teensexonline.com
Home Gesellschaft AfD-Parteitag in Riesa: Zwischen Raves gegen Rechts und Polizeigewalt

AfD-Parteitag in Riesa: Zwischen Raves gegen Rechts und Polizeigewalt

Nach dem Auftakttreffen der Studis Gegen Rechts Anfang des Semesters, der Einberufung einer studentischen Vollversammlung und Tagen gefüllt mit Aktionstraining für Blockaden und Demonstrationen, fahren Busse mit Student*innen am 11. Januar nach Riesa, um den dort stattfindenden Bundesparteitag der AfD zu verhindern. Die UnAuf war mit dabei:

Durch laute Rufe ist der Slogan „Es gibt kein Recht auf Nazi-Propaganda“ in den Morgenstunden des 11. Januars in allen Straßen der sächsischen Kleinstadt Riesa zu hören. Volle Busse und überfüllte Regionalbahnen bringen Minute um Minute immer mehr Menschen aus ganz Deutschland an den viel zu kleinen Bahnhof der Stadt. 

Die erste Hürde: Sich einen Überblick über die Situation verschaffen. Wer ist aktiv daran beteiligt, die Straßen zu blockieren, damit der AfD-Parteitag nicht stattfinden kann? Wer demonstriert nur? Eine Mitarbeiterin des örtlichen Pflegezentrums behauptet: „Um zum Sportzentrum zu kommen“, in dem der Bundesparteitag stattfinden soll, hättet ihr schon gestern da sein müssen. Jetzt gibt es keine Chance mehr.“ Bei einer großen Ansammlung von Demonstrant*innen, die sich vor dem Bahnhof positioniert hat, verhärtet sich die Annahme, alles sei bereits abgesperrt. Aber der Versuch, einfach an ihr vorbei zu laufen, zeigt: Es gibt doch noch eine Möglichkeit, zum Sportzentrum zu gelangen. Auch die Polizei scheint überfordert mit dem Menschenandrang und der Frustration der Demonstrant*innen über die abgesperrten Straßen zu sein: „Immer diese scheiß Diskutierer, jetzt geht doch einfach weiter”, so ein Polizist auf der Straße Richtung Haupt-Demonstration. 

Bei näherer Betrachtung gliedert sich die gesamte Protestaktion des Bündnis Widersetzen, dem auch die Studis gegen Rechts angehören, in zwei voneinander getrennt ablaufende Veranstaltungen: Zum einen die Blockade, die dem eigentlichen Ziel dienen soll, die Bundesstraße B169 zu blockieren, damit die AfD-Politiker*innen nicht zum Sportzentrum Riesas, gelangen können. Zum anderen die weitgehend friedliche Demonstration, die am Sportzentrum ihren Abschluss findet. 

Die gesamte Stadt wirkt so, als sei sie eine Filmkulisse für den Showdown des Plans, den Bundesparteitag zu verhindern. Das einzige Leben, das sich in den Straßen Riesas abspielt, geht von den Menschen aus, die aus ganz Deutschland für diesen einen Tag nach Riesa gekommen sind. Geschäfte sind geschlossen und Bewohner*innen verirren sich nur dann aus dem Alltag in den Protest, wenn sie bei dem Versuch zu ihrem Wohnhaus zu gelangen, mit der auf die gesamte Stadt verteilten Demonstrationen zusammenstoßen. „Hier muss jemand durchgelassen werden“, schreit eine Demonstrantin einer auf der Straße sitzenden Personengruppe zu, nachdem ihr die eben aus ihrem Auto gestiegene Frau mit erschrockenem Gesicht erklärt, dass das ihr Weg nach Hause sei. 

Auf dem Weg zum Sportzentrum, der laut des Widersetzen-Livetickers, so umständlich wie möglich von der Polizei gewählt sei, um die Ankunft der Demonstrant*innen möglichst weit zu verzögern, hat sich eine Gruppe von Omas Gegen Rechts positioniert. Auf die Frage, warum sie hier seien, antworten sie: „Die Demokratie darf nicht von Leuten unterhöhlt werden, die meinen, es brauche nur eine harte Hand, um die Probleme im Land zu lösen. Wir dürfen uns den Rechtsruck aus den anderen Ländern nicht abschauen.“ Laut ihnen dürfe kein Land aufhören, für sich zu kämpfen.

