht. Immerhin wird die Bedeutung der extrem überdehnten Regen-Metapher, in jeder Außenszene gießt es in Strömen, zum Ende des Films plausibel, was nicht bedeutet, dass sie gelungen ist.
Die vielen Klischees und unpassenden Metaphern wären vielleicht gar nicht so schlimm, wenn es sich nicht um den Eröffnungsfilm der Berlinale und Stars des deutschen Kinos handeln würde, die mit Das Licht derart daneben greifen. So bleiben die Zuschauer*innen enttäuscht im Kino zurück.
Foto: Frederic Batier / X Verleih AG