Auf das Netflix-Riesenprojekt, den erfolgreichen Anime One Piece als Live-Action-Serie zu verfilmen, wurde skeptisch gewartet. Warum Anime-Verfilmungen nicht so verteufelt werden sollten und die Serie trotz Kritik sehr gut gelungen ist.
Es gibt gute und schlechte Piraten. Diejenigen, die Menschen ausrauben und skrupellos herrschen und die, die ihren Träumen von Freiheit nachjagen und die Meere bereisen. Monkey D. Luffy ist einer der letzteren Sorte und muss sich seinen Ruf als veritablen Piraten deswegen erst aufbauen. Seit er ein Kind ist, möchte er den größten Schatz der Meere finden, das One Piece. So begibt sich Monkey D. Luffy auf See. Sein einziges Manko: Er kann nicht schwimmen, weil er die Gum Gum Frucht gegessen hat. Seitdem besteht er aus Gummi und lässt sich endlos dehnen.
One Piece ist das erfolgreichste Medien-Franchise weltweit, es gibt keinen erfolgreicheren Manga
So viel zu Luffy. Viel zu der Piraten-Anime-Reihe muss vielleicht gar nicht mehr gesagt werden, denn es handelt sich nicht um ein nischiges Kulturprodukt, sondern um die umsatzstärkste Anime-Reihe der Welt, zu der auch eine erfolgreiche Anime-Serie gedreht wurde. Seit 1979 veröffentlicht Eiichirō Oda – der Manga-Zeichner, der die Fantasiewelt erschuf – regelmäßig neue Kapitel. Mittlerweile sind Luffys (im Deutschen Ruffy) Abenteuer über tausend Kapitel lang. Luffys Reise über die Meere und die Abenteuer seiner Crew, die sich ihm nach und nach anschließt, reißen viele Fans in den Bann. So viele Fans, dass Netflix viel Geld investiert hat, um die Serie den Erwartungen entsprechend zu verfilmen. Entsprechend hoch sind deswegen aber auch die Erwartungen an eine Live-Action Verfilmung. Rund 18 Mio. Euro wurden in eine Folge gesteckt. Kann das funktionieren?
Bei so viel Geld muss die Serie ja gut werden, es darf kein zu großes Risiko eingegangen werden, denn ein Flop wäre fatal. One Piece ist das erfolgreichste Medien-Franchise weltweit, es gibt keinen erfolgreicheren Manga. Da One Piece zusätzlich oft illegal als Scan im Internet gelesen wird, entsteht zum Beispiel auf Reddit – einem Forum, das zu unterschiedlichen Themen interessierte Communities anbietet – eine Fangemeinde, die sich unmittelbar über neue Kapitel austauscht. Auf Reddit zählt One Piece zu einer der erfolgreichsten Communities.
Nun läuft seit einigen Wochen eine der teuersten Produktionen von Netflix, eine Live-Action-Serie. Dass die Erwartungen entsprechend hoch waren – nicht nur von Seiten der Fangemeinde – war also vorhersehbar. Dass ebenso kritisch auf eine Live-Action Produktion geschaut wird, auch, besonders nachdem einige Live-Action Formate eher gefloppt sind, wie zum Beispiel die Legende von Aagn oder Dragonball. Hier jedoch entsteht eine unnötige Voreingenommenheit gegenüber Live-Action-Produktionen, die nicht per sé verteufelt werden sollten.
Das Reddit-Forum, sozusagen das Sprachrohr der westlichen Fangemeinde, hat die Adaption trotz der Skepsis sehr positiv aufgenommen
Gängige Kulturrezensionen größerer deutscher Zeitungen sind zumindest nicht enttäuscht. So richtig gelungen scheint die Live-Action-Adaption aber auch nicht zu sein. Die SZ bemängelt, dass Netflix ein völlig anderes Produkt erschaffen habe, obwohl der Manga-Zeichner maßgeblich mitentschied. Einziger Beweggrund von Netflix sei der Ertrag, weswegen so viel Geld in die Produktion gesteckt wurde. Das Resultat: Ist natürlich anders als der Anime, denn Animes lassen sich sowieso nicht äquivalent adaptieren. Soll aber der Anspruch sein, dass eine Live-Action Serie, die mit echten Menschen für eine vielleicht neue Zielgruppe dargestellt wird, sich aber getreu an eine Vorlage hält? Es handelt sich hier schließlich um eine andere Darstellungsform mit anderen Möglichkeiten und Grenzen. Folglich unverständlich erscheint die Erwartungshaltung, dass es so sehr dem Anime zu entsprechen hat. Etwas positiver fällt die Besprechung der FAZ aus, die immerhin die Kreativität und den Spaß-Faktor mit einbezieht. Schließlich hat das Reddit-Forum, sozusagen das Sprachrohr der westlichen Fangemeinde, die Adaption trotz der Skepsis sehr positiv aufgenommen.
Den Anime-Charakter einzufangen ist herausfordernd
Den Anime-Charakter einzufangen, ist eine Herausforderung. Das gesamte World-Building hat bei OnePiece aber funktioniert. Warum sich nun darüber aufgeregt wird, dass die Serie nun doch anders als der Anime ist, erscheint unangemessen. Es handelt sich schließlich um eine Live-Action Adaption, die offensichtlich nicht 1:1 dem Anime entsprechen kann und dessen Humor durch andere filmische Mittel ausgleichen muss.
One Piece ist garantiert keine perfekte Serie. So wird der Fokus zum Beispiel durch die Musik verschoben, die zu laut abgemischt ist. Gelungen ist die Serie aber auf jeden Fall. Schließlich wurde penibel darauf geachtet, den Anime-Zeichner des OnePiece-Universums miteinzubeziehen. Angemerkt sei auch, dass aktuell besonders Kulturprodukte aus dem asiatischen Raum gehyped sind und zu den erfolgreichsten Produkten von Netflix zählen (u.a. Squid Game). Animes in einer neuen Form zu adaptieren und für eine neue Zielgruppe darzustellen, bietet außerdem auch Chancen und Möglichkeiten. Zum Beispiel neuen Leser*innen die Anime-Welt nahezubringen.
Foto: Elena Theodoridou @Unsplash