Die Zeit des Sozialismus in der Volksrepublik Polen (PRL) ist von Widersprüchen geprägt. Die Parteiführung propagierte soziale Gleichheit, Wohlstand für jede*n und Freiheit. Dass es sich dabei um eine idealistische Utopie handelte, ist mehr als ersichtlich. Diese Neigung zeigt sich auch im Bereich der Mode. Der Staat strebte einen strikten Bekleidungsstil an, der jegliche Extravaganz ablehnte. Gleichzeitig wurden elegante und überteuerte, von der haute couture inspirierte, Kleidungsstücke in vielen Läden ausgestellt. Leisten konnten sich das nur wenige.

Es ist Silvester. Gefeiert wird das Neujahr 1976. Die Kamera zeigt ein tanzendes Paar. Er, etwas korpulent, trägt eine Fliege anstatt seiner sonst bunten Krawatten. Sie, mit weiblichen Rundungen, trägt ein schlichtes und elegantes Kleid. Diese Szene stammt aus dem Film „Gierek“, der am 21. Januar 2022 in die polnischen Kinos kam. Der Film erzählt über den Ersten Sekretär der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei (PZPR), Edward Gierek. Das zentrale Thema des Films ist der Politiker, doch an einigen Stellen gibt es Hinweise auf die Mode im PRL. Viele Polen verbinden Edward Gierek heute noch mit einem eleganten Anzug und bunt gemusterten Krawatten. Mit diesem Accessoire stieß er, neben seinen einfach gekleideten Parteimitgliedern, deutlich hervor. Die Überschuldung während seiner Amtszeit ist allerdings nur Wenigen im Gedächtnis geblieben.

Der Staat sorgt für das Volk

Die 70er Jahre in Polen waren vergleichsweise progressiv, denn in der Politik wurde ein fortschrittlicher Wandel propagiert. In dieser Zeit akzeptierte die Führung den Dollar als Währung und ermöglichte es den Menschen, in internationalen Läden, wie beispielsweise bei Pewex, einzukaufen. Dort konnte man alles erwerben: von ausländischen Haushaltsgeräten, über Lebensmittel, bis hin zu Textilien und Fasern wie beispielsweise echte Mohairwolle oder Crimplene. Letzterer Stoff wurde für Sakkos und Kleider verwendet. Diese Offenheit gegenüber der westlichen Welt suggerierte einen Wandel, obwohl die Volksrepublik am Sozialismus festhielt. Besonders auffällig zeigt sich das in der Mode, die der Staat für seine politischen Zwecke nutzte.

Die Kleidungsproduktion verzichtete auf snobistische Extravaganz. Die Kleidung sollte funktional, praktisch, traditionell und billig sein. Unnötig verbrauchtes Material, wie Rüschen an Kleidern oder das Mischen mehrerer Materialien war eine unerwünschte Geld- und Materialverschwendung. Die Qualität der Kleidung und ihr Aussehen konnte allerdings nicht mit der ausländischen, schnelllebigen Mode mithalten – ihre Qualität war, wie die meisten Erzeugnisse heimischer Produktion, Ramsch. Im Polnischen etablierte sich zu der Zeit das Wort „bubel“, mit dem die Menschen minderwertige Ware bezeichneten.

Moda Polska vs. eklektischer Streetstyle

Die Verehrung des Ländlichen nahm im Sozialismus eine besondere Rolle ein. Folkloremuster waren vor allem bei Parteimitgliedern sehr beliebt. Kleider und Westen mit aufgenähten regionalen Volksmustern, zusätzlich verziert mit handgenähter Spitze, wurden zu der Exportware schlechthin. Internationale Ausstellungen, wie beispielsweise in Paris oder auf der Leipziger Messe, zeigten diese Kleidungsstücke, um den vermeintlichen Wohlstand in Polen zu präsentieren. Der polnischen Sozialismus strebte dagegen vorallem nach einer Innenwirkung, nämlich der Sehnsucht nach dem Westen mit etwas entgegenzusetzen.