Um 10:22 Uhr: Die Telegram-Gruppe der Studis gegen Rechts liefert die Information, dass die Halle des Sportzentrums noch leer sei. Die AfD-Politiker*innen haben es also trotz des geplanten Starts um 10 Uhr noch nicht zum Bundesparteitag geschafft.

Rave gegen Rechts

Am Sportzentrum wird die zuvor noch angespannte Stimmung schnell durchbrochen. Hunderte Demonstrant*innen versammeln sich um die große Bühne. Ein Sänger steht vor einer riesigen Fahne, auf der die Aufschrift  „Kein Bock auf AfD“ zu erkennen ist. 

Laute Musik dröhnt über den gesamten Platz und während ein Teil der Protestierenden „Fck-AfD“ Fahnen in die Höhe schwingt und antifaschistische Parolen grölt, tanzen andere Demonstrant*innen ausgelassen zu Techno-Beats – Im Hintergrund die WT Energiesysteme Arena, in die AfD Politiker*innen vergeblich versuchen zu gelangen.

Ein paar Straßen von den aufgeladenen Sitzblockaden und brutaler Polizeigewalt entfernt können sich Protestierende an kleinen Ständen, wie dem Deutschen Gewerkschaftsbund, Tee oder Speisen zum Aufwärmen holen. Auch politische Jugendorganisationen, wie die Jusos schließen sich der Demonstration an, um Antifaschist*innen im Osten zu unterstützen und um ein Zeichen gegen Rechts zu setzen“, so Mandana Bayat, Vorstandsmitglied der NRW-Jusos. 

Kritiker*innen der Proteste gegen den AfD-Parteitag argumentieren, dass auch die AfD ein Recht auf Versammlungsfreiheit habe. Für Maximilian Lykissas, ebenfalls Vorstandsmitglied der NRW-Jusos, ist jedoch klar: Faschistische Strukturen haben dieses Recht nicht, da sie auf Hass und der Zerstörung von Minderheiten beruhen.“

Nachdem jegliche Energie aufgebraucht ist und es sich nur noch schwierig in der Januarkälte aushalten lässt, gestaltet sich der Rückweg zum Bahnhof mit Hürden. Es beginnt ein Irrweg durch das Labyrinth Riesa mit ständigen polizeilichen Absperrungen, die in diesem Fall ein Dead End darstellen und die dazu zwingen, nach neuen Wegen zu suchen. So ist es auch nicht überraschend, dass der rettende Ausweg aus dem Labyrinth schließlich mit einer abenteuerlichen Kletteraktion über einen Zaun gelingt. 

Auf dem Weg sitzen Studis gegen Rechts auf der Straße, die ehemals Teil der Blockade der B169 waren oder diese zumindest beobachten konnten. Sie seien Teil des pinken Fingers, was die Bezeichnung für die Berliner Ortsgruppe von Studis gegen Rechts ist. Andere Ortsgruppen hätten einen andersfarbigen Finger als Bezeichnung. Auf die Frage, ob sie Teil der Blockade gewesen seien, antworten sie sichtlich frustriert: Hat ja nichts gebracht. Wir waren nicht in der Blockade, sondern haben nur gesehen, wie die erste Reihe, also die Leute mit Plan, mitgenommen wurden.“ Das seien die Menschen gewesen, die auf der Bühne einen Redebeitrag geleistet hätten, wären sie bis dahin gekommen. Laut der auf der Straße sitzenden Studis gegen Rechts sei die Polizei brutal vorgegangen, habe viel gekesselt, Arme verdreht und sogar Pfefferspray eingesetzt. 

Erfolg oder Mission Failed?

Trotz aller Bemühungen der Demonstrant*innen und Aktivist*innen konnte der Bundesparteitag der AfD am 11. Januar mit zwei Stunden Verspätung stattfinden. Nun hängt die Frage im Raum: Ist die Protestaktion, die tausende Menschen aus ganz Deutschland nach Riesa gebracht hat, trotzdem ein Erfolg? Studis gegen Rechts äußert sich auf die Frage so: „Wir sehen die Aktion in Riesa als großen Erfolg für das Widersetzen-Bündnis, aber auch für uns Studis gegen Rechts.“ Bundesweit seien weit über 6000 Studis gegen Rechts in Riesa gewesen. Noch nie wurde ein Bundesparteitag der AfD so lange aufgehalten.“ 

 


Foto: Hannah Isabella Schlünder