Die Besetzung des Emil-Fischer-Hörsaals an der HU Berlin geht in die nächste Runde. Unipräsidentin Julia von Blumenthal wagte sich in den Dialog mit den Besetzer*innen, konnte aber keine Einigung erzielen. Der Hörsaal bleibt voraussichtlich bis Samstag besetzt.

Seit dem 02. Mai ist der Hörsaal am Campus Nord der Universität besetzt, die UnAuf berichtete bereits. Lou, eine Pressesprecherin der Besetzer*innen, erklärte gegenüber der UnAuf am 03. Mai, man habe eine „gute Nacht“ gehabt. Bei den angebotenen Workshops seien etwa 30 Personen anwesend gewesen. Probleme mit der Polizei habe es keine gegeben.

Das Universitätspräsidium hatte am 02. Mai erklärt, es „dulde“ die Besetzung für 24 Stunden. Am 03. Mai um 16 Uhr erschien deswegen die Präsidentin Julia von Blumenthal in Begleitung von Niels Helle-Meyer, dem Vizepräsidenten für Haushalt an der HU im besetzten Hörsaal, um über die Forderungen der Besetzer*innen zu diskutieren.. Ihnen gegenüber saßen bei dem Podiumsgespräch drei Besetzer*innen. Das Gespräch wurde moderiert von Franziska Wessel, der studentischen Referentin für Ökologie.

Frage nach der Zuständigkeit

Die zentralen Forderungen der Aktivist*innen wurden gut lesbar auf der Hörsaal-Tafel festgehalten: Verbindlichkeit (das heißt Sanktionierung) des Klimaschutzkonzeptes der HU, Verlängerung der Öffnungszeiten des Grimm-Zentrums, mehr studentisch verwaltete Räume, sowie eine Überarbeitung der Zivilklausel der HU.

Am Klimaschutzkonzept der HU kritisierten die Aktivist*innen konkret, dass eine Sanktionierung der Einhaltung fehle. Das gelte es zu ändern. In diesem Konzept sind 14 Projekte aufgeführt, die zu einer klimaneutralen HU führen sollen. Die Präsidentin erklärte, dass der Akademische Senat eine solche Sanktionierung beschließen müsse – es stehe schlicht nicht in ihrer Macht. Niels Helle-Meyer fügte an, dass Strafen nicht unbedingt zum Erfolg führen müssten. Ihm sei ein „wertebasiertes Management“ lieber. Nichtsdestotrotz sagte die Präsidentin zu, dass die Leitung der Universität die erste Forderung als verbindlich ansehe.

Über das Grimm-Zentrum erklärte Frau von Blumenthal, dass es dieses „energiemäßig gar nicht geben“ dürfe. In der Vergangenheit sei aufgrund „laxer Energievorgaben“ schlecht gebaut worden, dementsprechend sei das Zentrum „nicht energieeffizient“. Es gebe beim Herunterfahren des Gebäudes einen „substantiellen Einspareffekt“ von CO2. Sie akzeptierte die Forderung der Aktivist*innen allerdings mit einer Einschränkung: Das Grimmzentrum werde sobald wie möglich zwischen zehn und zwölf Uhr nachts wieder offen sein. Es werde jedoch für ein halbes Jahr „evaluiert“, wie viele Student*innen das Zentrum um diese Zeit tatsächlich nutzen würden. Dann erst solle final entschieden werden, ob die alten Öffnungszeiten des Zentrums tatsächlich beibehalten werden sollten.

Daran schloss sich auch die Forderung nach mehr studentisch verwalteten Räumen an. So seien Seminarräume „oft nicht ausgebucht“, sodass keine Möglichkeit einer effizienten Nutzung bestehe. Darin bestehe aber auch das Potenzial, eine größere Auswahl für studentische Räume zu bieten. . 

Auch dieser Forderung kam Julia von Blumenthal zum Teil nach. Es werde bereits das Tool HISinOne eingeführt, um die Räume voll auslasten zu können. Die Technische Abteilung sei allerdings bereits stark überlastet, dies könne also noch dauern. Der Vizepräsident für Haushalt merkte an, dass gerade eine Umgestaltung von Räumen, damit diese von Student*innen als soziale Räume genutzt werden könnten, schwierig sei. Die HU habe „Sanierungsstau im Wert von einer Milliarde“, und solche Räume bedürften erst einer solchen Sanierung. Es werde jedoch über ein neues Nutzungskonzept nachgedacht. 

