1997 entwickelten der Psychologe Arthur Aron mit seinem Forschungsteam 36 Fragen, mit deren Hilfe sich zwei fremde Menschen ineinander verlieben sollen. Ob das funktioniert? Ich habe es ausprobiert, allerdings nicht mit einer fremden Person, sondern meinem Ex-Freund.

Der Studie „The Experimental Generation of Interpersonal Closeness: A Procedure and Some Preliminary Findings” liegt die Annahme zugrunde, dass das Gefühl von Intimität zwischen zwei Personen sich von außen beeinfussen lässt. Laut Aron spielen beim Verlieben Faktoren, wie die gegenseitige persönliche Selbstoffenbarung und die Herstellung von Nähe eine wichtige Rolle. Wenn wir uns einer anderen Person gegenüber öffnen, entsteht Intimität. „Ich weiss etwas vom anderen, das vielleicht niemand anders weiss”, was wiederrum in Verliebtheit münden kann, so die Paartherapeutin Judith Oehler.

Die 36 Fragen dienen dabei als Hilfsmittel und bauen in drei Abschnitten aufeinander auf. Im Versuch sitzen sich zwei fremde Personen gegenüber, die sie abwechselnd vorlesen und jeweils beide beantworten. Zum Schluss schauen sich die beiden Personen schweigend vier Minuten in die Augen, woraufhin sie sich ineinander verlieben sollen. So viel zur Theorie.

Der Selbstversuch

Ich habe den Test etwas umgewandelt und statt eines/einer Fremden meinen Exfreund gefragt, den Selbstversuch mit mir zu machen. Etwas amüsiert, aber von einem Erfolg im konkreten Fall nicht ganz überzeugt, setzen wir uns an meinen Küchentisch, den Laptop zwischen uns, und beantworteten zwei Stunden lang Fragen.

Der Fragenkatalog begann recht harmlos. Frage 1: „Wenn Du Dich für eine beliebige Person entscheiden könntest: Wen hättest Du gern als Tischgast beim Essen?” Auch die zweite Frage: „Wärst Du gern berühmt? In welcher Form?” schien simpel, denn wir waren uns einig: Ja, wir wären sehr gerne berühmt. Wir wären sehr gute Berühmte und würden als Wissenschaftler*innen oder Expert*innen einige Talkshows bereichern und andere konsequent absagen.

Der erste Fragenteil, so wurde schnell deutlich, dient dem miteinander-warm-werden. Zugleich wirkten einige der Fragen etwas klischeebehaftet, wie zum Beispiel: „Was macht für Dich einen ‘perfekten’ Tag aus?” (Frage 4) oder „Wofür in deinem Leben bist Du am dankbarsten?” (Frage 9). Entsprechend fielen unsere Antworten: „Freunde”, „Familie” und „Gesundheit”, ebenfalls weniger aufregend aus. Die interessanteste Frage in diesem Abschnitt schien mir Nummer acht: „Nenne drei Dinge, die Du und Dein Gegenüber anscheinend gemeinsam haben.” Mein Ex-Freund machte den Anfang und nannte: „Eine gewisse Ablehnung gegenüber der Normativität”, „Wissbegierde” sowie, und hierfür musste er länger überlegen, „ein Bedürfnis nach Bestätigung durch nahestehende Personen”. Ich antwortete etwas oberflächlicher und sagte: „Ein qualitativ hochwertiger Musikgeschmack”, „eine gute Menschenkenntnis” und „die gleichen politischen Ideale oder Positionen”.

„Sagt euch abwechselnd, welche positiven Charakterzüge Euer Gegenüber hat. Nennt insgesamt fünf positive Eigenschaften”

Im zweiten Fragenblock ging es um schlimme und schöne Erlebnisse und Erfahrungen sowie die sozialen Beziehungen einer Person. Ich erzählte von den Sommerferien bei meinen Großeltern (schönes Erlebnis) und mein Ex-Freund von seiner ersten Begegnung mit der Polizei im Jugendalter, die ihn zu seinen Eltern nach Hause brachte (schlimmes Erlebnis). Neben dem größten Erfolg im Leben musste das Verhältnis zur Familie und explizit zur eigenen Mutter dargestellt werden, was mir persönlich etwas misogyn erschien, denn warum fragen wir nicht auch nach dem Verhältnis zum Vater? Da wir unsere Familien bereits kennen, gab es hier wenig neues zu erfahren.

Spannender wurde es mit der Frage 22 – „Sagt euch abwechselnd, welche positiven Charakterzüge Euer Gegenüber hat. Nennt insgesamt fünf positive Eigenschaften”. Fraglich bleibt für mich, inwiefern eine realistische Einschätzung einer (fremden) Person in diesem Moment bereits möglich gewesen wäre. Genauso, wie ernst ich die gemachten Komplimente genommen hätte. Aber, einander abwechselnd schöne Dinge zu sagen, sorgt für positive Gefühle auf beiden Seiten. Zudem waren mein Ex-Freund und ich keine Fremde*n. Bei uns führte die Frage zu einigen Lachern, gerührten Schmunzlern und Überraschungen. Wir sagten Dinge wie:

Er: „Du bist kreativ!” (Das wusste ich bisher nicht)
Ich: „Du siehst gut aus!”
Er: „Das ist kein Charakterzug.”
Ich: „Ok, dann bist du klug!”
Er: „Du bist empathisch.”
Ich: „Du bist enorm verständnisvoll.”

Kurz überkam mich ein Gefühl des Glücks, und ich stellte fest: „Also bei dieser Frage geht es definitiv ums Verlieben”, woraufhin er zustimmend nickte.

„Wir-Aussagen”

Die Fragen im letzten Teil erschienen im Gesamtkontext als die intimsten. Zu Beginn sollte jede*r drei konkrete „Wir-Aussagen” treffen (Frage 25). Mein Ex-Freund begann mit: „Wir sitzen beide in diesem Raum und fühlen uns komisch”, woraufhin ich entgegnete: „Wir nehmen das hier beide nicht so ernst als, dass es funktionieren könnte.” Daraufhin mussten wir ein wichtiges Detail über uns selbst preisgeben (Frage 27) und der anderen Person sagen, was wir an ihr mögen (Frage 28). Trotz ihren Forderungen nach Offenheit, überzeugten uns die Fragen nicht. Dies mag daran gelegen haben, dass wir uns kannten und nicht wirklich viel neues erzählen konnten. So wussten wir bereits um unsere peinlichsten Momente (Frage 29) und haben auch schon vor- sowie ohne einander geweint (Frage 30). Unser „Wir”, so wurde deutlich, lag vielmehr in der Vergangenheit als in der Zukunft.

Womit wir auch schon am Ende meines Selbstversuchs wären: Vier Minuten tiefster Augenkontakt mit dem Ex am Küchentisch. Hat es funktioniert? Nein, hat es nicht. Wir haben nach 1:30 Minuten angefangen zu lachen und festgestellt, dass dieser Test wahrscheinlich weder für uns zusammen, noch für uns in Kombination mit anderen potenziellen Partner*innen mehr als ein paar lustige und süße Erinnerungen bereithält. Aber genau aus diesem Grund würde ich ihn weiterempfehlen.


Foto: Shingi Rice/ unsplash