Musik kann Menschen zusammenbringen, aber kann sie sie auch teilen? Am 3. August organisierte die Sprach- und Kulturbörse der TU Berlin eine Filmvorführung von „Whose Is This Song?“. Danach folgte eine Diskussion mit Experten aus dem Leibniz-Zentrum Moderner Orient (ZMO).
Der Film wurde 2003 von der bulgarischen Regisseurin Adela Peeva gedreht. Die Idee des Filmes entstand in einem Restaurant in Istanbul. Beim Abendessen mit Freunden aus unterschiedlichen Balkanländern wurde plötzlich ein Lied gespielt. Alle am Tisch kannten es, aber jeder war überzeugt gewesen, dass das Lied aus seinem eigenen Land kommt. Um dem Ursprung des Liedes auf die Spur zu kommen, reiste Peeva im Film in die Türkei, nach Griechenland, Nordmazedonien, Albanien, Bosnien, Serbien und Bulgarien. In jedem Land stellte sie den Musikexperten und Menschen auf der Straße die gleiche Frage: Wem gehört das Lied?
Fast alle Befragten im Film sind der Meinung, dass das Lied aus ihrem eigenen Land stammt. Die Filmhelden versuchen durch das Lied etwas über ihre eigenen Länder zu erzählen. Ein Albaner erklärt, das Lied sei ein Beweis, dass seine Landsleute ihr Leid in Schönheit wandeln können, ein Mazedonier, dass es zeige, dass sein Land zu viel mit seiner Geschichte beschäftigt ist. Ein Bosnier erzählt, dass das Lied die westliche und östliche Kultur verbinde. Das Gespräch mit den Serben endet dagegen beinahe mit Handgreiflichkeiten, als die Diskussion schnell politisch wird.
Können alte Wunden heilen?
„Ist es wirklich wichtig, wem dieses Lied gehört?“, fragte jemand in der Diskussion nach dem Film. Gleich nach dem Zerfall Jugoslawiens war es für die Südosteuropäer keine banale Frage. Die Filmhelden sind vorwiegend aus der älteren Generation, die sich gut an den Krieg erinnern. Junge Generationen machen jetzt neue Erfahrungen im Zeitalter der fortschreitenden kulturellen Vereinheitlichung. Dr. David Leupold betont: Wenn wir an junge Menschen denken, die heutzutage mit TikTok aufwachsen, ist diese ältere Generation vielleicht die letzte, für die sich Nationalismus in Kultur manifestiert.
Der Film hatte auch seine Kritiker. Eine Person warf ihm vor, dass er Nationalismus nur als ein Problem der ärmeren Bevölkerung darstelle. Die Regisseurin interviewt tatsächlich vor allem Menschen auf dem Land und in kleineren Städten. Die Kamera richtet sich oft in Richtung alte Dorfhäuser, altmodische Innenräume und typische bäuerliche Szenen.
Ein anderer Vorwurf lautete, dass die Regisseurin Menschen mit einem provokativen Vorhaben anspricht, indem sie gleich am Anfang verkündet, was sie über das Lied von Menschen aus anderen Ländern gehört hat. Damit erschafft sie eine provokative Atmosphäre, in der die Befragten mitunter aggressiv antworten. Schließlich wurde auch darüber diskutiert, ob der Film das Klischee verstärkt, dass Menschen aus Südosteuropa ständig gegeneinander kämpfen – und zwar um dumme Kleinigkeiten.
Wie auch banal das klingen mag, brachte doch „Whose Is This Song?“ an jenem Abend alle zusammen. Es war deutlich, dass die Veranstalter mit so einem großen Interesse nicht gerechnet haben. Im Publikum gab es Menschen aus der Türkei und Südosteuropa, die während des Films über sich selbst lachten. Die Veränderung ist also vielleicht schon da.
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