Das Bündnis „KeinRammstein_Berlin“ setzt sich dafür ein, die Konzerte der Band in Berlin abzusagen. Damit reagieren sie auf die bekanntgewordenen Vorwürfe gegen Till Lindemann – die dessen Anwälte vehement zurückweisen. Was die Aktivist*innen genau fordern, wie darauf reagiert wird und wie die Zukunft aussieht, erklärt Britt Baiano*, Pressesprecher*in des Bündnisses, der UnAuf.
UnAuf: Erstmal allgemein zu euch: Wer seid ihr und wie seid ihr zusammengesetzt?
Britt: Wir sind ein breites Aktionsbündnis. Viele bei uns studieren, aber einige arbeiten eben auch. Wir sind auch in unterschiedlichen Altersgruppen vertreten, also sehr breit aufgestellt. Alle haben sich zusammengefunden, kurz nachdem die ganzen Vorwürfe gegen Till Lindemann aufgekommen sind. Da haben Personen aus unserem Bündnis in verschiedenen Telegram-Gruppen den Aufruf gestartet: ‚Hey, wir möchten das nicht auf uns sitzen lassen, dass kommentarlos die Konzerte stattfinden, während dieser Verdacht im Raum steht‘. Potenziell Betroffene haben sich ja auch schon zu Wort gemeldet. Wir haben geplant, uns zu treffen, um zu schauen, wie wir uns gegen die Konzerte organisieren können. Beim ersten Plenum waren tatsächlich 40 Personen anwesend – die sind meist auch noch Teil des Bündnisses. Es ging alles sehr, sehr schnell.
Wir haben uns auch an einer Kundgebung beteiligt, von „Keine Bühne für Machtmissbrauch in der Musikbranche“. Von Campact wurde die Petition eingereicht, um die Konzerte abzusagen: auch da haben wir uns beteiligt.
Ordnet ihr euch einem spezifischen politischen Spektrum zu oder seid ihr politisch neutral?
Dadurch, dass wir ein Aktionsbündnis sind, kommen Menschen aus verschiedenen linken politischen Richtungen auf uns zu. Aber neutral ist immer sehr schwer zu sagen. Neutral sind wir nicht.
Ganz konkret, welche Aktionen habt ihr gemacht oder plant ihr noch?
Am Samstag steht eine Demonstration an, wir demonstrieren dann bis zum Olympiastadion. Dort werden auch die Konzerte stattfinden. Das auf jeden Fall den ganzen Tag, es sind Redebeiträge von anderen Gruppen und Netzwerken geplant. Wir werden auch Musik spielen und breiter auf die Thematik aufmerksam machen. Wir bleiben als Bündnis auch weiterhin bestehen, es wird sicher noch eine nächste Phase nach der Demonstration geben. Die Thematik wird ja nicht verschwinden, die Tour wird weitergehen, die Band wird weiter spielen, das wird ja jetzt nicht einfach aufhören.
Wie lauten eure konkreten Forderungen?
Unsere erste Forderung ist natürlich die Konzertabsage, sie richtet sich an die Stadt Berlin. Sie ist ja die 100-prozentige Eigentümerin des Olympiastadions. Dann fordern wir die Entschädigung der Betroffenen. Sollte es sich herausstellen, dass die Verdachtsfälle wahr sind, darf die Berliner Regierung keinen Täterschutz betreiben, sondern muss sich ganz klar positionieren. Wir fordern auch, und das ist sehr wichtig, eine ausführliche und kritische Aufarbeitung.
Was heißt das genau?
Für uns bedeutet das, dass größere Kulturinstitutionen Missbrauch aufarbeiten, der in den eigenen Reihen stattgefunden hat. Dass es beispielsweise – so stellen wir uns das vor – Meldestellen gibt, explizit für solche Vorfälle in der Kulturbranche. Das muss dann auch wirklich aufgearbeitet werden, mit Expert*innen. Dieser Fall ist, sollte er sich bewahrheiten, nicht der erste Fall, so etwas passiert ja systematisch. Solche Verdachtsfälle gibt es ja auch anderswo, zum Beispiel im Theaterbetrieb. Darüber hinaus wollen wir auch, dass finanzieller Support für Betroffene da ist, die dann zum Beispiel Klagen bekommen. Oft werden Betroffene auch repressiv behandelt, für ihre Hilfe sollte es Gelder geben. Nicht nur Stiftungen, die ohnehin schon sehr viel Geld da reinstecken.
Was für Resonanz habt ihr bisher bekommen?
Bei unserem Instagram Account kamen sofort sehr viele misogyne, gewaltvolle, menschenverachtende Kommentare uns gegenüber, also auch gegen uns gerichtet. Unter anderem wurde uns sexueller Missbrauch angedroht. Das begleitet uns seit Tag Eins auf Social Media, auch wird uns vorgeworfen, wir wären Verteidiger der Cancel Culture oder Woke Warriors. Es gab auch sehr viele Gewaltandrohungen und Versuche, uns niederzumachen. Außerdem ganz klar diskriminierende Aussagen. Das hat jetzt auch nicht abgenommen.
Aber es gab auch viel Support von anderen Bündnissen, nicht nur von feministischen Gruppen, sondern auch von sehr vielen anderen linken Netzwerken. Zuspruch erhielten wir von vielen anderen Netzwerken, Initiativen Vereinen und auch Einzelpersonen. Viel Unterstützung kam auch aus anderen Städten, die sich gegen die Konzerte zusammengetan haben – München zum Beispiel.
Es gibt ja Kritik, die an Forderungen von Bündnissen wie euch geäußert wird, dass das etwas radikal ist, da ja kein rechtskräftiges Urteil vorliegt. Wie reagiert ihr darauf?
Natürlich, diese Kritik gibt es. Es gibt ja auch die Unschuldsvermutung, das ist natürlich total legitim. Andererseits sind wir auch keine juristische Instanz, es ist nicht unsere Aufgabe, das zu beurteilen. Wir schauen aus einer machtkritischen und feministischen Perspektive darauf, und solange nicht sichergestellt werden kann, dass die Konzerte und vor allem die Aftershow-Partys für junge Frauen sicher sind, sehen wir das für uns als selbstverständlich an, dass wir da protestieren. Und was die Unschuldsvermutung angeht: Am Fall Lindemann zeigt sich nochmal, wie schwer die juristische Lage für Betroffene, die mutmaßlich mit K.O.-Tropfen betäubt und so sexualisierte Gewalt erlebt haben sollen, weiterhin ist.
Wie schätzt ihr eure Erfolgschancen ein?
Dadurch, dass das Konzert jetzt am Samstag stattfand, ist die Wahrscheinlichkeit sehr gering, dass Konzerte abgesagt werden. Wir sehen uns auch eher als Sprachrohr. Unser Bündnis wird auf Social Media sehr verfolgt, damit können wir dann auch Reichweite und Sensibilität für das Thema schaffen. Wir werden nicht aufhören, den Verdachtsfall von Till Lindemann weiter zu thematisieren.
Foto: Nabieha Ebedat