Dienstag in der Hardenbergstraße 34. Zusammen mit mehreren Studierenden laufe ich, meinen Zeichenblock unter den Arm geklemmt, zum Freiraum des Berliner Studentenwerkes. Wir wollen etwas zeichnen, was man eigentlich tagtäglich auf großen Plakatleinwänden sehen kann: einen Körper – nur eben einen nackten.

Die Stühle stehen im Halbkreis. Dazwischen liegen mehrere Decken ausgebreitet, in der Mitte sitzt das Model. Heute ist es eine Frau, das wechselt aber. Um Punkt sechs macht sich das Model frei. Es wird sehr ruhig, sodass man nur die Kohle auf Papier kratzen hört. In den nächsten zwei Stunden wechseln die Stellungen und deren Dauer. Zum Warmwerden gibt es kürzere Positionen von zehn Minuten. Zur Mitte hin werden die Stellungen länger und können bis zu zwanzig Minuten lang gehalten werden, womit sich die Möglichkeit bietet, das Modell und ihre Haltung, aus verschiedenen Perspektiven zu zeichnen. Zum Schluss kommt die Königsdisziplin: mehrere kurze Einstellungen hintereinander. Sie dauern eine Minute oder wenige Sekunden, was dem Model selbst überlassen bleibt. Als letztes führt unser Modell eine Tanzbewegung vor und stoppt dabei für kurze Zeichenpausen. Das ist besonders schwierig, weil man keine Zeit hat, auf sein Blatt zu schielen. Das Ergebnis ist dafür umso interessanter. Nach zwei Stunden halte ich zwanzig Zeichnungen in der Hand und bin ziemlich zufrieden, aber auch erschöpft. Vor dem Kurs war ich nervös, hatte ich doch noch nie einen nackten Menschen gezeichnet. Unbegründet, denn die Atmosphäre unter etwa Gleichaltrigen ist sehr angenehm. Sowieso hat das Nacktsein beim Aktzeichnen eine andere Bedeutung. Erotik oder Attraktivität sind nebensächlich, weil der Körper vorrangig als menschliche Landschaft aus Schatten, Falten und Muskellinien betrachtet wird. Übrigens: Wer sich weniger für das Aktzeichnen als für das Aktstehen interessiert, kann sich ebenso an das Studentenwerk wenden.

Freiraum des Berliner Studentenwerks

Voraussichtlich Di 17:30 – 19:30

Teilnahme unverbindlich und kostenfrei

Illustration: Setenay Bursali