Kino mit Tom Cruise bedeutet, Körper zu beschleunigen. Das gelingt auch in seinem neuesten Film „Mission: Impossible – Dead Reckoning Teil Eins“ spektakulär. Auf dem Spiel steht dabei nicht zuletzt das Verhältnis von Kino und dem Digitalen.

„Mission: Impossible – Dead Reckoning Teil Eins“ kommt zur richtigen Zeit in die Kinos. Nur zwei Tage nach Kinostart des neuesten Teils der Mission-Impossible-Reihe folgten die Schauspieler*innen dem Vorbild der streikenden Drehbuchautor*innen. Seitdem herrscht in Hollywood ein historischer Doppelstreik – der erste seit 60 Jahren. Dabei geht es unter anderem um den Einsatz von Künstlicher Intelligenz. Diese ermöglicht es, menschliche Gesichter und Körper zu animieren und Stimmen zu simulieren, um so Schauspieler*innen und Synchronsprecher*innen überflüssig zu machen.

Auch in „Mission: Impossible – Dead Reckoning Teil Eins“ spukt eine KI als Parasit in den Kanälen der digitalen Kommunikation. Ein russisches U-Boot testet im Beringmeer eine neue Tarnkappentechnologie, als plötzlich ein amerikanisches Kriegsschiff auf dem Radar auftaucht und durch das scheinbare Abfeuern eines Torpedos den Gegenschlag provoziert. Der Einschlag des feindlichen Torpedos bleibt jedoch aus und das feindliche Schiff ist plötzlich vom Radar verschwunden. Der auf das Schiff abgefeuerte Torpedo wendet und richtet sich nun auf die, die ihn abgefeuert haben. Was Wirklichkeit und was Simulation, was Wahrheit und was Lüge ist, verschwimmt  unter den Bedingungen digitaler Wahrnehmung und Kommunikation – das macht der Film von seiner ersten Szene an deutlich. Über fast drei Stunden entspinnt sich im Folgenden eine kurzweilige Jagd nach zwei Schlüsselhälften, die die Kontrolle über die KI erlauben. Neben verschiedenen anderen Parteien, unter denen vor allem die von Hayley Atwell mit Charisma gespielte Taschendiebin Grace hervorzuheben ist, folgt auch das altbekannte Team um Ethan Hunt (Tom Cruise) diesem MacGuffin. Das mag nach einer etwas einfallslosen Handlung klingen. Doch sollte man einem Action-Film, der gerade in der Reduktion der Handlung politischer und klüger als so mancher Feuilletonartikel zum Thema KI ist, nicht gerade die Stringenz der Handlung zum Vorwurf machen. Dass nämlich auch Ethan Hunt und die Mitglieder des MIF, der Mission Impossible Force, im Film „Geister“ genannt werden, die im Schatten leben, wirft die Frage auf, worin sie sich eigentlich vom KI-Geist unterscheiden. Und so entfaltet der Film ein furioses und rasantes Geschwindigkeitskino, das der körperlosen KI den beschleunigten Körper von Tom Cruise entgegensetzt. Der Film exerziert regelrecht Möglichkeiten durch, den Körper des mittlerweile 61-jährigen Schauspielers auf Geschwindigkeit zu bringen. Cruise, dafür bekannt, alle Stunts selbst auszuführen, reitet durch die Wüste, rast in einer geradezu slapstickhaften Verfolgungsjagd mit einem Fiat 500 durch Rom, rennt durch die Gassen Venedigs und springt schließlich samt Motorrad mit einem Fallschirm von einer Klippe in den österreichischen Alpen – sein angeblich gefährlichster Stunt bisher. Das Thema der KI ist damit auch eine Form- und Produktionsfrage. Denn natürlich ist auch die Mission-Impossible-Reihe auf digitale Hilfe angewiesen. Doch dass Tom Cruise die Stunts selbst ausführt, dass er wirklich samt Motorrad über die Klippe fährt, die Stunts tatsächlich auf einem fahrenden Zug ausgeführt werden, macht aus dem Film Körperkino von haptischer Qualität. Dieses stellt sich inhaltlich und ästhetisch dem Gespenst der digitalen KI entgegen. Vom Flughafen von Dubai, über die engen Gassen Venedigs bis zur Fahrt im schmalen Orient-Express folgt der Film dabei einer Dramaturgie, in der die Räume enger werden, die Enge aber zugleich die Virtuosität der Action-Szenen steigert. Indem die Kamera immer wieder an den kollidierenden Fahrzeugen befestigt wird, selten stillsteht, sondern sich der Geschwindigkeit von Tom Cruise anpasst, gelingt Regisseur Christopher McQuarrie ein temporeicher Film, der nichtsdestotrotz Überblick bewahrt, statt in zerschnittenem Wirrwarr zu enden.

Während die ersten vier Filme unter der Leitung wechselnder Regisseure entstanden, inszeniert McQuarrie nun nach „Mission: Impossible – Rogue One“ und „Mission: Impossible – Fallout“ den dritten Film der Reihe in Folge. Das führt zu einer gewissen Einförmigkeit der letzten Filme. Etwas zu konventionell bleibt „Mission: Impossible – Dead Reckoning Teil Eins“ damit zuweilen doch. Im Vergleich etwa zu James Bond bleibt Ethan Hunt eine blutleere, konservativere, fast prüde Figur. An die im Vorfeld bereits groß beworbenen Fallschirmsprünge von Tom Cruise ist man durch die letzten Teile der Filmreihe schon allzu gewöhnt und die grassierende Sequel-Logik – es wird 2024 natürlich einen „Mission: Impossible – Dead Reckoning Teil Zwei“ geben – unterbricht die Handlung zu abrupt. Trotzdem bleibt „Mission: Impossible – Dead Reckoning Teil Eins“ ein beeindruckendes Plädoyer für ein packendes Geschwindigkeitskino. Dieses wirkt umso stärker durch echte Schauspieler*innen vor der Kamera und lässt sich jederzeit als Argument gegen Phantasien von digital animierten Schauspieler*innen anführen – auch in Zeiten des Streiks in Hollywood. 


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