Endlich soll die Namensänderunge für TIN (trans, inter und nichtbinäre) Student*innen an der HU möglich sein. Aber diese Veränderung ist nur oberflächlich, erzählt Lola von der Transberatung im Interview. Diskriminierung gehört für TIN Student*innen weiterhin zum Unialltag.

UnAuf: Die Transberatung befasst sich mit den Anliegen und Problemen von trans, inter und nichtbinären Student*innen. Wie lange gibt es die Beratungsstelle an der HU schon?

Lola: Seit ungefähr zwei Jahren, ich habe also inmitten der Corona-Zeit mit der Peer-Beratung angefangen. Die meisten Sprechzeiten waren per Videocall, E-Mail oder Telefon und jetzt habe ich wieder angefangen, Spaziergänge zu machen. Wir werden jetzt auch bald die Beratungsräume in der Ziegelstraße im Hedwig-Dohm-Haus öffnen. Aber bei dem Wetter bieten sich die Präsenzberatungen beim Spazieren gehen gut an.

Trans, inter und nichtbinäre Student*innen, die ihren Namen aus verschiedenen Gründen amtlich nicht haben ändern lassen, können seit Anfang April theoretisch ihren gewählten Namen in den, für Verwaltungsangelegenheiten gedachten internen Portalen und Systemen der Uni führen. Wie sah die Lage bisher aus?

Das Hauptproblem war immer die von Agnes generierte Teilnehmer*innenliste, weil viele Dozierende in der ersten Sitzung eines Seminars einfach die Vor- und Nachnamen vorlesen. Transstudis haben einfach riesige Angst vor diesen ersten Sitzungen, weil sie regelmäßig gedeadnamed werden, also mit ihrem alten Namen angesprochen werden, und damit vor einer Gruppe von 25 Leuten misgendert werden. Das ist der Horror.
Was dann passiert, ist, dass die Student*innen am Anfang jedes Semesters jede*n einzelnen Dozierende*n anschreiben, sich als trans outen müssen und darum bitten, dass der Name, der auf der Liste steht, nicht vorgelesen wird.

Hat sich daran durch die interne Namensänderung etwas verändert?

Leider habe ich jetzt richtig schlechte Nachrichten. Trotz der Namensänderung, die im internen System hätte kommen sollen beziehungsweise gekommen ist, hat das innerhalb von Agnes anscheinend nichts verändert. Agnes ist nämlich auch für die Prüfungszuweisung zuständig und Prüfungen müssen nach wie vor mit dem amtlichen Namen abgehandelt werden. Ich saß mit in der Sitzung der AG Diversität an der HU und es wurde dort viel darüber diskutiert. Auch die Verantwortlichen waren regelmäßig anwesend und haben darüber gesprochen, wie das umgesetzt werden kann, was möglich ist und was nicht. Der Leiter der Rechtsabteilung Thomas Eschke hat mehrfach betont, dass eine vollständige Namensänderung rechtlich nicht möglich sei – er könne ja auch nicht mitten auf der Friedrichstraße behaupten, er heiße jetzt Peter. Solche Aussagen mussten wir uns anhören. Und das ist der Leiter der Rechtsabteilung, an dessen Empfehlung sich das damalige Präsidium unter Sabine Kunst gehalten hat.

An der Technischen Universität (TU) und auch an der Alice Salomon Hochschule (ASH) ist eine vollständige Namensänderung möglich, warum nicht an der HU?

Ich denke, die HU unter Kunst wollte nicht in rechtliche Schwierigkeiten kommen. Die TU hat es ja einfach durchgesetzt. Die HU aber hat auf den bereits erwähnten Herrn Eschke und auch auf den Staatssekretär für Bildung und Wissenschaft im Senat gehört. Ein Angestellter von denen im Senat hätte gesagt, dass dieser die rechtlichen Gegebenheiten, um die ganzheitliche Namensänderung umzusetzen nicht sehen würde, obwohl andere Hochschulen genau diesen Weg gegangen sind.

Die TU sowie die ASH haben eine politische Entscheidung getroffen. Sie haben die vollständige Namensänderung einfach durchgebracht und waren bereit dieses Anliegen, diese Rechte zu verteidigen, egal welche Schwierigkeiten kommen würden. An der HU ist das Präsidium einer konservativen Rechtsauslegung gefolgt und hat sich davon ausgehend gegen die potenziell einhergehenden rechtlichen Schwierigkeiten entschieden.

Es ist also ein Problem der HU, beziehungsweise eine bewusste Entscheidung der HU gewesen, Transrechte nicht zu priorisieren, ja gegen die Diskriminierung von trans Student*innen nichts zu machen?