Verhärtete Fronten

Ein längerer Streitpunkt war auch die Forderung nach einer Änderung der Zivilklausel der HU. Die Besetzer*innen fordern genauer, dass die HU „rein zivile Forschung“ betreiben solle, und keinerlei Projekte mit Verbindung zur Rüstung erlauben dürfe. Dabei gehe die TU (Technische Universität) Berlin durch eine bereits ausgearbeitete, ausführliche Zivilklausel „mit gutem Beispiel“ voran.

Auf die Frage der UnAuf hin, warum sich diese Forderung auf einem klimapolitischen Protest finde, erklärte die Pressesprecherin Lou, das Bündnis verstehe sich dezidiert nicht als klimapolitisches Bündnis, sondern habe ein „intersektionales Gerechtigkeitsverständnis“. Man richte sich unter anderem gegen Krieg. 

Auch die Frage der Zivilklausel, so Präsidentin von Blumenthal, müsse im Akademischen Senat geklärt werden, sie sei nicht direkt dafür zuständig. Überdies sei dies „nicht nur eine Frage von Bürokratie“, sondern auch eine „Frage der Ethik in der Forschung“. Es berühre die Wissenschaftsfreiheit, wenn bestimmte Forschungsprojekte einfach verboten würden. Gerade bei „dual use“-Forschung sei dies besonders schwierig. „Dual Use“ bezeichnet Forschung, die sowohl im zivilen als auch militärischen Bereich Anwendung finden kann.

Eine Besetzerin merkte an, bei solchen Projekten gehe es letztlich „immer um Menschenleben, da es sich um Rüstung handele“. In diesem Kontext wurde generelle Kritik am Akademischen Senat angeschlossen, der die Student*innen nicht korrekt repräsentiere. Es gebe „große Barrieren“ für die Teilnahme an Hochschulpolitik. An diesem Punkt wurde die Debatte, mittlerweile geöffnet für das Publikum im Hörsaal, lauter und der Ton weitaus rauer. 

Das Ende der Debatte

Der Akademische Senat ist das zentrale Entscheidungsgremium der gesamten Universität, und kann für alle verbindliche Beschlüsse treffen. Professor*innen sind aber, so die Kritik, übermäßig repräsentiert. So erhalten die Hochschullehrer*innen 13 Sitze im Senat, weitere Akademische Mitarbeiter*innen vier, Technik, Service und Verwaltung noch einmal vier. Lediglich vier weitere Sitze sind für Student*innen gedacht.

Präsidentin von Blumenthal entgegnete der Kritik, die Universität sei eben „keine vollkommen demokratische Struktur“. Es müssten die Interessen vieler verschiedener Gruppen respektiert werden, und für die Mitarbeiter*innen der Universität sei diese vor allem ein Arbeitsplatz. Schon deutlich weniger ruhig als zu Beginn der Debatte kommentierte sie, dass die  Besetzer*innen nur „einen kleinen Ausschnitt der Studierendenschaft” repräsentieren. Gerade für Grundsatzdebatten gebe es bereits eine wichtige Struktur, das Studierendenparlament (StuPa). Letzteres tagt bereits am 04. Mai wieder, im Hedwig-Dohm-Haus in der Ziegelstraße Nr. 4. Auch dieses Haus ist ein studentischer Raum. Außerdem, so Julia von Blumenthal, habe sie oft nicht die Zuständigkeit, um Grundsatzfragen zu entscheiden. „Alle hier überschätzen meine Machtposition“, erklärte sie.

Ab diesem Punkt war die Debatte vor allem durch Rufen und Schreien geprägt. Als die Besetzer*innen die Frage stellten, ob sie im Hörsaal bleiben dürften, fragte die sichtlich frustrierte Präsidentin von Blumenthal zurück: „Wie soll ich das der Öffentlichkeit erklären?“ Bei weiteren Wortbeiträgen wurden der Vizepräsident und die Präsidentin vom lauten Publikum niedergebrüllt. Ein letztes Angebot von der Präsidentin, einen LKW mit Bühne für die Aktivist*innen aufstellen zu lassen, sodass diese den Protest an die Öffentlichkeit tragen könnten, wurde ausgeschlagen. Nach kurzer Rücksprache wurde die Besetzung dann bis zum Samstagmorgen, dem 06. Mai, verlängert. 


Foto: Daphne Preston-Kendal