Sexismus schadet uns allen: oft Frauen und manchmal auch Männern. Aber wie gehen wir damit um, wenn uns eine eigentlich schlechte Sache auch Vorteile bringen kann? Ist es in Ordnung, Feministin zu sein und sich gleichzeitig konsequent von Männern einladen zu lassen? Ein Text über die Frage, ob und wie sich Doppelmoral vermeiden lässt

Das große Ziel des Feminismus ist es eigentlich, dass alle Geschlechter vollkommen gleichberechtigt sind. Benachteiligung und Vorurteile sollten also vermieden werden. Trotzdem kann ein Unterschied gelegentlich auch Vorteile bringen. In unserer Gesellschaft zwar fast immer den Männern, aber in bestimmten Situationen eben auch Frauen. Hin und wieder kann es nämlich passieren, dass man als Frau in einen eigentlich vollen Club gelassen wird, ohne Eintritt zu bezahlen, einfach weil man ein paarmal zu oft geblinzelt und dabei nett gelächelt hat. Oder man bekommt ein Bier ausgegeben, wenn man kein Geld mehr hat und den Typen vor einem in der Schlange zur Bar einfach sehr intensiv in die Augen schaut. Das ist als Frau sehr praktisch. Aber dummerweise auch zutiefst sexistisch.

Wenn ein Mann einer Frau einen Drink spendiert, zeigt er damit nach gesellschaftlichen Konventionen, dass er ausreichend Geld hat, sich um sie kümmern kann, und außerdem einfach sehr großzügig ist. Als betroffene Frau könnte man jetzt sagen: „Hey, mega lieb von dir, aber ich kann auf mich selbst aufpassen und Geldverdienen tue ich auch genug, also versuch vielleicht mal, dir Flirtmethoden auszudenken, die nicht 100 Jahre alt sind.“ Oder man könnte den Drink annehmen und sich freuen, ein wenig Geld gespart zu haben, ohne dass man irgendetwas dafür tun musste. Um zwei Uhr nachts im Club tut man wahrscheinlich eher letzteres und geht dann wieder zurück zu seinen Freunden, ohne besonders viele Gedanken an den gönnerhaften Herren zu verschwenden.

Die ganze Sache kann natürlich unfassbar nett gemeint sein von all den Männern, die einem Getränke kaufen und den Eintritt bezahlen. Aber es impliziert eben auch irgendwo, dass der Mann mehr Geld hat als die dazugehörige Frau und es sich im Gegensatz zu ihr leisten kann, zu flirten, indem er ihr Dinge kauft. Das mag auch wirklich so gewesen sein, als Frauen entweder gar nicht gearbeitet haben oder durch ihren Sekretärinnen-Job und den ewigwährenden geschlechterspezifischen Lohnunterschied (gender-pay-gap) wirklich nicht viel ausgeben konnten. Aber wir haben nicht mehr 1950. Und auch wenn Frauen häufig immer noch weniger verdienen, sollte es eigentlich das Ziel unserer Zeit sein, diesen Umstand zu vermeiden und nicht noch weiter zu befeuern. Die moderne Frau des 21. Jahrhunderts kann alleine Autofahren, in einer eigenen Wohnung wohnen und alle beruflichen Chancen ergreifen, die sie möchte. Sie hat es nicht mehr nötig, von Männern bemuttert zu werden.

Weil es aber trotzdem manchmal schön ist, eingeladen zu werden, hier ein kleiner Vorschlag: kommen wir doch endlich mal weg von der ewigen Konvention, dass es Männer sein müssen, die einem von der anderen Seite der Bar zwinkernd ein Getränk zukommen lassen. Warum kann das Prinzip nicht einfach sein: Wer jemanden attraktiv findet, der kann der- oder demjenigen gerne ein Getränk ausgeben und dann hoffentlich ins Gespräch kommen und sich unsterblich verlieben. Dieser erste Schritt sollte aber keine traditionell männliche Geste sein. Sondern eine der Freundlichkeit. Und das können ja wohl wirklich alle Geschlechter sein.

 

Illustration: Laura Haselmann