Als die Kamera in den Rhein eintaucht, von Wassernixen umspielt und ein riesiger Klumpen Gold am Boden des Flusses zu erkennen ist, endet der Film „Rheingold” von Regisseur Fatih Akin. Was hier nur noch märchenhaft an Wagners Nibelungen erinnert, hat für die Handlung jedoch eine zentrale Rolle. Das vom Rapper Xatar gestohlene Gold im Jahr 2009 gilt bis heute als verschollen. Es scheinen nur technische Spielereien zu sein, die Titel und Ende vorgeben. Oder vielleicht auch nicht. 

Richard Wagners Nibelungen spielen schon früh in der Biografie von Xatar, geboren als Giwar Hajabi, eine wichtige Rolle. Sein Vater Eghbal Hajabi, ausgebildeter Operkomponist, nimmt ihn als Kleinkind mit zu dieser Oper. Ein Soundtrack, der dem Film sein Motiv gibt – jedoch Giwar nicht zu einer klassischen Musikausbildung inspiriert. Seine Eltern, die vor dem Krieg in Iran geflüchtet sind, bemühen sich sehr um die musikalische Erziehung ihres Sohnes, der jedoch früh mit Drogenhandel und Gewalt in Kontakt kommt. Fatih Akin verwendet viele Minuten des Films auf die Darstellung des fürsorglichen Aufwachsens des Jungen. Mit dem Umzug nach Bonn endet schließlich die Beziehung der Eltern. Giwar gerät in Schwierigkeiten, lernt seine Umgebung kennen und auch lieben. Das tägliche Boxtraining dient der Selbstverteidigung im Viertel, er erhält den Namen Xatar, was so viel wie ‘gefährlich’ bedeutet.

Außer Kontrolle

Es ist auch eine Milieustudie, die Akin so präsentiert, aber eben keine, die Stereotypen verfällt. Gekonnt vollzieht der Film einen Wechsel des Hauptdarstellers, von Ilyes Raoul zu Emilio Sakraya. Beide geben zu erkennen, wie vielschichtig ihre Figur gezeichnet ist und welche Ziele sie verfolgt. Das Rheingold gerät dabei erstmal außer Acht.

Xatar möchte Erfolg haben – um jeden Preis. Er will gefallen und so spinnt Akin auch das Netz einer Liebesgeschichte in die Geschichte ein. Später gerät Xatar in einen Kokainhandel, der außer Kontrolle gerät und den jungen Mann in tiefe Schulden und Lebensgefahr befördert. Der Überfall auf einen Geldtransporter verspricht die große Erlösung. Nicht ohne Humor inszeniert Akin die Gruppe junger Männer um Xatar teils dilettantisch, teils professionell während der Planung und Durchführung ihres großen Vorhabens. Ihre Vergangenheit, Schikanen durch die Polizei und Gewalttätigkeit werden zu einer Kraft umfunktioniert, die die Fehler und Missstände polizeilicher Arbeit anprangert. Akin gelingt es, die gesellschaftlichen Auswirkungen seines Gegenstandes mitzudenken – ohne moralischen Überdruß. Wie schon in seinem bewegenden Drama Aus dem Nichts im Jahr 2017 erzeugt Akin emotional motivierte Stimmungsbilder, in die sich seine Hauptfiguren einfinden können.  

Wo ist das Gold?

Xatar erhält für seinen Goldraub schließlich vor dem Bundesgerichtshof eine Gefängnisstrafe von sieben Jahren. Weder während der Folter im Irak noch mit der Aussicht auf eine Strafmilderung von der deutschen Justiz, gibt er den Standort des Goldes preis. Ob es sich noch in seinem Besitz befindet, ist bis heute ungeklärt. Fatih Akin und Emilio Sakraya, die beide fast ein halbes Jahr vor den Dreharbeiten mit dem Rapper verbrachten, haben ihn selbst nie gefragt, wie sie in der Late Night Show von Klaas Heufer-Umlauf erzählen. Ich glaube, das ist der Grund, warum wir heute noch befreundet sind”, so Sakraya. 

Akins Film ist nicht nur filmische Biografie eines Rappers, der sein erstes Musikalbum unter der Decke seines Gefängnisbettes aufnahm, sondern auch die spannende Inszenierung eines der größten ungeklärten Raubüberfälle Deutschlands. Was darüber hinaus Spielereien des Regisseurs und Selbstinszenierung des Rappers sind, bleibt ungeklärt. Fakt ist, dass zur Überprüfung der Anspielungen Akins ein Tauchgang in den Rhein notwendig wäre.


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