Kino mit Tom Cruise bedeutet Beschleunigung und Geschwindigkeit, kurzum: Rasanz. Das erfüllt auch sein neuester Film „Mission: Impossible – Dead Reckoning Teil Eins“ spektakulär. Auf dem Spiel steht dabei nicht zuletzt das Verhältnis von Kino und Künstlicher Intelligenz.
„Mission: Impossible – Dead Reckoning Teil Eins“ kommt zur richtigen Zeit in die Kinos. Nur zwei Tage nach Kinostart des neuesten Teils der Mission-Impossible-Reihe folgten die Schauspieler*innen dem Vorbild der streikenden Drehbuchautor*innen. Seitdem herrscht in Hollywood ein Doppelstreik. Dabei geht es unter anderem um die Verwendung von Künstlicher Intelligenz in der Filmindustrie. Zunehmend bietet KI die Möglichkeit, menschliche Gesichter und Körper zu animieren, Stimmen zu simulieren und so Schauspieler*innen und Synchronsprecher*innen überflüssig zu machen.
Auch in „Mission: Impossible – Dead Reckoning Teil Eins“ spukt von der allerersten Szene an eine KI als gespenstischer Parasit in den Kanälen der digitalen Kommunikation: Ein amerikanisches Kriegsschiff taucht auf dem Radar eines russischen U-Bootes auf und eröffnet durch das Abschießen eines Torpedos den Angriff – so zeigen es jedenfalls die Instrumente des U-Boots an, das KI-Kriegstechnologie im Beringmeer testet. Die russische Besatzung antwortet mit Gegenfeuer. Noch einmal also ruft der Film alte Feindschaften auf, die das Ende des Kalten Krieges überdauert haben. Der Einschlag des feindlichen Torpedos bleibt jedoch aus und das US-Schiff ist plötzlich geradezu geisterhaft vom Radar verschwunden. Der vom russischen U-Boot abgefeuerte Torpedo jedoch richtet sich nun auf die, die ihn abgefeuert haben. Was Wirklichkeit und was Simulation, was Wahrheit und was Lüge ist, verschwimmt unter den Bedingungen elektronischer und digitaler Wahrnehmung und Kommunikation – ein Thema, das in Zeiten von Künstlicher Intelligenz noch einmal neue Brisanz erlangt. Als Gegner des MIF, der Mission Impossible Force, tritt entsprechend eine sich verselbstständigende KI auf, die für den U-Boot-Vorfall verantwortlich ist. Über fast drei Stunden Filmlaufzeit entspinnt sich im Folgenden eine temporeiche Jagd nach zwei Schlüsselhälften, die die Kontrolle über die KI erlauben. Neben verschiedenen anderen Parteien, unter denen vor allem die von Hayley Atwell mit Charisma gespielte Taschendiebin Grace hervorzuheben ist, folgt auch das altbekannte Team um Ethan Hunt (Tom Cruise) diesem MacGuffin. Das mag nach einer etwas einfallslosen Handlung klingen. Doch sollte man dem Action-Film nicht gerade die Stringenz der Handlung zum Vorwurf machen.
Mit Gespür für aktuelle Entwicklungen mischt sich der Film in jene Debatten um die Gefahren von KI ein, die nicht zuletzt den Streik in Hollywood ausgelöst haben. Dass man nämlich auch als Mitglied des MIF zu einem „Geist“ wird, der „im Schatten“ lebt, wirft die Frage auf, worin sich Ethan Hunt und sein Team eigentlich vom KI-Geist unterscheiden. Und so entfaltet der Film ein rasantes und geradezu ballistisches Kino voller Beschleunigung. Der Film exerziert regelrecht Möglichkeiten durch, den mittlerweile 61-jährigen Tom Cruise auf Geschwindigkeit zu bringen. Cruise, dafür bekannt, alle Stunts selbst auszuführen, reitet durch die Wüste, rast in einer slapstickhaften Verfolgungsjagd mit einem Fiat 500 durch Rom, rennt durch die Gassen Venedigs und springt schließlich samt Motorrad mit einem Fallschirm von einer Klippe in den österreichischen Alpen – sein angeblich gefährlichster Stunt bisher. Das Thema der Künstlichen Intelligenz stellt dabei auch die Form des Filmes selbst in Frage. Denn natürlich kann auch die Mission-Impossible-Reihe auf digitale Tricks und Hilfe durch Computer Generated Imagery (CGI) nicht verzichten. Doch dass Tom Cruise (und nicht etwa sein KI-animierter Avatar) die waghalsigen Stunts ausführt, dass er selbst reitet, rennt, Auto fährt und Fallschirm springt, macht den siebten Teil der Reihe zu einem Film, der sich inhaltlich und ästhetisch dem Gespenst der digitalen KI entgegenstellt. Vom Flughafen in Dubai über die engen Gassen Venedigs bis zur Fahrt im schmalen Orient-Express folgt der Film dabei einer Dramaturgie, in der die Räume enger werden, die Enge aber zugleich die Virtuosität der Action-Szenen steigert. Indem die Kamera immer wieder an den kollidierenden Fahrzeugen befestigt wird, selten stillsteht, sondern sich der Geschwindigkeit von Tom Cruise anpasst, gelingt Regisseur Christopher McQuarrie ein temporeicher Film, der Überblick bewahrt, statt in zerschnittenem Wirrwarr zu enden.
Während die ersten vier Filme unter der Leitung wechselnder Regisseure entstanden, nimmt McQuarrie nach „Mission: Impossible – Rogue Nation“ und „Mission: Impossible – Fallout“ das dritte Mal in Folge den Regieposten ein. Das führt zu einer gewissen Gleichförmigkeit. An die im Vorfeld bereits groß beworbenen Fallschirmsprünge von Tom Cruise etwa sind die Zuschauer*innen durch ähnliche Fallschirm-Stunts in den vorhergehenden Mission-Impossible-Filmen bereits allzu gewöhnt. Etwas zu konventionell bleibt „Mission: Impossible – Dead Reckoning Teil Eins“ damit doch und die grassierende Sequel-Logik – es wird natürlich einen „Mission: Impossible – Dead Reckoning Teil Zwei“ geben – unterbricht die Handlung zu abrupt. Trotzdem ist der Film beeindruckendes Kino voller Rasanz und Geschwindigkeit. Dieses wirkt umso stärker durch echte Schauspieler*innen vor der Kamera und lässt sich jederzeit als Argument gegen die Verwendung von digitaler KI-Animation anführen – auch in Zeiten des Streiks in Hollywood.
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