Vom 26. bis 29. Mai 2023 trafen sich mehrere Klimagerechtigkeitsbewegungen auf Rügen, um ein Protestcamp gegen den Bau neuer Gasterminals in Deutschland zu organisieren. Diese Veranstaltung ist das Ergebnis eines Zusammenschlusses verschiedener Klimabewegungen: „Lützi Bleibt” und „Ende Gelände” sowie von Bürgerinitiativen und Einzelpersonen.

Seit dem Beginn des Krieges in der Ukraine steht Deutschland vor der Frage, wie  die russischen Gasimporte ersetzt werden können. Im Jahr 2021 deckte Gas 27% des deutschen Energieverbrauchs, und mehr als die Hälfte dieses Gases kam aus Russland. Die Energieversorgung in Deutschland war dadurch gefährdet, was die Regierung zu überstürzten Entscheidungen veranlasste: Es wurde ein riesiges Programm zur Entwicklung von Flüssigerdgas – oder Liquified Natural Gas (LNG) – entwickelt, das bis dahin aufgrund seiner hohen Kosten vernachlässigt worden war. Dieses Gas besteht aus Methan und wird meist durch Fracking aus dem Boden gewonnen. Anschließend, um es transportfähig zu machen, wird es verflüssigt, bevor es wieder zu Gas umgewandelt wird. Der gesamte Prozess der Gasförderung, des Transports und der Verarbeitung erzeugt eine große Menge an Treibhausgasemissionen.

Auf Initiative des Wirtschafts- und Klimaministers Robert Habeck (Die Grünen) wurde beschlossen, dass 12 Gasterminals gebaut werden sollen, um verflüssigtes Erdgas, das hauptsächlich aus den USA, Norwegen und Katar stammt, zu importieren. Das Problem besteht darin, dass nur drei dieser LNG-Terminals ausreichen würden, um das russische Gas zu ersetzen, wie der Sprecher von Fridays for Future in einer Rede während der Demonstration erläuterte. Von zusätzlichen Kapazitäten könnten Industriezweige wie die Düngemittelfabrik (Yara) und die Kunststoffindustrie profitieren, die beide die Umwelt stark belasten, sowie private Investoren, die hinter dem Projekt stehen. Es ist nämlich das Privatunternehmen Deutsche ReGas, das von Stephan Knabe und Ingo Wagner (zwei private Betreiber) geleitet wird, das den Betrieb des Terminals übernehmen soll. Es handelt sich um dasselbe Unternehmen, das bereits den Terminal in Lubmin betreut. 

Diese Terminals können bis 2043 betrieben werden, ohne Berücksichtigung möglicher Verlängerungen aufgrund der geschaffenen Abhängigkeit. Konkret handelt es sich bei diesen LNG-Terminals um große Schiffe, die in der Lage sind, das von anderen Schiffen in flüssiger Form angelieferte Gas aufzunehmen und wieder umzuwandeln. Vier dieser Terminals sind derzeit in Deutschland in Betrieb (in Wilhelmshaven, Brunsbüttel, Lubmin und Swinemünde) und acht befinden sich noch im Bau, darunter auch das Terminal auf Rügen.

Undemokratische LNG-Terminals

Abgesehen davon, dass der Bau dieser LNG-Terminals eine extrem klima- und umweltschädliche Methode ist, stellen sie auch eine große Gefahr im Lebensraum Ostsee und Unterwasserbiotopen dar. Zur Weiterführung des Gases muss eine 50 km lange Pipeline nach Lubmin durch den Greifswalder Bodden und mehrere Vogelschutzgebiete geführt werden. So prangert die Sprecherin von Ende Gelände an, dass Gas ein regelrechter Klimakiller sei, da der gesamte Lebenszyklus von Gas ähnlich klimaschädlich wie Kohle ist. Deswegen sei es in Anbetracht der Klimakatastrophe ein Klimaverbrechen, was die Bundesregierung hier gerade vor hat.

Ohne das Beschleunigungsgesetz, das am 21. Mai 2022 von Bundestag und Bundesrat verabschiedet wurde, wäre es der deutschen Regierung unmöglich gewesen, so schnell mit dem Bau zu beginnen. Es handelt sich dabei um ein Sondergesetz, das den Behörden ermöglicht, LNG-Projekte ohne die üblichen Genehmigungsverfahren zu beschleunigen, auch ohne sie mehrjährigen Umweltverträglichkeitsprüfungen zu unterziehen. Der gesamte Prozess, der zu dieser Entscheidung führte, wurde von zahlreichen Bürgerinitiativen und Klimagruppen als undemokratisch angeprangert.

 

Der Ansicht von Ende Gelände nach halte die Bundesregierung nicht die Klimaschutzziele ein, die durch das Beschleunigungsgesetz unerreichbar gemacht würden. Die Sprecherin der Klimagruppe macht ihre Forderungen sehr deutlich: Man merkt Klimaschutz ist Handarbeit und muss von Klimagerechtigkeitsbewegungen vorangetrieben werden. Wir fordern auch, dass unsere Energieversorgung in gesellschaftlicher Hand sein muss. Die Energieversorgung soll nicht staatlich gelenkt sein, sondern in der Hand der Bürger*innen liegen.” 

 

Gas mit neo-kolonialem  Anstrich

 

Sich gegen den Bau dieser LNG-Terminals zu stellen, bedeutet auch, sich gegen die kolonialen Kontinuitäten zu stellen, die dieses Projekt mit sich bringt. Erstens hinterlässt die die Fracking-Methode verwüstete, unbrauchbare Böden und bedroht die Lebensbedingungen der Bevölkerung – zum Beispiel in den USA. Aber ganz generell kommt das von Deutschland importierte Gas auch teilweise aus Katar oder Namibia, wo der Abbau dieses Gases sehr oft oder eigentlich immer mit der Zerstörung von Natur vor Ort oder mit der Vertreibung oder Ausbeutung von Menschen verbunden ist.”, erklärt die Sprecherin von Ende Gelände. 

                                                           

Eine gemeinsame Arbeit gegen LNG

 

Die Insel Rügen in der Ostsee in Mecklenburg-Vorpommern ist heute durch den laufenden Bau eines LNG-Terminals bedroht. Dieses Projekt hat in diesem Jahr nicht nur die Mobilisierung der Inselbewohner, sondern auch von Klimaaktivist*innen ausgelöst, die ein Protestcamp auf dem Gelände des Vereins Lebensgut Frankenthal, einem wichtigen Ort für das kulturelle und bürgerschaftliche Leben der Insel, organisierten.

 

Es ist ein Vernetzungscamp hier gerade und es geht auch darum sich sowohl mit den anderen Klimagerechtigkeitsbewegungen als auch mit den Leuten, die hier vor Ort sind, zu vernetzen”. Das Camp wurde von verschiedenen Leuten organisiert; ein paar Leuten von Ende Gelände, Lützerath, aber auch von Leuten, die unterwegs sind und die immer wieder bei verschiedenen Aktionen dabei sind. Die Sprecherin erklärt, dass es darum geht, sich mit den anderen zu vernetzen, zu gucken, was gute Möglichkeiten des Protests sind und wie der Ausbau der LNG-Terminals auch über den Sommer hinaus verhindert werden kann. Das Ende der vier Tage im Camp bedeutet also nicht das Ende des Widerstands gegen die LNG-Terminals. Auf Rügen finden gerade täglich Aktionen statt, und vielleicht werden im Laufe des Sommers noch weitere Veranstaltungen wie diese organisiert.

 


Illustration: Luzie Fuhrmann