Mann und Frau sind gleichberechtigt. Alle Gesetze und Bestimmungen, die der Gleichberechtigung der Frau entgegenstehen, sind aufgehoben.“Mit diesen Worten wurde im Oktober 1949 die Gleichberechtigung von Mann und Frau in der DDR-Verfassung proklamiert. Gleichzeitig verdienten Frauen im Schnitt 30 Prozent weniger als Männer und waren in politischen wie wirtschaftlichen Führungsriegen stark unterrepräsentiert. 

Gleichberechtigung wurde unter der Regierung der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) mit der vollständigen Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt gleichgesetzt. Um das zu ermöglichen, wurden neben dem rechtlichen Rahmen flexible und kostenlose Möglichkeiten der Kinderbetreuung geschaffen. Das schien anfangs von Erfolg gekürt. Laut der Studie “25 Jahre Deutsche Einheit – Gleichstellung und Geschlechtergerechtigkeit in Ostdeutschland und Westdeutschland” des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend lag die Erwerbsquote von Frauen am Ende der 80er-Jahre bei 91,2 Prozent, während in der BRD lediglich 51 Prozent der Frauen erwerbstätig waren. Keine Emanzipation, sondern wirtschaftliche Notwendigkeit. Denn die DDR konnte sich als sozialistische Planwirtschaft durch die Einbußen des Krieges sowie die Abwanderung qualifizierter Arbeitskräfte gen Westen nicht leisten, dass die Hälfte der Bevölkerung sprichwörtlich zu Hause bleibt

Trotzdem stellte die Integration der Frau in die Arbeitswelt einen wesentlichen Schritt in der Emanzipation der Ost-Frau dar. Durch das eigene Einkommen sowie den Anspruch auf eine eigene Rente gewannen Frauen deutlich mehr Unabhängigkeit von ihren Ehegatten, die sich in der DDR nicht zuletzt in einer wesentlich höheren Scheidungsrate als in der BRD niederschlug. Meistens waren es Frauen, die die Scheidung einreichten. 

Gleichberechtigung bis zur Wohnungstür

Trotz der neu erlangten finanziellen Unabhängigkeit endete die Gleichberechtigung an der Haustür. Während Frauen vollständig in die Erwerbsarbeit einbezogen wurden, blieb eine paritätische Eingliederung der Männer in Haushaltstätigkeiten aus. So begann für viele Frauen nach dem Beenden der Erwerbsarbeit die berühmte „zweite Schicht“. Hierbei handelte es sich um Sorgearbeit, die unter anderem die Versorgung der Kinder, das Erledigen von Hausarbeiten sowie das Umsorgen pflegebedürftiger Angehöriger beinhaltete. Unter dem Deckmantel der Gleichberechtigung offenbarte sich eine Doppelbelastung und Ausbeutung der Frau.

In der BRD galt derweil bis 1957 der Gehorsamsparagraph, der besagte, dass Frauen zum Aufnehmen einer beruflichen Tätigkeit des Einverständnisses ihres Ehemannes bedürfen. Sollte es nach Ansicht des Ehemannes zur Vernachlässigung der häuslichen Pflichten kommen, konnte dieser das Arbeitsverhältnis seiner Frau kündigen. Hier zeigte sich das sexistische Rollenbild einer vom Ehemann abhängigen und bevormundeten Frau. Zugleich zollte die BRD der Haushaltsarbeit allerdings Anerkennung.  

Doch auch das gesellschaftliche Bild des Mannes erfuhr nicht die Wandlung, die nötig gewesen wäre, um von einer tatsächlichen Gleichberechtigung der Geschlechter zu sprechen. Während Frauen sich immer weiter von einem traditionellen Rollenbild, das sie auf die Tätigkeiten als Hausfrauen und Mütter beschränkte, entfernten, blieb das Bild des wirtschaftlich versorgenden, starken Mannes weiterhin bestehen.

Das Fördern stereotypisch weiblich konnotierter Attribute, wie Sensibilität und Herzlichkeit, sowie traditionell weiblich betrachteter Berufe bei Männern blieb aus.

Die Farce am Arbeitsmarkt

Auch auf dem Arbeitsmarkt verlief die Gleichberechtigung keineswegs perfekt. Während der bereits 1946 von der Sowjetischen Militäradministration festgelegte Grundsatz gleicher Lohn für gleiche Arbeit galt, verdienten Frauen bis zum Ende der 80er Jahre dennoch deutlich weniger. Im Durchschnitt waren es 30 Prozent weniger als die Gehälter Männer, so Anna Kaminsky, Geschäftsführerin der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur in ihrem Buch “Frauen in der DDR”. Das lag nicht zuletzt an der Geschlechtertrennung am Arbeitsmarkt. Frauen war es zwar formal möglich, in Landwirtschaft, Ingenieurwesen und Werkstätten zu arbeiten, in der Praxis zeigte sich dennoch eine hohe Konzentration in Berufssektoren, die traditionellerweise Frauen zugeschrieben wurden. Wie beispielsweise dem Einzelhandel, Lebensmittel- und Textilindustrie sowie dem Gesundheitswesen, die schlechter bezahlt wurden als die stereotypischen Männerdomänen, was die weibliche finanzielle Unabhängigkeit wiederum schmälerte. Darüber hinaus brachten Frauen häufig einen geringeren Bildungs- und Ausbildungsstand mit, wodurch Aufstiegschancen für sie meist begrenzt waren und der Zugang zu Führungspositionen häufig verwehrt blieb. Die DDR beendete diese Probleme nicht. Ihr Vermächtnis wirkt – im Guten wie im Schlechten – bis heute fort. Während in der Schweiz noch 1971 Frauen für das Wahlrecht kämpfen mussten, arbeiteten sie in der DDR bereits gleichberechtigt in der Fabrik. 


Illustration: Céline Bengi Bolkan