Mit der Verfilmung des Romans „Konklave“ gelingt dem deutschen Regisseur Edward Berger nicht nur ein spannender Thriller – Er trifft auch den Zeitgeist und könnte damit bei den Oscars abräumen.

Wenn in Rom ein Papst stirbt, ist das der Startschuss für eines der mystischsten und medial meistbeachteten Rituale der Welt – das Konklave. Edward Berger nimmt uns in seinem Thriller mit in diese geheimnisvolle Welt des Vatikans, voller Geheimnisse und Wendungen. An der Seite von Kardinal Lawrence (Ralph Fiennes), dem Leiter des Konklaves, verfolgen wir das Geschehen in Rom.

Spannung in geregelten Bahnen

Die ersten drei Viertel des Filmes verlaufen in spannenden, in ihrer Erzählstruktur aber nicht revolutionären Bahnen. Hinter verschlossenen Türen ringen Hardliner wie Progressive um die Gunst der anderen Kardinäle. Währenddessen scheidet ein Favorit nach dem anderen aus dem Rennen aus, nachdem immer neue Geheimnisse ans Licht kommen: Kardinal Adeyemi hatte als junger Priester ein Kind mit einer Nonne gezeugt, Kardinal Tremblay hat einige Kardinäle bestochen, um für sich selbst Stimmung zu machen. So kommt Konklave zunächst als kurzweiliger Politthriller daher, in dem sich hinter jeder Ecke eine weitere unvorhergesehene Wendung verbirgt.

Da die Progressiven um Lawrence und den von ihnen favorisierten Kandidaten Kardinal Bellini (Stanley Tucci) von alledem nicht zu profitieren scheinen, sieht alles nach der Wahl des erzkonservativen Kardinal Tedesco aus. Nachdem Rom von einem Terroranschlag heimgesucht wird und auch das Konklave unterbrochen werden muss, fordert Tedesco die versammelten Kardinäle dazu auf, mit ihm als Papst in einen Krieg gegen den Islam zu ziehen. Doch ihm stellt sich der geheimnisvolle Kardinal Benitez entgegen, der stattdessen für Frieden und Verständigung zwischen den Religionen wirbt und damit im nächsten Wahlgang tatsächlich gewählt wird.

Die vorhersehbare Wahl

So endet das Konklave leider mit einem Papst, der sich von Anfang an abgezeichnet hat. Kardinal Benitez wird während des gesamten Films als großer Außenseiter stilisiert. Bereits seine Ankunft beim Konklave wird zum Ereignis, da er vom verstorbenen Papst ohne das Wissen der restlichen Kirche zum Kardinal erhoben wurde. So musste den Zuschauer*innen schnell klar werden, dass dieser Mann eine besondere Rolle spielen sollte. Im weiteren Verlauf präsentiert sich Benitez als Christ reinen Herzens, dem die politischen Machenschaften des Vatikans völlig fremd sind. Somit kann seine Wahl die Zuschauer*innen nicht überraschen, eine kleine Enttäuschung für die sonst hervorragend aufgebaute Spannung.

Ein vieldiskutiertes Ende

Die große Pointe des Films kommt aber ganz zum Schluss. Erst kurz nach der Wahl findet Lawrence heraus, dass Benitez vor einiger Zeit eine Operation zur Entfernung seiner Gebärmutter und Eierstöcken abgesagt hatte. Der neue Papst, der von aller Welt als Mann gesehen wird und sich auch als solcher identifiziert, besitzt also auch weibliche Geschlechtsteile und ist somit intergeschlechtlich. Mit dieser finalen Wendung schafft der Film nicht nur einen Kommentar zur allgemeinen Rolle der Katholischen Kirche im 21. Jahrhundert, er trifft auch den aktuellen Zeitgeist der Diskussionen um Gender und sexuelle Identität.

Ob diese finale Pointe notwendig gewesen wäre, steht auf einem anderen Blatt. Der Film, der sich in den ersten drei Vierteln wie ein zeitloser Klassiker mit herausragender Kinematographie und spannenden Wendungen präsentiert, wird so für immer als ein Produkt des Zeitgeistes der frühen 2020er Jahre erkennbar bleiben. Ob Konklave somit in 30 Jahren als ein mutiger Kommentar vor seiner Zeit oder als peinliche Modeerscheinung angesehen wird, muss die Zukunft zeigen. 

Einigkeit sollte allerdings darin bestehen, dass das Ende viel zu schnell kommt. Während der Film sonst von seiner langsamen Erzählstruktur profitiert, wo jedes Detail von Bedeutung ist, werden die Zuschauer*innen durch diese finalen Wendungen in gerade einmal fünf Minuten gehetzt. Somit bleibt nach dem Laufen des Abspanns ein fader Beigeschmack zurück, selbst wenn man kein Problem mit der Idee eines intergeschlechtlichen Papstes hat. Gleichzeitig spricht dies aber auch für die großartige Vorarbeit, die Konklave leistet, bei dem einzig die Landung einen Wackler darstellt.

Reicht das für die Oscars?

Zumindest kurzfristig scheint Konklave jedenfalls bei den Kritiker*innen Anklang zu finden. Bei den Golden Globes wurde der Film gleich sechsmal nominiert, konnte allerdings nur den Preis für das beste Drehbuch gewinnen. Auch bei den Oscars gehört er mit acht Nominierungen zu den meistbeachteten Filmen in diesem Jahr, auch wenn Konklave nur selten ganz oben auf der Favoritenliste steht. So ist es wahrscheinlich, dass Ralph Fiennes auch dieses Mal keinen Oscar gewinnt. Bereits 1993 hätte er sich in seiner Rolle als KZ-Wächter Amon Göth in Steven Spielbergs „Schindlers Liste“ diese Auszeichnung verdient und auch seine Leistung als innerlich zerrissener Kardinal Lawrence ist eine der herausragendsten schauspielerischen Leistungen des Jahres. Doch wer weiß, vielleicht hält auch die Oscarwahl einige unvorhersehbare Wendungen parat.

 

Foto © LEONINE Studios.