Matt (Matt Johnson) und Mara (Deragh Campbell) sind beide Autoren und Freunde aus Studienzeiten. Ihre Wege kreuzen sich wieder, als sie an einer Universität in Kanada, vermutlich in Toronto, zufällig zu Arbeitskollegen werden. Die auf Gegenseitigkeit beruhende Anziehung ist auf Anhieb spür- und sichtbar. Da aber sowohl Matt, der genauso matt ist wie sein Name klingt, und Mara, die unglücklich verheiratet ist und sich das nicht eingestehen will, beide komplett selbstbezogen, humorlos und insgesamt hochgradig unsympathisch sind, hält sich das Mitfiebern mit der sich anbahnenden, langsam aufbauenden Affäre in Grenzen.

Zugegeben, die Zuschauerin hatte sich auf diesen Film gefreut. Endlich mal keine Gewalt, keine Pornographie, kein hoffnungslos verworrener Kunstfilm. Und ja, auch keine Politik. Ein Liebesfilm! Aber mal ernsthaft: Auch Liebende dürfen sich selbst reflektieren, ab und zu einen einzigen Schritt aus ihrer Bubble treten, minimal Gesellschaftskritik üben. Matt und Mara tun das leider überhaupt nicht.

Eine Frage, die sich schnell auftut: Ist das so gewollt? Ist dieser unsägliche Ernst, den die Figuren an den Tag legen und mit dem sie ihre blöden Dialoge führen, satirisch angehaucht? Die Szene, in der diese beiden farblosen Protagonisten aus dem Café geworfen werden, weil es schließt – „Try working for a living“, erwidert der Barkeeper auf Maras Gezeter („Me and my friend were actually having a serious conversation“) – spricht glücklicherweise dafür. Und auch Maras durchgängig affektierte Haltung, die Art, wie sie „schnippisch“ ihren Mund verzieht (was genau sagt sie überhaupt? Ihre Worte bleiben nicht in Erinnerung) sowie Matts pseudo-charmantes, offensichtlich komplexkaschierendes Gute-Laune-Wesen („Komm, Mara, wir lächeln jetzt jeden an, der uns auf der Straße begegnet und wünschen ihm einen guten Tag“) können doch unmöglich Sympathien wecken. Geschweige denn berühren.

Natürlich ist die schauspielerische Leistung hier gerade deswegen nennenswert. Und der Film beruht wohl auf jahrelang fein gesammelten Beobachtungen auf College-Campi. Dennoch hätte er doch nicht so (ungewollt?) deprimierend sein müssen. Warum, zum Beispiel, wird die Beziehung Maras zu ihrem Ehemann, einem Musiker, der (natürlich, wie hätte es auch anders sein sollen) nicht der (pseudo-)intellektuellen Literaturszene angehört, nicht tiefer gezeigt? Das einzige, was man direkt erfährt, ist: Sie fühlt sich von ihm unverstanden und wählt daher Hipster-Poet Matt. Wobei sie letzteren ja nicht einmal aktiv wählt, denn sie kann schließlich nicht kommunizieren, sondern nur gequält durch die Gegend starren. Was quält sie denn? Auch das wissen wir nicht. Matts Vater stirbt zwischendurch, aber zu seiner Figur fehlt uns auch jeglicher Bezug, weswegen auch diese Szene emotionslos wirkt.

Vielleicht hatte Regisseur Kazik Radwanski ja tatsächlich vor, schlicht und einfach einen Film über zwei nervenaufreibend elitäre Menschen zu drehen, die ihre Privilegien absolut nicht reflektieren. Vielleicht wollte er gar keine Nähe zwischen den Figuren schaffen. Vielleicht wollte er keine Geschichte über zwei junge Literaten erzählen, die etwas anderes weckt als Aggressionen (das wäre ja durchaus möglich). In dem Fall bleibt nur zu hoffen, dass er ein Meister der Fiktion ist und Matt und Mara (allein die Namen!) rein seiner Fantasie entspringen – alles andere wäre wirklich belastend.


Foto: © MDFF @Berlinale Stills