„Avatar 2: The Way of Water” ist technisch herausragend und das 3D ist wunderschön. Schade nur, dass Story und Charaktere im Gegensatz dazu nur eindimensional gezeichnet sind. Der Film gleicht so einer BBC-Dokumentation von Pandora mit fragwürdiger Ideologie.

Ich würde eigentlich an dieser Stelle eine Spoiler-Warnung aussprechen. Aber das ist keine Warnung, denn hier werden zwar Spoiler kommen, diese ersparen euch aber dreieinhalb Stunden Lebenszeit, welche sich ohnehin wie sechs anfühlen würden. Die Originalität des Films reduziert sich auf eine beeindruckende Natur-Doku von Pandora und seinen Lebewesen. Falls jemand daran Interesse hat, braucht man sich so aber nicht unnötig von der Story ablenken zu lassen. Nach dreizehn Jahren Warten, einem Budget von mindestens einer Viertelmilliarde Dollar und optisch dem Besten, was technisch möglich ist, hatte ich zumindest auf eine mittelmäßige Story gehofft.

Ohne Überraschungen und Emotionen

Doch der Vorteil einer so eindimensionalen Handlung ist, dass sie sich umso besser zusammenfassen lässt. Zu Beginn ist alles wunderschön und friedlich, doch Überraschung: die Menschen kommen wieder. Und da auch Filmstudios heutzutage umweltbewusst sind, recycled man einfach den alten Bösewicht und lässt ihn wieder zum Leben erwecken statt sich einen neuen auszudenken. Natürlich wird auch hier wieder simuliert, die Gut-Böse Dichotomie zu überwinden, indem dem Super-Schurken am Ende auch Gefühle zugestanden werden. So müssen wir uns keinen komplexeren Fragen stellen. Jede emotionale Spannung wird darauf reduziert, dass wir uns in den ersten zwei Stunden in die magische Natur verlieben sollen. Darauf folgt eine Stunde, in der unsere Wut geschürt wird. Wir sehen, wie die Menschen die Natur von Pandora zerstören, nur, damit wir uns dann am Ende daran ergötzen können, wie die Na´vi Vergeltung üben. 

Ohne Untertitel wäre es eine passable Doku

Das alles wäre erträglicher, wenn es sich wirklich nur um eine Dokumentation handeln würde, doch dafür werden wir viel zu sehr von Charakteren, insbesondere Jakes Kindern, abgelenkt, denen wirklich jegliche Tiefe fehlt. Das in der Kombination mit einem „Bro“ in jedem Satz zwischen den Brüdern, vermittelt das Gefühl der Film wurde für Dreizehnjährige gedreht. Hier wäre es definitiv die stimmigere Wahl gewesen, die Na´vi einfach den Film lang ihre eigene Sprache sprechen zu lassen, um zumindest eine Doku-ähnliche Distanz zu gewähren, die uns das Gesehene ernst nehmen lässt. Da im ganzen Film nichts Wesentliches gesagt wird, bräuchte es dafür noch nicht einmal Untertitel.

In der Mikrowelle erwärmt

Die fehlende Originalität wird besonders deutlich, wenn wir den Film mit dem ersten Teil vergleichen. Jake muss sich im ersten Teil bei den Na´vi integrieren, im zweiten auch, nur bei einem anderen Volk. Die Romeo und Juliet Lovestory des ersten Teiles zwischen Jake und Neytiri, Tochter des Stammesführers, wird im zweiten Teil von der jüngeren Generation, Jakes Sohn und  der Tochter des Stammesführers vom Wasservolk, fortgesetzt. Der erste Teil zeigt uns die neue Tier und Pflanzenwelt des Waldvolkes, der zweite die des Wasservolkes. Hier bekommt der gleiche Inhalt eine neue Verpackung, so gibt es natürlich wieder Flugsaurier, nur diesmal können sie auch schwimmen. Jake sucht sich wieder ein besonders schwieriges Exemplar und schafft es dieses zu bändigen. Nicht nur der Bösewicht ist der gleiche geblieben, auch die Integration in die Na´vi Körper, welche Jake im ersten Teil vorgenommen hat, wird jetzt von den Bösen nachgegangen.

Es gibt so viele Parallelen, dass wir es kaum auf mangelnde Kreativität zurückführen können, sondern sich vielmehr der Verdacht erhärten muss, dass es gerade darum ging, den ersten Teil neu zu verfilmen. Denn eines ist sicher: den ersten Teil mochten die Menschen und so werden sie ihn 13 Jahre später hoffentlich genauso mögen.

Pazifismus ist Schwäche

Doch als ob das alles nicht reichen würde, versucht der Film dann doch noch Tiefe herzustellen anhand einer Pseudo-Spiritualität. Diese lässt sich darauf reduzieren, dass wir aus der Natur unser Leben beziehen und Kinder zu unkompliziertem Familienglück führen. Doch heißt das, der Film hat gar keine Message?

Doch, und gerade das ist ja das Problem. Denn dem Film ohne Tiefe lastet durchaus eine problematische Ideologie an. Wenn wir eines lernen können, dann, dass wir die Vaterrolle darauf reduzieren dürfen die eigene Familie zu beschützen, wie es gebetsmühlenartig von Jake wiederholt wird. Darüber hinaus wird vermittelt, dass Pazifismus und Flucht keine Lösung sind, sondern wir unseren Feind vernichten müssen. Denn am Ende ist der ausgestoßene Wal, der bereit ist, seinen Pazifismus zu überwinden, der Held des Films und so wird der amerikanische Traum von Vätern, die mit der Schrotflinte auf der Veranda hocken, perfekt bedient. 

Jede Frage danach, warum die den Menschen geistig überlegenen Wale, pazifistisch sind, bleibt unbeantwortet und so wird der Pazifismus romantisiert verklärt. Er ist etwas für edle Wesen auf einem anderen Planeten, aber Menschen, die mit realer Gewalt konfrontiert sind, können sich diese Naivität nicht leisten. So begehen wir auch metaphorisch mit Jake eine Reise, vom Anfang, als er glaubt, fliehen zu können, zum Ende, wenn er final gelernt hat: Flucht ist keine Option, nur der Kampf kann seine Familie schützen.

Laster der Kulturindustrie

Doch die eigentliche Ironie des Films bleibt, dass genau diese Menschen hier einmal mit den Na`vi sympathisieren und sich in die Spiritualität der Naturverbundenheit einfühlen dürfen, deren Leben doch so entfremdet von eben jener Natur sind und die in der Realität, Natur, Tiere und Indigene für ihre Ressourcen ausbeuten. „Avatar 2″ ist ein Film der niemandem auf die Füße treten und einfach nur „watchable” sein will. Er ist das beste Beispiel für Adorno und Horkheimers Begriff der Kulturindustrie, die in der Kunst im Sinne der Massentauglichkeit jeden Anspruch und jede Ästhetik überwindet. Auf der einen Seite hätte ich von einem Film mit so hohem Budget mehr erwartet. Auf der anderen Seite kann ein solcher Film sich nicht die geringste Originalität, nicht das geringste Risiko seine Zuschauer*innen mit etwas Neuem zu konfrontieren, leisten, weil er das Investment wieder einspielen muss und so haben wir es mehr mit einem systemischen Problem als nur mit einem schlechten Film zu tun.


Foto: Copyright Walt Disney Company