„Was ist dein Traumberuf?“. Es ist eine der ersten Fragen, die Menschen von Kindheitstagen an hören und beantworten sollen. Traumberuf ist ein paradoxales Wort und auch die Fragestellung impliziert, ein Beruf könnte in diesem kapitalistischen System zugleich auch Traum sein. Den Allermeisten steht es nicht frei von einem Beruf zu träumen, denn dieser ist überlebenswichtig, die Notwendigkeit seiner Existenz nicht verhandelbar.
Kindern wird eingeimpft, einen Traumberuf zu haben, sei erstrebenswert und unabdingbar. Die Frage danach konditioniert den*die Gefragte*n schon früh darauf am kapitalistischen System teilzunehmen, sich einzufügen. Im staatlichen Gebilde als künftige Arbeitskraft, Konsument*in und Steuerzahler*in kategorisiert und budgetiert zu werden.

Andererseits impliziert das Wort Traum eine gewisse Unerreichbarkeit. Nur selten wird ein Traum zur Realität, eher ist das Scheitern beim Versuch das Ziel zu erreichen vorprogrammiert. Natürlich kommt es auch darauf an, aus welcher Perspektive heraus die Frage gestellt wird, um feststellen zu können, wie realisierbar ein Traumberuf ist. Das hängt davon ab, welcher Klasse die Eltern angehören, wie wohlhabend sie sind und welche Möglichkeiten sich dadurch ergeben, die Träume ihrer Kinder zu unterstützen. So kann die Frage motivierend oder desillusionierend sein, in den allermeisten Fällen doch eher Letzteres.

Was liegt im Rahmen des Möglichen, im Rahmen des Träumbaren – und was wagt man nicht einmal zu träumen? Wer darf und sollte überhaupt noch träumen und wer muss bereits im jungen Alter resignieren? Es ist nicht falsch, die Frage nach dem Traumberuf zu stellen, es zeugt von Verantwortung auf das Leben vorzubereiten. Es ist auch nicht falsch, Wirklichkeit von Surrealität zu unterscheiden und entgegen der kapitalistischen Mär vom Aufstieg und individueller Selbstverwirklichung zu verdeutlichen, dass in dieser Gesellschaft die meisten Arbeiter*innen einer Tätigkeit nachgehen, von der sie entfremdet sind und die sie zur schieren Existenzsicherung ausüben. Nur ein Kapitalist vermag zu träumen, indem er sich an der Arbeitskraft des Anderen bereichert, seinen Traum zunichte macht und von seinem Streben danach profitiert.

Vielleicht ist es aber auch wichtig, den Fokus von dieser unbedingten Frage zu nehmen. Einer Frage mit scheinbar unendlich vielen Antwortmöglichkeiten, die zugleich eine Begrenztheit offenbaren und uns mit mehr Fragen als Antworten zurücklassen. Vielleicht wäre man gut damit beraten, sich mehr aufs Zwischenmenschliche zu fokussieren, auf das, was diese zunehmende Entfremdung von der eigenen Tätigkeit noch irgendwie erträglich macht und Menschen nicht endgültig zu Arbeitsmaschinen verkommen lässt. Wie möchtest du deine Beziehungen führen? Wovon träumst du – für dich, dein Umfeld und die Welt? Was erfüllt dich? Wie kommen wir einer Welt näher, in der tatsächlich alle ihren Traumberuf ausüben können?


Dieser Text ist in der UnAufgefordert #257 zum Thema Träume und Zukunft erschienen. Weitere Beiträge aus dem Heft lest ihr hier.

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