Etwa 100 Menschen lebten in dem nun geräumten Obdachlosencamp an der Rummelsburger Bucht. Initiativen wie die Berliner Obdachlosenhilfe e.V. äußerten deutliche Kritik an dem Polizeieinsatz.
In der Nacht von Freitag auf Samstag wurde die sogenannte Zeltstadt durch die Berliner Polizei geräumt. Das Areal an der Rummelsburger Bucht bot über 100 Wohnungslosen ein Zuhause. Der Bezirk Lichtenberg begründet den Polizeieinsatz mit dem Schutz der dort lebenden Menschen vor dem erwarteten Kälteeinbruch am Wochenende. Lichtenbergs stellv. Bürgermeister Kevin Hönicke (SPD) sagte der DPA, dass etwa 50 Menschen aus dem Camp in einer beheizten Traglufthalle untergebracht wurden. Einige Initiativen kritisieren das, von der Senatsverwaltung für Soziales unterstütze, Vorgehen scharf. Die Berliner Obdachlosenhilfe e.V. vermutet hinter dem Argument der Kältehilfe einen Vorwand, um das Obdachlosencamp räumen zu lassen. “Kältehilfe oder Zwangsräumung? Wir waren dort und die Antwort ist klar.”, schrieb der Verein auf Twitter.
Das Camp ist den privaten Eigentümer*innen der Fläche schon länger ein Dorn im Auge. Auf dem Areal sollen Bürogebäude, Wohngebäude und die umstrittene Tourist*innenattraktion “Coral World” gebaut werden. Am Samstag hatten verschiedene linke Gruppierungen, unter anderem die Antifaschistische Vernetzung Lichtenberg, zu einer Kundgebung gegen die Räumung aufgerufen. Ein Polizeisprecher sprach von “unter 100 Personen” die sich an der Ecke Hauptstraße/ Kynaststraße am Ostkreuz sammelten. Am Sonntag zog außerdem eine Demonstration mit laut Teilnehmenden etwa 250 Personen von Friedrichshain zur Rummelsburger Bucht. Um eine Rückkehr zum Camp zu verhindern stellte die Polizei Sicherheitszäune auf. Von den Eigentümer*innen beauftragte Bauarbeiter*innen hatten zudem bereits Samstag begonnen, mit Baggern Zelte und Hütten zu zerstören. Auf Bildern in Sozialen Netzwerken war zu sehen, dass Gegenstände aus dem Camp auf einem großen Haufen zusammengeworfen wurden.
Durch die Besetzung eines Baggers durch drei Aktivist*innen mussten die Abrissarbeiten gestoppt werden. Die Aktivist*innen wurden von der Polizei geräumt: Eine Person kam in die Gefangenensammelstelle Lichtenberg, eine weitere Person musste ins Krankenhaus um die bei der Räumung entstandenen Verletzungen behandeln zu lassen. Eine weitere an dem Protest beteiligte Person kam frei. Der Bezirk untersagte den Bauarbeiter*innen zunächst noch die Abrissarbeiten, Kevin Hönicke stellte allerdings anschließend klar, dass was auf dem Areal nun passiere, Sache der Eigentümer*innen sei. Die Senatsverwaltung hat derweil zusätzliche Räume angemietet und in das Berliner Kältehilfe Netz eingebunden.
In der Boxhagener Straße in Friedrichshain entstehen so 200 neue Plätze in einem Hostel, in einer neuen Einrichtung in Reinickendorf 100 weitere. Einige der Camp-Bewohner*innen befinden sich nun in einer der Unterkünfte, andere waren nach der Räumung nicht mehr auffindbar. In Gesprächen vor Ort, kritisierten ehemalige Bewohner*innen des Camps, dass die Entscheidung zur Räumung ohne sie getroffen wurde und ihnen damit jegliches Mitspracherecht entzogen wurde. Auch die Protestierenden fordern in einer Mitteilung, das Recht der ehem. Camp-Bewohner*innen wieder in ihre Hütten zurückzukehren und eine generelle “Aussetzung aller Räumungen im Winter und während Corona”.
Foto: Robert Klages