Am 21. Januar fand die Pariser Fashion Week der Herbst-Winter-Kollektion 2025/26 statt. Kurz danach begann die Berliner Fashion Week am 31 Januar. Beide Städte ziehen im Laufe der halbjährlich stattfindenden Modewochen tausende an Menschen an, deren Haltungen in Bezug auf die Modetradition, ihre Werte und ihre Zugänglichkeit nicht unterschiedlicher sein können.
Die Straßen der angesagten Viertel in Paris wimmeln in diesen Tagen von Menschen mit herausragenden Modestilen. Sie strahlen Selbstbewusstsein durch ihre extravaganten Klamotten aus. Jedes Accessoire schreit Exzess und das Zusammenspiel aus Kleidung, Schmuck und Attitude lassen die Personen wie Kunstwerke durch die Kulisse Paris laufen. Sie heben sich durch ihre Mode stark vom alltäglichen Stadtbild ab. Was in Paris das erste Mal 1973 als Mode Woche begann, prägt heutzutage die weltweite Modeindustrie. Pariser Fashiondesigner*innen kleiden in dieser Woche ganz Hollywood ein und beeinflussen weltweit Menschen in ihrem Modestil, die die günstigen Nachahmungen der Designerartikel oft als Massenware in Fast-Fashion-Geschäften nachkaufen.
Die Berliner Fashion-Week ist vergleichsweise jung und fand das erste Mal im Jahr 2003 statt. Das Modeevent sollte diesen Winter die „progressive (sub-)Kultur“ Berlins, Nachhaltigkeit, Inklusion, Innovation, repräsentieren und die aufstrebende Talente fördern.
„Berlin Fashion Week: The responsible movement of freedom, inclusion, and creativity.“ – Motto der Berliner Fashion Week 2025
Obwohl die Berliner Fashion Week eine Vielzahl an exklusiven Veranstaltungen beinhaltet, gibt es in der Stadt auch öffentliche Events, wie „Off-Location-Events“, nachhaltige Mode-Initiativen oder „Open-Air-Modeschauen“, die die präsentierte Mode für breitere Gesellschaftsgruppen zugänglich machen. Die Fashion-Week unterscheidet bei den Events von exklusiven „High-Fashion-Kollektionen“ und inklusiven „Mainstream-Kollektionen“. Die stark limitierten Plätze der „Mainstream-Kollektionen“ können durch ein Onlineportal von Interessent*innen gebucht werden. Durch die präsentierte Mode in Berlin wird dafür plädiert, verstärkt auf Vielfältigkeit zu achten. Dies zeigt sich durch Kollektionen mit avantgardistischen Ansätzen und experimentellen Gestaltungen, deren Design und Konzept häufig weit von alltäglicher „Wearability“ entfernt sind. Andererseits gibt es in Berlin auch einen starken Trend zu urbaner und Streetwear-orientierter Mode, die oftmals einen praktischen Bezug zum Alltag herstellt, was sie einerseits für eine breitere Masse zugänglicher und dadurch inklusiver macht und eine starken Kontrast zur Pariser Fashion Week und ihrer Signatur durch die „Haute-Couture“-Mode, herstellt.
Die Pariser Fashion Week ist eine Hochburg der Luxusmode und so sind die heiß begehrten, streng limitierten Plätze für eine sogenannte „Mode-Elite“ reserviert. Diese hierarchisierte „Elite“ ist eine kleine Blase aus Händler*innen, Journalist*innen, Prominenten und ausgewählten Influencer*innen, die es auf die Gästeliste geschafft haben. Die Pariser Fashion Week ist für „Haute-Couture“-Shows bekannt, die handgefertigte „High-Fashion“-Mode zeigen und sich ausschließlich an die „Mode-Elite“ richtet. Das macht die Shows exklusiv für die breite Masse und umso begehrter für den Ansturm Prominenter, was die Division zweier Gesellschaftsklassen verdeutlicht.
