Enge Seitenstraßen mit zahlreichen Cafés und Bars, aus denen Musik tönt, grauer Plattenbau, Menschenmassen am Alex, der Reichstag oder das Brandenburger Tor – das sind vermutlich die ersten Assoziationen mit Berlin. Aber wie sieht es mit Ackerfeldern, Wäldern und Blumenwiesen aus?

Am nördlichen Rand von Berlin versteckt sich an der Endstation der S-Bahn-Linie 1 die Gartenstadt Frohnau. Und der Name scheint gerechtfertigt: Schon beim Einfahren ist es unmöglich, die vielen Bäume, die an den Gleisen parieren, zu übersehen. Tönt dann der Lautsprecher der S-Bahn „Endstation, bitte alle aussteigen“, tritt man auf einen mit Kopfsteinpflaster versehenen Bahnhof. Bereits auf den ersten Blick wirkt er so ganz anders als viele andere Berliner Bahnhöfe – ruhiger, gepflegter. Auch der unangenehme Geruch, der mit Bahnhöfen verbunden wird, fehlt.

Endstation: Frohnau
Foto: Emily Goodall

Keine Gehminute vom Bahnhof entfernt, befindet sich auch schon der Ortskern von Frohnau: die beiden Plätze Ludolfingerplatz und Zeltinger Platz, die durch eine Brücke miteinander verbunden sind. Auf den Plätzen herrscht reges Getummel, auch wenn dieses in keinster Weise mit dem von Prenzlauer Berg oder Neukölln verglichen werden kann. Überwiegend in Designermode gekleidete Menschen erledigen ihre kleine Shoppingtour in den zahlreichen Einkaufsmöglichkeiten an den Plätzen. Supermärkte, Drogerien, Gemüsehandel und Apotheken erlauben ein entspanntes „Bummelfeeling“, auch wenn Cafés und Kleidungsläden eher rar sind. Für Jugendliche und „Feierabendbier’ler*innen“ sind die Plätze ein Treffpunkt – hier kann es auch mal lauter werden. Die gepflegten Grünwiesen mit blühenden Blumen in der Sommerzeit sind dabei jedoch immer ein schöner Anblick.

Nicht nur der Bahnhof wirkt nur wenig wie der Rest von Berlin: Wenige Schritte weiter wird es auf einmal ganz ruhig. Die begrünten Straßen, das Kopfsteinpflaster, das eine*n als Radfahrer*in zur Weißglut treibt, und die vielen imposanten Villen in den Nebenstraßen der Plätze erinnern eher an eine gepflegte, gutbetuchte Kleinstadt – gar nicht an die dreckige, mit Sehenswürdigkeiten überhäufte Großstadt. Die eine Familie hat einen Whirlpool im Garten, die andere eine große Statue des Berliner Bären und noch eine andere ein Stück der Berliner Mauer. Einige Gebäude sind architektonisch spannend: Manche sehen mit ihren seltsamen Wölbungen und wenigen Fenstern wie aus einer anderen Welt aus, andere so, als könnte eine Königsfamilie in ihnen beherbergt werden. In den Einfahrten parken meist schicke und teure Autos, die für eine Durchschnittsfamilie kaum bezahlbar erscheinen. Hier lässt sich noch äußerlicher Reichtum vom Feinsten sehen. Plattenbau und große Hochhäuser mit gestapeltem Wohnraum scheinen nicht einmal im Vokabular der Frohnauer*innen vorhanden zu sein. Das ein oder andere Mehrfamilienhaus gibt es natürlich.

Endstation: Frohnau
Foto: Emily Goodall

Ringsherum und keine fünfzehn Gehminuten vom Ortskern entfernt gibt es Felder soweit das Auge reicht. Außerdem liegen dort der Tegeler Forst und viele Teiche mit umliegenden Grünflächen, die zum Verweilen einladen und nicht zuletzt auch der Mauerweg. Wanderer*innen, Skater*innen und in den Wintermonaten sogar Ski-Langläufer*innen können sich hier zu Genüge austoben. Frohnau ist eine eigene kleine Blase in Berlin: Offiziell ein Teil Reinickendorfs und damit auch Berlins. Inoffiziell scheinen aber alle zu wissen und auch zu schätzen, dass es sich um einen speziellen, interessanten Ort handelt, der sich mit seiner Natur, Ruhe und Gepflegtheit – sowohl äußerlich als auch vom Gefühl her – von dem Rest Berlins abgrenzt.


Dieser Text ist in der UnAufgefordert #257 zum Thema Träume und Zukunft erschienen. Weitere Beiträge aus dem Heft lest ihr hier.

Foto: Emily Goodall