Wie geht Studieren in anderen Ländern? Das berichten in jeder Ausgabe Redaktionsmitglieder von anderen Orten der Welt. Dieses Mal: Die Stadt Gaudís, Wiege vieler Künstler*innen und Inspiration für unzählige Schriftsteller*innen – Barcelona pulsiert schon seit einer Ewigkeit in einer musenartigen Leichtigkeit, überwältigender Imposanz und bedeutungsschwerer Geschichte.
Genauso zentral zu Barcelona gehören Meer, Sonne und rund 30 Millionen Auslandstourist*innen im Jahr. Die Metropole lässt keinen Zweifel: Die Hauptstadt Kataloniens ist es wert, gesehen zu werden. Mit ERASMUS+ gibt es die Möglichkeit, das mit einem Studienaufenthalt zu verbinden. Und so kann ich in das Leben in der Stadt eintauchen.
Barcelona ist eine ERASMUS-Hochburg, wie sich schnell herausstellt. Direkt an meinem ersten Tag lerne ich auch Menschen aus Berlin kennen. Zugegeben, einen Auslandsaufenthalt hatte ich mir nicht wie einen deutschen Reiseausflug vorgestellt. Aber zu Barcelona gehören die deutschen Touris nun mal dazu. Ich halte mich von typischen Erasmus-Netzwerken und Partys fern. Ich lerne schnell: Die kultige Atmosphäre, die Barcelona zu einer einzigen Riesenparty macht, stört vor allem die locals, aber eben nicht nur. Generell ist es sehr leicht, in einer Austauschstudi-Bubble zu bleiben. Besonders Menschen aus Katalonien zeigen sich gegenüber internationals nicht allzu aufgeschlossen. Vor allem, wenn diese kein Katalanisch sprechen.
Das Touri-Programm in Barcelona ist so vielseitig wie die Stadt selbst und kaum mit dem Besuch der Basilika Sagrada Familia oder dem Park Güell abgehakt. Das heißt aber auch: Alles, was sehenswert ist, wird ständig von Reisenden besucht.
Da ich wegen Klausuren an der HU erst zwei Wochen nach Semesterstart in Spanien anreisen konnte und die Universität in Barcelona mir vorher kaum Informationen weitergeleitet hatte, musste ich mich die erste Woche erst einmal selbst zurechtfinden. Die Fülle an Austauschstudierenden mit ähnlichen Problemen ist da eine gute Hilfe.
Ich bin überrascht von den Kursen, die entgegen meiner ursprünglichen Erwartungen sehr kritisch und modern gestaltet sind. Leider kann ich keinen Kurs auf Spanisch besuchen, da Barcelona sehr viel Wert auf die katalanische Sprache legt, die ich nicht spreche. Und so tummeln sich alle Auslandsstudierenden doch in den gleichen englischsprachigen Kursen.
Das historische Hauptgebäude der Universitat de Barcelona lässt mit einem imposanten Innenhof, welcher mit Springbrunnen, Säulenbögen und Orangenbäumen verziert ist, nicht zu wünschen übrig. Das Einzige, was ich (und all die anderen Deutschen) vermisse: eine Mensa.
Der Unterricht ist deutlich weniger akademisch und selbstständig gestaltet, es fühlt sich ein wenig an wie Schule. Hier wird die Anwesenheit kontrolliert, Mitarbeit benotet und über das Semester stehen nicht nur ein “Mid-Term” und ein “Final”, sondern auch Gruppenarbeiten, Vorträge und kleine Essays an. All das ist nötig, um den Kurs zu bestehen. Dazu kommt etwas latentes herzliches Chaos. Für mich etwas gewöhnungsbedürftig.
Mehr Zeit in einer Stadt bietet aber vor allem die Möglichkeit, abseits von Hotspots Erlebnisse zu sammeln. Durch die kleinen Gassen, über die Plätze und durch verschiedene urige Cafés und alteingesessene Bars zu schlendern erweckt die Stadt zum Leben, die in so viel Literatur wie Cervantes oder Zafón, und Musik von zum Beispiel Freddie Mercury oder Ed Sheeran inszeniert wurde.
Museen, Ausstellungen und Denkmäler erinnern nicht nur an die künstlerische Relevanz der Stadt, sondern auch an ihre faszinierende Geschichte. Neben intellektuell ansprechenden Kulturangeboten blüht in Barcelona das Nachtleben – von (typisch spanischen) Reggaeton-Partys über Jazzbars und Technoklubs zu dauerhaft stattfindenden Festivals.
Und: Barcelona hat eine sehr aktive linke Szene. Generell scheint die Stadt hochpolitisiert und das nicht nur wegen der konstant präsenten Diskussion über die Unabhängigkeitsbestrebungen Kataloniens. Der feministische Kampftag am 8. März. wurde hier sehr groß gefeiert. So fand ich mich auf einmal mitten in einer Demonstration wieder, die in der Hauptverkehrsstraße zwischen Gaudís Gebäuden entlangzog.
Die Stadt ist nicht so weitflächig wie Berlin und trotzdem kann schnell vergessen werden, dass Barcelona direkt am Meer liegt oder dass ein Auslandsstudium eben auch ein Studium ist. Zu verlockend sind die Angebote.
Generell ist Barcelona so reich an Kultur, Sehenswürdigkeiten und Aktivitäten, dass es kaum möglich ist, alles zu genießen. So nehme ich also mit, was mir am besten passt – dazu zählen auf jeden Fall die Vermouth-Bars – aus einer der zurecht meistbesuchten Städte der Welt.
Illustration: Lotte Marie Koterewa