Die Zeiten von Springerstiefeln, Bomberjacke und Glatze sind vorbei. Die Kleidung der rechtsextremen Szene in Deutschland hat sich seit den 80er- und 90er Jahren stark gewandelt. Eine wichtige Rolle spielen dabei Symbole, Codes und rechte Modelabels. 

Der Onlineshop des rechtsextremen thüringer Aktivisten und ehemaligen NPD-Politikers Tommy Frenck lässt die Herzen „klassischer“ Neonazis höher schlagen. T-Shirts mit der Aufschrift „Stolzer Germane“, Federmäppchen für Kinder bedruckt mit „Deutschland meine Heimat“, im Hintergrund die schwarz-weiß-rote Reichsflagge samt Reichsadler, und sogar Babybodies mit dem Aufdruck „I love HTLR“. Rechte Onlineshops wie die von Tommy Frenck bieten Neonazis eine Vielzahl von Artikeln mit rechtsextremen Sprüchen, Symbolen und Codes.

„88“ und die „schwarze Sonne“

Und dennoch sei es heutzutage schwierig, Neonazis direkt zu erkennen, sagt die Journalistin Kira Ayyadi, die für Belltower News, der Nachrichtenplattform der Amadeu Antonio Stiftung, schreibt. Sie beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit rechtsextremen Codes und Symboliken. „Es gibt natürlich noch immer Teile der Szene, die ihre Ideologie ganz offen durch rechtsextreme Symbole zur Schau stellen. Diese muss man dann auch erst einmal kennen und zu deuten wissen“, sagt Ayyadi.

Rechte Codes wie 88 (für „Heil Hitler“) oder 18 (für „Adolf Hitler“) sowie Symbole wie die „schwarze Sonne“ als vervielfältigtes Hakenkreuz spielen eine zentrale Rolle in der Mode der rechtsextremen Szene. Sie dienen als Erkennungsmerkmal für Neonazis untereinander und vermitteln ein Gemeinschaftsgefühl — auf Demonstrationen, Veranstaltungen, aber auch im alltäglichen Leben.

Das Versteckspiel der rechtsextremen Szene 

Da Symbole wie das Hakenkreuz oder die „SS-Rune“ in Deutschland verboten sind, wandeln Rechtsextremist*innen ihre Zeichen, Begriffe und Grußformeln ab und verschlüsseln sie in Ersatzsymbolen, Codes und Zahlenkombinationen, um sie der strafrechtlichen Verfolgung zu entziehen.

Seit 2002 gibt die Agentur für soziale Perspektiven e.V. die Broschüre „Versteckspiel — Lifestyle, Symbole und Codes von neonazistischen und extrem rechten Gruppen“ heraus, in der sie über 200 Symbole, Codes und Schlagworte der rechtsextremen Szene informiert und ihre Ursprünge und Entwicklungen erklärt. Auch die Website des Projektes bietet einen umfangreichen Einblick in den vielfältigen Lifestyle der extremen Rechten.

Rechte Symboliken und das Strafrecht

Immer wieder werden Stimmen nach einem umfassenderen Verbot von Symbolen und Codes der Rechtsextremist*innen laut. Erst im vergangenen Sommer einigte sich die damalige Bundesinnenministerkonferenz auf einen Erlass, der das Tragen der Reichsflagge und ihre abgewandten Formen im Kontext rechtsextremer Proteste, Aufmärsche und Demonstrationen verbietet. Doch was in den betreffenden Paragraphen 130 („Volksverhetzung“) und 86a („Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen“) des Strafgesetzbuches (StGB) gesetzlich geregelt ist, ist in der juristischen Praxis häufig umstritten.

Dies trifft insbesondere auf den §86a StGB zu, der die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen verbietet. Die Verwendung ist jedoch nur dann strafrechtlich relevant, wenn die Gruppierung, die beispielsweise ein bestimmtes Symbol benutzt, verboten ist. Vor allem der Zusatz, wonach auch keine abgewandelten und „zum Verwechseln ähnlichen“ Symbole gezeigt werden dürfen, führt in der Realität zu eine uneinheitlichen Regelung und Rechtsprechung.

