Sabine Kunst ist als Präsidentin der HU höchst umstritten – dennoch wird sie auch künftig an der Spitze der Uni stehen. Schuld daran ist auch ein undemokratisches und intransparentes Wahlsystem.

Am 3. November wurde in den USA ein neuer Präsident gewählt. Und wie immer kritisierten wieder alle wie undemokratisch das doch sei: 538 Wahlleute bestimmen indirekt den Präsidenten und nicht die Wähler*innen an der Wahlurne. Hinzu kommt das Winner-Takes-All Prinzip, das Gewinner*innen eines Bundesstaats die Stimmen aller Wahlleute einbringt.

Doch auch an der HU gibt es ein Wahlleute-Gremium. Am 17. November tritt das Konzil der HU zu seiner (fast) einzigen Aufgabe an: Eine neue Präsident*in zu wählen. Wobei von einer Wahl kaum gesprochen werden kann, denn es gibt nur eine Kandidatin: Die derzeitige Präsidentin Sabine Kunst. Das Kuratorium der HU nominierte sie für eine zweite Amtszeit. Gegenkandidat*innen gab es nicht und so war es wohl ein schneller Wahlgang für das Konzil  – vielleicht auch besser in Corona-Zeiten.

Studierende sind unterrepräsentiert

Zwar gibt es diesmal etwas andere Mehrheiten im Konzil als 2016: Einige Professor*innen-Plätze sind nicht besetzt und diese haben nicht die absolute Mehrheit. Dass dennoch die derzeitige Zusammensetzung des Konzils nicht die Realität an der HU widerspiegelt, zeigen folgende Zahlen: Zehn Studierende vertreten fast 36.000 HU-Studierende im Konzil, während die 416 Professor*innen der HU 25 Vertreter*innen im Konzil haben. Auch wenn die Studierendenvertreter*innen einige Sonderrechte haben – wahre Demokratie sieht anders aus!

Hinzu kommt das Auswahlverfahren für das Präsidium: Das Kuratorium schlägt dem Konzil eine*n oder mehrere Kandidat*innen zur Wahl vor. Angehörige des Kuratoriums sind dabei bis auf die HU-Präsidentin nur hochschulexterne Personen, wie die ehemalige Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) oder die Wissenschaftspolitikerin Krista Sager (Grüne). Haben sie die Kompetenz derart weitreichende Entscheidungen zu treffen? Klar gibt es eine Findungskommission der auch Studierende angehören und die die Bewerbungen möglicher Kandidat*innen sichtet und sie befragt, dennoch fühlt sich das nach stillem Kämmerlein an und nicht nach Transparenz.

Präsident*innen-Wahl: Mangelnde Transparenz

Denn auch wenn das Wahlverfahren gesetzlich sauber erscheint, so fragt man sich, ob das noch zu einer Universität des 21. Jahrhunderts passt. Schon seit Jahrzehnten gibt es eine Debatte über die sogenannte Viertelparität an Universitäten, die allen Gruppen an der Hochschule – also Professor*innen, Studierenden und den wissenschaftlichen und technischen Mitarbeiter*innen – die gleichen Mitspracherechte geben würde. Gegner dieser Viertelparität argumentieren mit den beruflichen Erfahrungen der Professor*innen, die über die Universität „wachen“ würden und so die Freiheit von Lehre und Forschung garantieren. Und sie berufen sich auf ein umstrittenes Urteil des Bundesverfassungsgericht aus dem Jahre 1973, das den Professor*innen die Mehrheit in den Hochschulgremien sichert. Letztendlich steht dahinter ein reaktionäres Universitätsverständnis.

Denn Wissenschaft findet heute nicht in Gelehrtenstuben statt, sondern im Dialog zwischen verschiedenen Gruppen an der Uni, aber auch bei außeruniversitären Akteuren. Dies muss auch für die Präsident*innenwahl gelten, die eine Angelegenheit der ganzen Uni werden muss. Denn hätten wir ein viertelparitätisch gewähltes Konzil, wäre ein*e Kandidat*in auch auf Stimmen aus anderen Uni-Gruppen angewiesen, um gewählt zu werden. Ein Dialog und ein Zugehen auf die Studierenden wäre nötig. Die TU diskutiert darüber schon seit längerem und auch in den Bundesländern Nordrhein-Westfalen und Thüringen gibt es in den Hochschulgesetzen schon entsprechende Regelungen. Doch die Berliner Landespolitik traut sich nicht das umstrittene Thema anzufassen und das Berliner Hochschulgesetz entsprechend zu ändern.

Sabine Kunst: Mangelnde Identifikation mit der HU?

Doch wenn das Gesetz schon nicht geändert werden kann, so kann es zumindest möglichst weit ausgelegt werden. Wie wäre es etwa, das Vetorecht der Studierenden in der HU-Verfassung auch auf die Wahl der Präsident*in auszuweiten? Dann könnte niemand ohne die Stimmen der Studierendenvertreter*innen zur Präsident*in werden. Zudem müsste es einen größeren Dialog mit den Kandidat*innen geben, in dem alle Studierende, aber auch wissenschaftliche und technische Mitarbeiter*innen sich mit ihren Fragen und Anliegen einbringen könnten. Etwa bei öffentlichen Foren und Versammlungen vor der Wahl. Vielleicht gäbe es dann auch einen größeren Wahlkampf mit mehreren Kandidat*innen und nicht nur einem/einer politisch gewollten. Klar wäre das Arbeit und würde vielleicht auch zu überraschenden Entscheidungen führen. Doch gäbe es dann eine Präsident*in, die von einer breiten Basis an Studierenden und Mitarbeiter*innen gestützt wird und sich entsprechend auch mit ihrer Uni identifiziert.

Denn das ist eines der Grundprobleme, die viele mit Sabine Kunst haben: Sie scheinte nie wirklich zur HU zu passen und wurde von außen in dieses Amt bugsiert. Vor ihrer Zeit als HU-Präsidentin war sie Wissenschaftsministerin in Brandenburg und Präsidentin der Uni Potsdam. Man hatte eher das Gefühl, dass sie eine Unimanagerin ist, als dass sie sich wirklich mit der HU und ihren Studierenden, aber auch den Mitarbeiter*innen identifiziert. Das schlägt sich natürlich auch in ihrer Amtszeit nieder, die von allerlei unrühmlichen Vorfällen geprägt war wie etwa einer Klage gegen die Studierendenvertretung. Entsprechend war auch ihre öffentliche Anhörung im Konzil vor allem von Kritik durch die Studierendenvertreter*innen geprägt. Da Kunst aber bei den Professor*innen durchaus hohes Ansehen hat, wurde sie dennoch wiedergewählt.


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