In 25 Jahren entwickelte sich die Studierendenzeitung UnAufgefordert vom kämpferischen Medium der Wendezeit zu einer Zeitung, die Wert auf Neutralität und Multiperspektivität legt. Zum Jubiläum der Erstausgabe diskutierten wir diesen Wandel: „Wir sind neutral – und waren mal anders. Dürfen Journalisten Kämpfer sein?“ 

Zu Gast waren Susanne Götze, Geschäftsführerin der Linken Medienakademie und stellvertretende Chefredakteurin bei klimaretter.info, Juliane Kerber, Fernsehreporterin beim rbb und Chefredakteurin der UnAufgefordert 1993/94, Margreth Lünenborg, Professorin für Journalistik an der FU Berlin und Niklas Maamar, aktueller Chefredakteur der UnAufgefordert. Wolf-Christian Ulrich, ZDF-Moderator und ehemaliger UnAuf-Redakteur, leitete die Diskussion und erinnerte eingangs an die kämpferischen Anfänge der HU-Studierendenzeitung, deren Redakteuren es vor allem wichtig war, Öffentlichkeit an der Universität zu schaffen.

Juliane Kerber, die 1991 bei der UnAufgefordert angefangen hatte, erinnerte sich, dass sich die Zeitung in einer aktiven Rolle gesehen habe. Dass es an der Universität auch Unterstützer für Hochschulangehörige mit Stasi-Vergangenheit gab, spiegelte sich nicht in der Berichterstattung wider. Vielfalt und Mehrperspektivität sind aber wichtig – das hat Kerber als Lektion aus der Debatte mitgenommen.

Vom Sprachrohr zum Journalistenlabor

War der Ton der UnAuf zu Beginn noch oft engagiert und meinungsbetont, ging es in den folgenden Jahren vor allem darum, objektiv und neutral zu berichten. Heute wünschen sich die Leserinnen und Leser allerdings vermehrt ein Textformat, das bewusst politisierend konzipiert ist: den Kommentar. „Das Meinungsressort geht sehr gut“, sagte Susanne Götze von klimaretter.info. Auch die UnAufgefordert hat sich mit ihrem Relaunch für stärkere Positionen entschieden. „Es war erstaunlich zu sehen, dass in unserer Leserumfrage mehr Meinung gewünscht wurde“, bestätigte Niklas Maamar, UnAuf-Chefredakteur. „In den letzten Jahren haben wir über viele Themen ausschließlich in sehr objektiven Berichtsformen geschrieben.“

Im Publikum: Studierende und ehemalige UnAufler beobachten das Gespräch und lesen die Jubiläumsausgabe.

Als Grundsatz für objektiven Journalismus, dem auch die UnAuf folgt, dient oft ein bekanntes Zitat des Journalisten Hanns Joachim Friedrichs: „Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache, auch nicht mit einer guten Sache.“ Margreth Lünenborg wendete allerdings ein, dass man diesen Leitsatz durchaus befolgen und trotzdem bewusst Meinungen vertreten könne. „Position zu beziehen, heißt ja nicht, sich gemein zu machen“, argumentierte sie.

Susanne Götze kennt diese Problematik als Geschäftsführerin der Linken Medienakademie. Die Akademie werde oft mit der Partei Die Linke assoziiert. Trotzdem, so betonte Götze, schlägt sich die Akademie niemals eindeutig auf die Seite von Parteien oder anderen politischen Akteuren. „Wir haben ein Selbstverständnis, bei dem wir sagen: Steht für Menschenrechte und soziale Belange ein, aber macht euch mit nichts gemein.“

Menschenrechte – ist das nicht das klassische Feld von NGOs und Aktivisten? Moderator Wolf-Christian Ulrich belebte die Diskussion mit einem Zitat von Glen Greenwald: „Nicht alle Aktivisten sind Journalisten, aber alle richtigen Journalisten sind Aktivisten, um die Mächtigen zu kontrollieren.“

Professorin Lünenborg geht da nicht ganz mit: „Die Kontrollfunktion ist die klassische normative Zuschreibung an Journalisten. Doch dadurch wird man nicht automatisch zu einem Aktivisten.“ Auch Juliane Kerber sieht die Öffentlich Rechtlichen eher in dieser klassischen Journalistenrolle, trotz Konkurrenz durch Blogger und Kommentatoren auf YouTube. „Unser Auftrag ist, eine Informationsplattform zu bieten“, sagte Kerber, „Journalismus, der sortiert und interpretiert, wird notwendig bleiben.“

Welches Selbstverständnis passt zur UnAufgefordert? Sollte studentischer Journalismus politisch Position beziehen oder gerade in einem politisierten Umfeld wie dem einer Universität auch oder gar vor allem einordnen? Für Susanne Götze sind die schreibenden Studierenden „Vermittler von den Dingen, die an der Uni passieren.“ Magreth Lünenborg betonte, dass eine Studierendenzeitung keine Journalistenschule sein solle, sondern ein Labor. Ein Labor, das nicht jenem ökonomischen Druck ausgesetzt ist, dem Verlage ausgesetzt sind.

„Finanzierung ist ein ganz wichtiges Thema“, sagte Niklas Maamar. Die UnAufgefordert bezahlt den Druck der Zeitung aus freiwilligen Abozahlungen, Mitgliedsbeiträgen zum Freundeskreis, Spenden, Stiftungsgeldern und Anzeigen. Das war nicht immer so: Bis 2008 finanzierte das Studierendenparlament die UnAufgefordert. Doch Streit um Personalien und redaktionelle Inhalte führten zum Bruch. „Das Studierendenparlament war eine nur vermeintlich unabhängige Finanzierung“, sagte Juliane Kerber. Sie ist überzeugt, eine Finanzierung über Anzeigenkunden könne mit klaren Regeln funktionieren. „Es ist ganz wichtig, dass die Kunden Anzeigen schalten und keine Texte kaufen“, bestätigte Niklas Maamar. Jede Anzeige werde entsprechend gekennzeichnet und die Werbung habe keinen Einfluss auf redaktionelle Inhalte, betonte der UnAuf-Chefredakteur.

Doch wie ist es dann um den studentischen Journalismus an der HU bestellt? Die Diskutanten waren sich einig: Journalisten dürfen eine Haltung haben, müssen aber unabhängig bleiben. „Das Schöne bei der UnAufgefordert ist, dass man nicht weiß, wie sie in fünf Jahren aussieht“, schloss Chefredakteur Maamar. „Der ständige Wandel ist das, was die Zeitung so besonders macht.“


Ganz herzlich bedanken wollen wir uns bei der BMW-Stiftung, die das Catering der Veranstaltung gesponsert hat.

Die Geschichte der UnAufgefordert ist derzeit in der Ausstellung „Freihand Schreiben“ im Foyer der Humboldt-Universität zu sehen. Anekdoten rund um 25 Jahre UnAuf findet ihr auf www.unaufanekdoten.wordpress.com