Das „Dilemma“ der Gesetzgebung

Auch Andreas Stegbauer, Jurist und Richter am Oberlandesgericht München, erkennt die Problematik der Kennzeichenvariationen. Er sieht den eigentlichen Gegenstand der Kontroverse jedoch woanders, nämlich in der „Frage der Strafwürdigkeit der Verwendung von Codes und szenetypischen Symbolen, die den tatbestandlichen Anforderungen an ein Kennzeichen mit Bezug zu einer bestimmten Organisation nicht genügen.“ Objektive Verwechslungsfähigkeit sei in diesen Fällen nicht gegeben, durchaus aber die Eignung, entsprechende Assoziationen hervorzurufen. „Die propagandistische Wirkung dürfte dabei die gleiche sein“, resümiert Stegbauer.

Es sei eine wichtige Aufgabe der Justiz in einem demokratischen Rechtsstaat, ihre Entscheidungen verständlich und die zugrundeliegenden Gedankengänge nachvollziehbar zu machen. Dennoch stehe die Gesetzgebung vor einem Dilemma. Einerseits sollten Normen so allgemein gefasst sein, dass sie die ganze Breite an Sachverhalten abdecken, auf die man ziele. Andererseits müssen sie so konkret formuliert werden, dass sowohl für den Rechtsanwender als auch für den Adressaten klar werde, was tatbestandsmäßig sei und was nicht. „Im Strafrecht besteht dieses Problem in verschärftem Maße“, so Stegbauer.

Verbote ohne strafrechtliche Verfolgung? 

Die Journalistin Kira Ayyadi lehnt Verbote aus zwei Gründen ab. Zum einen, weil die rechtsextreme Szene immer einen Weg fände, ihre Symbole abzuändern und der strafrechtlichen Relevanz zu entziehen. Zum anderen müsse, sollten rechte Codes und Symbole verboten werden, das Tragen dieser eine strafrechtliche Verfolgung nach sich ziehen.

Das sehe Ayyadi jedoch bereits jetzt nicht: „Ich war vor kurzem auf einer rechten Demonstration, bei der ein Teilnehmer ein T-Shirt der in Deutschland verbotenen terroristischen Vereinigung ‚Blood and Honour‘ trug. Ich habe das einem Polizisten gesagt, dieser ist jedoch nicht dagegen vorgegangen.“ Ein solches Verhalten von Polizist*innen auf Demonstrationen von Rechtsextremist*innen habe die Journalistin schon sehr häufig erlebt.

Modemarken für die breite Masse 

Doch Ayyadi stelle auch fest, dass immer mehr Menschen rechte Codes und Symbole einordnen können. Das habe auch einen Einfluss auf die rechtsextreme Szene: „Werden die Symbole so deutlich zur Schau gestellt, kann das beispielsweise zu Sanktionen durch die Zivilgesellschaft führen oder zum Verlust des Arbeitsplatzes, wenn sich Kollegen beschweren“, so Ayyadi.

Genau aus diesem Grund wenden sich Teile der rechtsextremen Szene, insbesondere die Neue Rechte, davon ab, ihre rechtsextreme Gesinnung so deutlich nach außen zu tragen. Das „klassisch“ rechtsextreme Auftreten stört das Image des Bürgerlichen, das etabliert werden soll. Die Alternative: Neurechte Modelabels, deren rechtsextreme Ideologie nach außen hin nur schwer erkennbar ist.

„Es gibt einige Labels, die eigentlich ganz schick aussehen und einen popkulturellen Bezug haben. Die Modemarken der Neuen Rechten sind eher an ein hippes Publikum gerichtet, Polohemden, moderne Sachen eben, um sie auch der breiten Masse zugänglich zu machen“, so Ayyadi.

