Drei Monate war Nune in einer finanziellen Notlage. Eigentlich hatte sie eine Zusage für eine studentische Stelle an der Humboldt-Universität. Doch der Einstellungsprozess an der HU ist kompliziert. Nach langem Hin-und-Her zwischen studentischem Personalrat und Personalverwaltung der Universität konnte Nune dann doch anfangen zu arbeiten.

Nune ist Nicht-EU-Studentin an der Humboldt-Universität. Obwohl sie ein Stipendium des Deutschen Akademischen Austausch Dienstes erhält, reicht dieses nicht für ihr Leben in Berlin. Sie ist darauf angewiesen, neben dem Studium zu arbeiten. Ende letzten Jahres bewarb sie sich auf eine Stelle im International Office der Literatur- und Sprachwissenschaftlichen Fakultät. Zwei Tage nach dem Bewerbungsgespräch bekam sie eine Zusage für den Job. Laut Ausschreibung sollte sie Mitte Dezember eingestellt werden. Sie kündigte ihren alten Job und freute sich über die Zusage. Aber es kam anders: Sie musste drei Monate auf ihre Einstellung warten. Drei Monate, in denen sie nichts verdienen konnte.

Langwieriger Einstellungsprozess

Hinter der Einstellung von studentischen Beschäftigten an der Universität steckt ein langer bürokratischer Prozess. Ausschreibungen und Einstellungsanträge müssen von vielen Seiten geprüft werden, wie zum Beispiel vom studentischen Personalrat (PRStudB). Dieser wird von allen studentischen Beschäftigten gewählt. Die Mitglieder sind für ein Jahr an der Universität angestellt, werden für ihre Arbeit bezahlt. Der PRStudB sieht sich als Interessenvertretung aller studentischen Beschäftigten. Auf ihrer Internetseite steht: „Wir sind euer Ansprechpartner bei allen Fragen und Problemen rund um den studentischen Arbeitsplatz und wir setzen uns dafür ein, dass die Finanzierung des Studiums durch eine Tätigkeit an der Universität zu angemessenen Arbeitsbedingungen möglich ist.“

Nunes zukünftige Chefin teilte der Studentin noch im Dezember mit, dass sich ihre Einstellung verzögern würde, da der PRStudB diese noch prüfe. Die Entscheidung fiel dann kurz darauf: Der studentische Personalrat verweigerte Nunes Einstellung. Weder ihre zukünftige Vorgesetzte noch die Studentin konnten sich erklären, woran das lag, wie Nune erzählt. Erst Mitte Januar habe sie erfahren, dass es ein Problem mit dem Lohn, mit dem die Stelle ausgeschrieben war, gäbe. Im Einstellungsvertrag wäre eine Bezahlung nach TVStud, dem studentischen Tarifvertrag, vorgesehen. Nune macht es noch heute wütend, dass sie nicht in den Entscheidungsprozess mit einbezogen wurde: „Mich hat nie jemand gefragt, ob ich den Lohn ange­messen finde oder ni­cht. Denn ich wusste ja auch gar nicht, dass man mehr verdie­nen könnte als Stude­nt. In der Ausschreibung war genau zu lesen, was ich verdienen würde. Es war also meine Entscheidung, mich für diesen Job zu bewerben.“

Nicht jedes Veto des PRStudB zählt

Der studentische Personalrat setze sich dafür ein, dass studentische Beschäftigte nach dem richtigen Tarifvertrag bezahlt werden, erzählt Noe vom PRStudB. Das sei unter anderem davon abhängig, was das Tätigkeitsfeld der Studierenden im Einzelfall sei. Verwaltungstätigkeiten, die im eigentlichen Sinne keiner wissenschaftlichen Hilfstätigkeit gleichkommen, müssten rechtlich nach TVL (Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder) bezahlt werden.