Moda Polska war der Name des 1959 gegründeten staatlichen Unternehmens, das die elitäre Mode in der Volksrepublik Polen prägte. Die sozialistische Luxusmarke kleidete wohlsituierte Frauen und Ehefrauen der Parteimitglieder und -chefs ein. Die extravagante Unternehmensgründerin Jadwiga Grabowska brachte Eleganz und Luxus auf die grauen Straßen der polnischen Nachkriegsstädte. Gleichzeitig prägte die Straßen ein eklektischer Modestil. Das heißt, man mischte und trug das, was man hatte: Kleidungen, die als Geschenke aus dem Ausland kamen, polnische Fälschungen oder Selbstgenähtes. Unternehmen wie Moda Polska oder Hoffmann und Hase hatten zwar versucht, die Massen einzukleiden, doch waren ihre Kleidungsstücke oft einfach zu teuer. Die Regale der Kaufhäuser waren wegen Warenmangels dazu noch häufig leer. Da half nichts und die eigene Nähmaschine wurde rausgeholt.

Modedesigner*innen entwickelten Anleitungen, wie zum Beispiel aus einer abgenutzten Hose, einer Gardine, oder einer Tisch- und Bettdecke Kleidungsstücke „zusammengeschustert“ werden konnten. Manch eine*r bedruckte, voll Sehnsucht nach dem Westen, weiße T-Shirts mit Marlboro oder ähnlichen Markennamen. Üblich war es auch ein Etikett mit einem ausländischen Markenlogo an seine Kleidung zu nähen. So wurde, mit wenig Aufwand, etwas Selbstgemachtes in ein Markenprodukt umgewandelt. Batikfärbungen waren populär und brachten etwas Abwechslung in den Alltag.

Der Charme der (Jeans)Hose – Sympathie mit den Alliierten

Auch wenn die Jeans in den 1960er Jahren noch als verpönt galt, schließlich kam sie ursprünglich aus Amerika, waren die Hosen von Wrangler, Lee oder Levis bei der Jugend so populär, dass laut einem Artikel des Magazins „Dookoła Świata (Um die Welt herum) aus dem Jahre 1971 die polnische Jugend gern Jeans trug. Maßgeblich dazu beigetragen hat auch die schlechte Qualität der heimischen Produktion und eine Auswahl an eher unmodischen Schnitten der polnischen „Texaner“ (teksasy). Das Jeansmaterial mit demselben Namen war zwar dick, trug sich aber unbequem und war bei weitem nicht so robust wie das der amerikanischen Marken.

1971 erlaubte der Staat, dass Mädchen lange Hosen in der Schule tragen dürfen. Anfangs war das nur für die Wintermonate gedacht und die Farbe der genehmigten Hose musste neutral sein. Für Frauen galten lange Hosen weiterhin als skandalös. Das Festhalten an den Kleidern lag primär an konservativen Einstellungen innerhalb der Gesellschaft. Erst die Popularität der Jeans und manch eine*r Modedesigner*in, die*der sich gegen die veralteten Konventionen aufzulehnen vermochte, machten lange Hosen salonfähig.

Läden, die T-Shirts oder Hemdblusen mit dem Aufdruck „Hoffland“, ausgeschmückte alte Hemden – oft auch „Opas Hemd“ (koszula dziadka) genannt – oder Hemdkleider auf Lager hatten, wurden gestürmt. Ebenso beliebt waren Parkas, Nylonmäntel und kurze Jacken im Militärstil. Damit wollten junge Menschen ihr Sympathie gegenüber den amerikanischen oder britischen Alliierten äußern. In den 70ern waren deshalb auch Kleidungsstücke mit Camouflage-Mustern oder in Khaki-Farben besonders gefragt.

Die Mode in der Volksrepublik Polen spiegelte die widersprüchlichen Verhältnisse der Politik wider. Während die Bevölkerung und Designer*innen mit Mängeln und Unfreiheit lebten, wurde der Wohlstand mit der Mode propagiert und gleichzeitig kritisiert.


Foto: Soviet Artefacts