Rechte Kleidung auf Demonstrationen 

Auch der Reporter und Autor Julius Geiler, der seit zwei Jahren insbesondere rechte Demonstrationen und Proteste begleitet, beobachte, dass sich die rechte Szene um ein modernes und zeitgemäßes Auftreten bemühe: „Insbesondere seit dem Phänomen der ‚Autonomen Nationalisten‘ Anfang der 00er Jahre gleicht der Kleidungsstil der Rechtsextremisten in vielerlei Hinsicht jener, der linken und linksradikalen Szene. Bei dem traditionellen rechten Gedenken an die Bombenangriffe auf Dresden in diesem Jahr trugen dutzende Teilnehmende teure ‚North Face‘- oder ‚Columbia‘-Jacken sowie ‚New Balance‘-Schuhe“, erzählt Geiler.

Gerade im Kontext von Demonstrationen und Protesten gebe es häufig wiederkehrende Modemarken in der rechtsextremistischen Szene. Neben den eigenen Modelabels wie „Thor Steinar“, „Consdaple“, „Ansgar Aryan“ oder „Erik and Sons“ missbrauchen Rechte außerdem Labels wie New Balance, Lonsdale oder Fred Perry, die sich gegen eine rechte Vereinnahmung bewusst wehren.

Die Vielfalt rechter Labels 

Geiler weist außerdem auf die zunehmende Bedeutung von regional und lokal verankerten Firmen der rechten Szene hin. Exemplarisch nennt er das Cottbuser „Label 23“, welches es geschafft habe, sich in der berüchtigten Cottbuser Mischszene aus kriminellen Rockern, Security- und Türsteherstrukturen sowie rechtsextremen Hooligans von Energie Cottbus zu etablieren. Die Folge: Pullis und Shirts von “Label 23” werden auf rechten Demonstrationen, von Türstehern und eben auch im Stadion getragen. Das trage laut Geiler zur Normalisierung bei.

Eine Verknüpfung verschiedener Teile der rechtsextremen Szene durch rechte Mode sieht auch die Journalistin Kira Ayyadi, besonders im Sportbereich: „Wir erleben gesellschaftlich gerade so einen Fitness-Boom, der alle Bereiche des Lebens umfasst. Auf diesen Fitness-Boom sind auch Neonazis aufgesprungen und haben entsprechende Kleidungsmarken entwickelt. Outdoor-Bekleidungsmarken oder Kleidungsmarken, die sich eher an ein Kampfsport- oder Hooligan-Publikum richten. Es gibt eine wahnsinnig große Palette an rechtsextremen Sportkleidungsmarken, doch nicht alle sind auch als solche zu erkennen.“

Die Bedeutung von Modelabels für die rechtsextreme Szene 

Nicht immer ist es einfach, rechte Mode auch als solche zu identifizieren. Die Vielfalt der rechtsextremen Szene spiegelt sich in gleichem Maße in ihrer Kleidung wieder. Und doch haben viele rechte Modelabels einen entscheidenden Zweck: Die Mitfinanzierung der rechtsextremen Szene durch ihre Einnahmen.

„Natürlich wollen die Betreiber Geld verdienen und ihre Familien und gegebenenfalls ihre Kamerad*innen finanziell unterstützen. Wir gehen aber davon aus, dass große Teile der Einnahmen wieder in die Szene zurückfließen. Genauso wie das bei rechtsextremen Konzerten und anderen rechten Events der Fall ist“, erklärt Ayyadi.

Bei Unsicherheit, ob man selbst im Begriff ist, problematische Kleidung zu kaufen oder Kommiliton*innen, Kolleg*innen oder Fremde in einem T-Shirt einer bestimmten Marke oder mit einem bestimmten Symbol sieht, empfiehlt Ayyadi einen Blick in das Impressum und eine kleine Onlinerecherche. So lasse sich schnell verifizieren, ob es sich um rechte Mode handelt.

„Natürlich kann nicht jeder ein Profi für rechte Symboliken sein, das erwartet auch niemand. Am besten ist es, einfach auf das eigene Gefühl zu hören und diesem nachzugehen“, so die Journalistin.


Foto: Antifaschistisches Nachrichtenportal Niedersachsen / flickr