Frisch und antik, rund und eckig, von links und von rechts: Alles, was Halle zu bieten hat, kommt hier zusammen – scheinbar. Der Hallmarkt ist ein Abbild der Stadt.

Abseits des touristisch überlaufenen Marktplatzes von Halle reicht eine Treppe hinab: Umrahmt von repräsentativen Fassaden liegt am Fuß einer empor strebenden Kirche ein Ort in der Sonne: Eine chaotische Ordnung aus Ständen und Menschen, aus Fixpunkten und Bewegung, voller Leben und bunt. Fast könnte man meinen, die ganze Welt versammelt sich auf dem Hallmarkt.

Wir steigen die Treppe hinab, beobachten: Die Palette der Angebote ist so breit wie die der Menschen. Hier Schmuck aus eigener Anfertigung, dort Obst und Gemüse aus der Region, hier Blumen vom Feld, dort Ramsch aus dem Keller. Hier eine junge Studentin, die im Schatten einer Laterne auf dem Boden sitzt, ein Freund neben ihr. Dort ein kompakter Mann, der eine Kappe mit Marihuana-Print und ein zu enges hellblaues Tanktop trägt und seinen Hund führt. Hier ein junger, migrantisch gelesener Mann mit Sonnenbrille. Dort ein mittelalter Herr mit Vollbart. Jeder bildet ein Zentrum, zieht konzentrische Kreise.

Wir durchbrechen die Ordnung, sprechen sie an: Wir fragen, wie sich Halle nach dem Anschlag 2019 verändert hat. Der Mann mit Marihuana-Hut sieht im Attentäter von Halle einen „verrückten Einzelnen“, lässt uns vor seinem Abgang noch mehrfach wissen, dass er „gegen Linksextremismus“ ist. Der junge Mann aus Afghanistan erlebt strukturellen Rassismus als Pflege-Azubi täglich am Arbeitsplatz. Der Mann mit Vollbart findet, alle Rechten würden immer als „Nazis“ beschimpft und lädt uns ein, besser miteinander zu reden: Oben auf dem Marktplatz gäbe es noch heute eine Kundgebung. Die Studentin und der Student sprechen auch davon: „Jede Woche steht der ‚Stadtnazi‘ dort und schwingt seine Reden. Ein Teil der Menge bejubelt ihn, der Rest nimmt es hin.“

Man könnte meinen, auf dem Hallmarkt kommen die Menschen zusammen. Doch sie treten nur flüchtig oder nie in Kontakt. Sie bilden alle ihr eigenes Zentrum, ziehen konzentrische Kreise aneinander vorbei. Sie alle leben in einer eigenen Welt, ohne zu sehen, dass sie alle Teil der einen sind.
Auf dem Hallmarkt setzt sich aus Einzelnen (k)ein Bild zusammen: bunt und zerklüftet.
Darin reflektiert sich diese Stadt. Darin reflektiert sich dieses Land.


Illustration: Julia Steingraber