Es ist ein HU Problem! Dieses Problem könnte schon lange gelöst sein und jetzt haben wir eben diese Sache, dass trotz einer angedachten internen Namensänderung – wegen dieser Prüfungsanmeldung auf Agnes – sich für trans Student*innen nichts geändert hat. Viele Student*innen sind in den letzten Tagen mit diesem Problem zu mir gekommen. Auch die Kontaktaufnahme mit dem Agnes Team hat bestätigt, dass deren Abhängigkeit von den Daten der Prüfungsanmeldungen diese interne Namensänderung unmöglich macht. In den ersten Sitzungen werden also weiterhin Student*innen gedeadnamed und misgendert. Im Endeffekt hat sich nur Moodle und Zoom geändert und das konnte bereits jede*r eigenständig in den Einstellungen ändern. Was ich also seit nur ein paar Tagen definitiv weiß, ist, dass sich für trans Student*innen nichts geändert hat.

Wie kann – bis dieser Zustand sich verbessert – innerhalb von Kursen das „Deadnaming“ oder „Misgendern“ verhindert werden?

Wenn ich ehrlich bin, wird sich jetzt auch in absehbarer Zeit nicht viel daran ändern. Wenn Student*innen aber sagen, dass sie selbst was Konkretes in den Kursen machen wollen, dann glaube ich, ergibt es extrem Sinn, auch als nicht trans Student*in am Anfang von Seminaren Dozierende darauf hinzuweisen oder sie zu bitten, die Vornamen der Kurslisten nicht vorzulesen, sondern nur die Nachnamen, ohne geschlechtliche Zuweisung durch Anreden wie „Frau“ oder „Herr“. Aber prinzipiell ist das die Verantwortung der Uni-Leitung, weil es nicht sein kann, dass Student*innen dafür die Verantwortung übernehmen müssen.

Für die interne Namensänderung, die eigentlich funktionieren sollte, wurden im letzten halben Jahr zwei Stellen in der Studienabteilung geschaffen; der Prozess hat sich über Jahre gezogen und es wurde ein Haufen Geld dafür ausgegeben. Vor dem Hintergrund, dass eine vollständige Namensänderung von der Verwaltung der Datenbank her viel weniger Aufwand bedeuten würde, ist das ein Skandal. Es hat sich nichts geändert und ich frage mich wirklich wie es sein kann, dass niemand seinen Job dafür verliert, oder niemand zurückgetreten ist?

Das ist alles unter dem Präsidium von Sabine Kunst passiert. Steht möglicherweise jetzt durch die Neubesetzung des Präsidiums durch Julia von Blumenthal eine weitere, oder endlich überhaupt eine Entwicklung im Raum?

Ich habe schon Hoffnung, dass Frau von Blumenthal da neuen Wind reinbringen könnte. Ich glaube nicht, dass sie sich Stand jetzt dazu geäußert hat. Aus meiner Zeit damals aus dem Institut für Sozialwissenschaften – damals saß ich noch im Institutsrat – habe ich sie als relativ progressiven Part wahrnehmen können. Ich glaube, mit ihr kann man reden. Wie sich das dann konkret äußert, ist nochmal eine andere Frage.

Der neue Vizepräsident für Lehre und Studium, Niels Pinkwart, hat jetzt einen Brief an den Senat geschrieben. Es gibt auch einige Personen in der Hochschulleitung, die behaupten, dass der Senat im Grunde nur das Go geben muss, also sagen muss, dass es rechtlich in Ordnung ist und dann könne das auch umgesetzt werden.

Trans, inter oder nichtbinäre Student*innen werden an der HU also weiterhin diskriminiert. Wie sieht es mit dem Thema der All-gender, bzw. geschlechtsneutralen Toiletten aus?

Daran hat sich ebenfalls nichts geändert und das liegt natürlich auch daran, dass wir so lange keine Präsenz-Uni hatten. Klar fehlte da der Druck, den die Student*innen sonst alltäglich am Campus ausübten. Die letzten zwei Jahre wurden einfach nicht genutzt, um in der Hinsicht einen Schritt in die gute Richtung zu machen. Vor einem Jahr kam aus dem akademischen Senat der Entschluss, dass das angegangen werden soll, aber insgesamt nehme ich wahr, dass das alles verschleppt beziehungsweise verzögert wird.

Fehlt es an der HU also schlicht an echtem politischem Willen, sich für die Rechte von trans, inter und nichtbinären Student*innen einzusetzen?

Was ich generell, auch durch die Auseinandersetzung mit der internen Namensänderung gelernt habe, ist, dass die komplette Universität völlig kafkaesk verwaltet wird: Da wird sich eigentlich nur im Kreis gedreht. Es ist ein bürokratisches Moloch und ich verstehe nicht, wieso niemand an dieser Universität Verantwortung übernimmt. Es ist absurd. Es fehlt der HU klar an politischem Willen, wirklich etwas verändern zu wollen und das Leben an der Uni für trans Student*innen gerechter zu gestalten. Irgendwas ist hier eingerostet.


Dieser Text ist in der UnAufgefordert #260 zum Thema „Aktenzeichen HU“ im Juni 2022 erschienen.

Illustration: Klara Heller