Influencer ziehen Neid und Spott gleichermaßen auf sich. Leben sie doch angeblich wie die Maden im Speck. Bekommen das Zimmer im Luxushotel gesponsert, ganz zu schweigen von den Designerklamotten, und die Meinung ist natürlich gekauft. Trotzdem geht die Werbeindustrie immer mehr Partnerschaften mit ihnen ein. Beide Seiten stehen vor dem gleichen Problem: Influencer-Marketing hat ein Glaubwürdigkeitsproblem.

Es soll ja Leute geben, die haben kein Facebook, kein Twitter, kein Snapchat und kein Instagram. Sogar solche, die noch nicht einmal ein Smartphone besitzen. Nur in diesem Fall ist man wohl gefeit vor dem Anglizismus (und Schreckgespenst) des Jahres 2017: „Influencer-Marketing“. Die Berichterstattung über Influencer ist, zumindest in Deutschland, geprägt von Neugier, Skepsis und oft: Ablehnung.

Influencer gelten als unauthentisch, unehrlich: Sie verkaufen Einblicke in ihr Leben und vermarkten dabei Produkte so, als würden sie gar keine Werbung machen. Trotzdem wird Influencer-Marketing zu einem immer wichtigeren Zweig der Werbewirtschaft. Die Branche, und vor allem die Influencer selbst, diskutieren zurzeit, woher ihr Glaubwürdigkeitsproblem kommt und wie sie es lösen können.

„Instagram ist schon oberflächlicher. Und das ist Fluch und Segen.“

Laura Werner ist 22 und bloggt schon seit neun Jahren auf thelimitsofcontrol-laura, einer Art Tagebuch, das im Lauf der Jahre zu ihrem Beruf geworden ist. Als Laura mit dem Bloggen begonnen hat, gab es das Berufsfeld noch gar nicht: Bloggerin. Laura bezeichnet sich ausdrücklich als solche, und nicht als Influencer: Immerhin erreiche sie gut dreißigmal mehr Leute über ihren Blog als über ihren Instagram-Account. Trotzdem gibt sie zu, dass sie die Bezeichnung “Influencer” auch deswegen ablehnt, weil der Titel nicht den besten Ruf genießt.

Das Stigma, mit dem Influencer zu kämpfen haben, komme auch daher, dass Konsument*innen die Arbeit hinter einem Bild nicht erkennen und wertschätzen könnten, sagt Laura. Andererseits gebe es auch Influencer, die ihre Arbeit nicht gut machten und dadurch allen anderen schadeten.

Die Funktionsweise von Instagram spiele hier eine große Rolle: “Was bei Instagram im Mittelpunkt steht, sind die Zahlen. Dass du einfach offensichtlich siehst, wie viele Follower jemand hat. Und das steht dort im Fokus. Beim Blog siehst du keine Zahlen. Du weißt nicht, ob der Blog viele Klickzahlen hat oder nicht, und man konzentriert sich so mehr auf den Inhalt. Und das ist bei Instagram halt nicht so.“ Laura hat 40.000 Follower auf Instagram. Das ist im Vergleich zu anderen nicht viel. Sie verdient 80 Prozent ihres Geldes mit dem Blog. Aber das Business verändert sich – und Laura gehört noch zu einer Generation, die sich etabliert hat, als Instagram noch lediglich nice to have war.

Struktur und Funktionsweise der neuen sozialen Medien sind ein Teil des Glaubwürdigkeitsproblems. Als Ergebnis entstehen Marketing-Fails, wie man sie auf „Perlen des Influencer-Marketings“ auf Facebook bewundern kann. Hier sieht man Instagramerin „Donnaxadrienne“, die, nur mit Schaum bedeckt, lasziv in einer Badewanne liegt. Genussvoll beißt sie in eine Bifi. Darunter: #influencervorbild. Satire? Im Nachhinein behauptet Donnaxadrienne das zumindest.

Produktplatzierungen in Posts müssen seit letztem Jahr gekennzeichnet werden, als Werbung, Bezahlte Partnerschaft oder Anzeige – was Donnaxadrienne bei dem Bifi-Post versäumt hatte. Kooperationen könnten mithilfe der Markierungen transparenter werden. Glaubwürdigkeit entsteht so trotzdem nicht immer. Die kann sich vor allem dann einstellen, wenn Influencer und Marke eine authentische Partnerschaft eingehen.

Authentische Partnerschaften möglich machen

Niklas Hildebrandt und Eugenio Warglien wollen genau das möglich machen. Sie sind Gründer des Startups BOUTIQ, das von der Humboldt-Universität im EXIST Programm gefördert wird. Sie bieten eine Leistung an, die Influencer und Marken verbindet, um sinnvolle Kooperationen zu ermöglichen. Influencer können ihre virtuelle Boutique kuratieren. So sehen Marken direkt, welche Influencer in ihr Portfolio passen und sich für eine Zusammenarbeit eignen.

Niklas und Eugenio sagen, dass die Branche einige Fehler gemacht hat, dass es viele Beispiele von unglücklich umgesetzten Kampagnen gibt. „The problem is the mismatch between brand and influencer. They do not figure out who they wanna work with.“  

Oft sind nach missglückten Kooperationen sowohl Marke als auch Influencer unzufrieden mit der Zusammenarbeit. Das liegt zum einen daran, dass die Influencer oft sehr jung und unerfahren in dem Geschäft sind, aber auch die Marken oft nicht genau wissen, wie sie mit Influencern und Influencer-Marketing generell umgehen sollen.

Um dem entgegenzuwirken hat BOUTIQ außerdem ein Tool integriert, das den Influencern eine Möglichkeit bietet, die Interessen ihrer Follower an Produkten der Boutique in Zahlen zu erfassen und zu analysieren.

„So what we do is to empower influencer to do the stuff they like to do. We added a piece of data and information on the boutique and enable brands to really find influencers who matches. Instead of giving money to any influencer we try to find influencer for the brand that really have a fit.“

2017 lagen die Nettoerlöse des Influencer-Marketings in Deutschland, Österreich und der Schweiz noch bei 560 Millionen Euro – 2020 werden sie voraussichtlich auf 990 Millionen Euro steigen. Influencer werden mit der Zeit zu professionellen Unternehmer*innen. Werbung werden sie spätestens dann deutlich erkennbar machen, Kooperationen zwischen Marken und Influencern sichtbar sein müssen. Probleme mit der Glaubwürdigkeit werden bis dahin auch nicht mehr größer sein als die in der Werbebranche allgemein.