Diese bittersüße Mixtur aus freudiger Erinnerung und melancholischer Sehnsucht – Nostalgie. Doch was steckt hinter dem Begriff?

Ein Song aus einer längst vergangenen Dekade, der Geruch von diesem einen Gericht, das man als Kind so oft gegessen hat, der Blick aus dem Fenster, wenn man mit dem Zug in die Heimatstadt einfährt – und zack ist sie auf einmal da. Eine der wohl faszinierendsten Gemütszustände des menschlichen Wesens: Nostalgie. Die schmachtende Hinwendung zu längst vergangenen Zeiten, die Sehnsucht nach einem Ort, den man niemals erreichen kann. Nachdem der Begriff der Nostalgie früher noch verwendet wurde, um pathologisches Heimweh zu beschreiben, wird er heutzutage auch immer häufiger als clevere Vermarktungsstrategie genutzt: Alles muss jetzt „Retro“ oder „Vintage“ sein und lädt dazu ein, entweder in Erinnerungen an das eigene Leben zu schwelgen oder sich in unbekannte Vergangenheiten hineinzufühlen.

Und das funktioniert nicht ohne Grund: Studien haben gezeigt, dass Menschen während der Pandemie vor allem Trost in Musik oder Fernsehprogrammen aus ihrer Jugend gesucht haben. Nostalgie kann als Schutzmantel für unsere Stimmung wirken und uns vor dem Gefühl von Bedeutungslosigkeit und Einsamkeit schützen, kann aber ebenso selbstzerstörerisch werden, wenn wir uns dabei in der Vergangenheit verlieren.

Diese Ambivalenz der Nostalgie lässt sich dabei auch in der Wortbedeutung an sich finden: Ursprünglich setzt sich das Wort aus den griechischen Wörtern nóstos und álgos zusammen. Das erste bedeutet dabei „Rück- oder Heimkehr“, das letztere lässt sich ganz einfach mit „Schmerz“ übersetzen. Der Widerspruch liegt auf der Hand: Rückkehr, das steht doch eigentlich für Vorfreude, Wiedersehen und Sicherheit, während das Wort Schmerz vor allem mit Leid, Kummer und Angst assoziiert wird.

Nostalgie jedoch vereint diese Widersprüchlichkeiten, und schafft es dabei sogar noch, dem Ganzen eine positive Konnotation zu geben. Denn niemand denkt beim Wort Nostalgie an etwas Negatives, vielmehr spiegelt der mysteriöse, magische Klang dieses Wortes fast sinnbildlich den leise verklärenden Charakter wider, den unsere Gedanken bei einer nostalgischen Erinnerung annehmen: Wir nehmen den Schmerz in Kauf, der entsteht, weil das Produkt unseres Verlangens nur noch in der Vergangenheit existiert, wenn wir dafür all die sentimentalen, positiven Gefühle erleben können, die mit einer Rückkehr zu schönen und vertrauten Erinnerungen verbunden sind. Vielleicht steht genau aus diesem Grund die „Rückkehr“ im Wort Nostalgie vor dem „Schmerz“.

Dem Begriff Nostalgie gelingt es somit, eine zunächst verwirrende und komplexe Emotion nahezu perfekt in sich zu beschreiben. Wenn wir also das nächste Mal mit Tränen in den Augen durch alte Fotoalben blättern oder eine Kiste CDs aus unserer Jugend ausgraben, ist es vielleicht ein kleines Trostpflaster, die faszinierenden Worte hinter unserer Melancholie zu kennen.


Dieser Text ist in der UnAufgefordert #258 zum Thema „Back to old school“ erschienen. 

Illustrationen: Céline Bolkan