Dabei gibt es zwei Möglichkeiten für den PRStudB, sich in die Einstellungen einzumischen und Tätigkeit und Bezahlung der Studierenden zu prüfen. Im Berliner Personalvertretungsgesetz ist vorgesehen, dass sie bei den Ausschreibungen ein Mitwirkungsrecht und bei den Einstellungen ein Mitbestimmungsrecht haben. Noe erzählt, dass die Ausschreibungen meistens nicht aussagekräftig seien. Es sei nicht immer erkenntlich, was das genaue Aufgabenfeld der einzustellenden Studierenden ist. Und Noe beschreibt noch ein weiteres Problem: „Dadurch, dass wir nur ein Mitwirkungsrecht haben, bringt das Ablehnen der Ausschreibung meistens nichts.“ Die Personalverwaltung der HU müsse das Veto bei einer Ausschreibung nicht beachten. Deswegen könne der PRStudB dann erst Einfluss nehmen, wenn ihnen der Einstellungsantrag vorliegt. Aber auch das führe nicht immer zum Erfolg. Die Personalabteilung der HU könne den Vertrag beispielsweise bei der Einordnung des Tarifvertrags anpassen. Aber das würde nicht oft passieren, so Noe.

Die Schuldfrage

In einer Stellungnahme verweist die Personalabteilung der HU darauf, dass es zumeist gemeinsam mit dem PRStudB gelingt, „alle Verfahren möglichst einvernehmlich und innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Fristen zu bearbeiten, um möglichst alle Anträge zum gewünschten Wirkungsdatum umzusetzen.“ Und das obwohl der zeitliche Vorlauf meist knapp sei. Die Schuld dafür, dass es bei Nicht-Zustimmen des studentischen Personalrats bei Ausschreibungen nicht unbedingt zu einer Änderung der Ausschreibung kommt, sieht die Personalabteilung beim PRStudB selbst. Diese würden nicht immer innerhalb der gesetzlich vorgesehen Frist von zwei Wochen auf Termine für Gesprächsersuche reagieren. Und weiter heißt es in der Stellungnahme: „Die Personalstelle muss dann davon ausgehen, dass kein Einigungsinteresse von Seiten der Personalvertretung besteht. In diesen Fällen übersenden wir dem Personalrat der studentischen Beschäftigten unsere Argumente schriftlich und veröffentlichen die Ausschreibung.“ Ähnlich würde es laufen, wenn der PRStudB sein Mitbestimmungsrecht bei dem Einstellungsantrag wahrnehme und die Einstellung ablehne. Auch dann gibt es eine zwei Wochen Frist für ein Gespräch, welche der PRStudB nicht immer einhalten würde. Noe vom studentischen Personalrat sagt allerdings, dass Anträge bei ihnen nur fünf bis acht Tage liegen würden. Welche der beiden Stellen wie lange, wofür wirklich braucht, ist schwer einzuschätzen.

Fakt ist, dass im Fall von Nune eine Studentin, die an der Universität eingestellt werden sollte, in eine für sie prekäre Lage geraten ist. Sie hat sich vor allem als Nicht-EU-Studentin diskriminiert gefühlt. Für Nune sei es nicht nur finanziell, sondern auch für ihren Lebenslauf von Bedeutung, ständig angestellt zu sein. Sie findet es wichti­g, „dass Nicht-EU-St­udenten Möglichkeiten gegeben werden, ihre Karriere lückenfrei zu gestalten, um sich in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Ihnen sollte nicht noch das Leb­en schwer gemacht werden.“​

Am Ende konnte die Studentin, drei Monate später als geplant, ihre Arbeit an der HU beginnen. Der PRStudB hat nicht, wie es sein Recht gewesen wäre, nach der Verweigerung der Einstellung die Einigungsstelle für Personalvertretungssache des Landes angerufen. Diese sei laut Personalverwaltung der HU eine Art „Schiedsstelle für strittige Personalvertretungsangelegenheiten”. Wenn der studentische Personalrat darauf verzichtet, diesen Schritt zu gehen, gelte die Einstellung nach einer Frist von zwei Wochen als von ihnen angenommen. Auch wenn Nune froh war, den Job dann doch beginnen zu können, hätte sie sich gewünscht, dass ihr Einzelschicksal mehr berücksichtigt worden wäre.


Foto: Scott Graham/ unsplash

Dieser Text ist in der UnAufgefordert #261 zum Thema „www.journalistische-verantwortung.de“ im August 2022 erschienen.