Wenn Kleidung zum Statussymbol wird
Berlin als Stadt ist bekannt dafür, divers zu sein und Gegensätze anzuziehen. Das lässt sich auch in der Modewelt erkennen. Einerseits bahnt sich in Berlin eine wachsende Luxus-Szene an, die sowohl Mode als auch das Stadtbild nachhaltig prägt, andererseits bleibt sie eine Stadt der Subkulturen und alternativen Modebewegungen. Da, wo der Fokus bei der Berliner Fashion Week, laut ihrer Organisator*innen, auf alternativen, queerfreundlichen und diversen Kollektionen liegt und soziale Themen wie Genderfluidity, Anti-Konsum oder faire Produktion in den Kollektionen mit aufgreift, wird in Paris stärker auf Luxus, Prestige und Statussymbol gesetzt. Beide Modewochen repräsentieren dabei nicht nur die neuen Kollektionen, sondern auch eine Lebenseinstellung. Es wird sowohl ein Kleidungsstück als auch ein exklusives Statussymbol gekauft, denn die High-Fashion-Mode bleibt für die meisten weiterhin unbezahlbar. Das, was für die breiten Gesellschaftsgruppen größtenteils als negativ konnotiert, exklusiv und elitär wahrgenommen wird, findet bei der „Mode-Elite“ der Pariser Fashion Week tendenziell positive Resonanz. Exklusiv zu sein heißt, einer Elite zugehörig zu sein.
Mode als Eskapismus: Warum die Fashion Week trotz sozialer Krisen gefeiert wird
In Paris ist die Modewoche eng mit Glamour, High Society und Inszenierung verbunden. Luxusmarken positionieren sich durch ihren künstlerischen Ausdruck zu einer Form des Eskapismus. Besonders die Pariser Fashion Week verdeutlicht den temporären Ausbruch aus der Realität und zielt direkt darauf ab, durch die künstlerische Inszenierung der Mode für eine Woche eine Parallelwelt zu schaffen, die die gesellschaftlichen Konventionen bricht und abseits vom Alltag existiert. Das spricht eine Großzahl an Menschen an, die sich durch die Kunstform der Mode aus den aktuellen politischen Umständen ziehen und sich durch die Fashion Week für einen kurzen Moment in eine Fantasiewelt stürzen können. Diese Form des Eskapismus wird oft kritisch gesehen und die Frage, ob die Fashion Week eine berechtigte Form von Eskapismus ist, bleibt bestehen.
Berlin plädiert während der Fashion Week einen Bezug zu gesellschaftlichen und politischen Themen zu schaffen und sie als Bühne zur gesellschaftlichen Reflexion zu nutzen. Inwieweit das Image der Berliner Mode tatsächlich so „alternativ“ ist, oder ob auch hier die Exklusivität der Shows und der experimentelle Modeausdruck, Formen des Eskapismus hervorbringen, bleibt weiterhin bedeutend.
Der Teufelskreis der Exklusivität
Die überwiegende Exklusivität der Mode, die auf den Fashion Weeks präsentiert wird, verstärkt einerseits die Trennung zwischen der „Mode-Elite“ und den Durchschnittskonsument*innen und führt abermals zu der Konsequenz, dass Fast-Fashion- und Streetwear-Marken Elemente von Luxuskollektionen kopieren und sie für eine breitere Zielgruppe erschwinglich machen. Diese schnelle Nachahmung von Trends führt zu einem hohen Textilverschleiß und einer kurzlebigen Konsumkultur. In Paris und Berlin präsentieren die großen Modehäuser zwar Nachhaltigkeitsinitiativen, wie in Berlin das Neonyt-Event, jedoch werden ihnen oftmals diese Initiativen als Marketingstrategie oder Greenwashing vorgeworfen. Die Fast-Fashion-Industrie kopiert dabei nicht nur Modeschnitte, sondern eignet sich teilweise auch Kultur an, indem sie traditionelle Designs oder Stoffmuster in die westlichen Modestile adaptiert .
Die Fashion Weeks sind ein zentraler Bestandteil der Modewelt und prägen sie auf außergewöhnliche Art und Weise. Sie entwickeln sich jährlich weiter und lassen die jeweiligen Städte für eine Woche in eine Parallelwelt tauchen. Ob zugänglich oder exklusiv, ob Eskapismus oder Auseinandersetzung mit Gesellschaftskritik – Während der Fashion Week verwandeln sich Paris und Berlin in Bühnen der Inszenierung und beeinflussen dadurch in vielerlei Hinsicht die Gesellschaft.
Foto: Francesco