Velkomen til Norge: Unsere Redakteurin Lena Fiedler studiert in Oslo an der größten Universität Norwegens und gibt Einblicke in den Studienalltag. Dieses Mal erzählt sie von digitaler Verwaltung und Rasenmäher-Robotern.
Wer in Oslo studiert, braucht kein Portmonee. Alles, was man braucht, sind vier Karten und ein Smartphone: Zwei Karten dienen als Schlüssel zum Wohnheim. Der Studierendenausweis ist die dritte Karte – und gleichzeitig der Schlüssel zur Universität: Aus Sicherheitsgründen sind alle Seminarräume rund um die Uhr geschlossen.
Um sie zu öffnen, hält man seinen Studi-Ausweis an den Sensor und tippt einen vierstelligen Code ein. Dann blinkt ein grünes Licht. Man drückt einen Knopf und die Türen schwingen automatisch auf.
In Oslo brauchen Studierende kein Bargeld
Auch Computerplätze, Bibliotheken und Gruppenarbeitsräume öffnen so ihre Pforten: Es gibt keine Kontrolleur*innen, Wachmänner oder Bibliothekar*innen. Die Personaltresen sind nur vormittags und unter der Woche besetzt. Der Studierende ist sich meist selbst überlassen. Der Studi-Ausweis wird dann zum Schlüssel für Raum und Ruhe.
Die Universität ist stolz auf ihr Sicherheitskonzept. Seit 30 Jahren wird das digitale Konzept erarbeitet und erweitert. Es dient zum einen dazu, das Material in den Räumen zu sichern, denn jeder Seminarraum ist mit einem Beamer und einem Rechner ausgestattet. Zum anderen sollen so die Forschungsergebnisse der Wissenschaftler*innen geschützt werden.
Die vierte Karte, die jeder bei sich hat, ist die Kreditkarte. Ob in der Mensa oder im Studierendencafé – man zahlt mit Karte. Bargeld scheint in Oslo obsolet. Selbst das Toilettenhäuschen in der Stadt wird mit Karte bezahlt.
Viele norwegische Studierende haben gar kein Bargeld mehr bei sich – und können sich kaum noch daran erinnern, wann sie das letzte Mal Geld abgehoben haben. „Das war vor drei Jahren oder so“, überlegt eine Studierende aus dem fünften Semester.
Studierende reservieren eine Waschmaschine per Smartphone
Um sich souverän durch die digitalisierte Unilandschaft von Oslo zu bewegen, braucht es nur noch eins: das Smartphone. Für alles gibt es die passende App: Das Seminarportal Canvas (vergleichbar mit Moodle, Blackboard und ISIS) hat eine eigene App, die sich mit dem Kalender vom Smartphone verbindet und Fristen einträgt.
Wer immatrikuliert ist, kann das nur via App nachweisen: Es gibt keine analoge Immatrikulationsbescheinigung, sondern eine eigens dafür programmierte App. Und wer im Wohnheim waschen will, reserviert sich eine Maschine via Smartphone.
Noch gibt es für all diese Anwendungen analoge Alternativen: Man kann einfach in den Waschraum gehen und hoffen, dass gerade eine Maschine frei ist. Wer möchte, kann auch eine Immatrikulationsbescheinigung in Papierform beantragen.
Aber die analoge Welt erscheint mühselig – und die allgegenwärtige Technik ist selbstverständlich. Dazu befragt sagt ein Studierender: „Vielleicht leben wir ein stückweit in der Zukunft“. Mit einem Schulterzucken ergänzt er: „Aber für uns ist das einfach normal so.“
Rasenmäher-Roboter pflegen den Campus der Universität Oslo
Doch es ist nicht nur die Technik, die den Studierendenalltag prägt. Sondern auch die Natur: Der Campus ist ein Karomuster aus hohen Gebäuden und grünen Wiesen. Nur die juristische Fakultät hat ihren Standort im historischen Stadtzentrum.
Die restlichen sieben Fakultäten sitzen am Rand der Stadt, in Blindern. Hier entsteht seit den 60er Jahren ein eigener Campus, der stetig wächst. Der Blick ist nicht von Gebäuden verstellt, sondern geht frei bis zu den Bergen und der berühmten Skisprungschanze Holmenkollen.
Wann immer die Sonne scheint sind die satt grünen Wiesen voll: Es liegen Studierende im Gras oder spielen Ball. Insgesamt hat die Universität Grünflächen von 400.000 Quadratmetern. Das entspricht ungefähr 56 Fußballfeldern. Um die Wiesen zu pflegen, wird unter anderem auf Technik gesetzt: Insgesamt 16 Rasenmäher-Roboter tuckern nach dem Zufallsprinzip über die Wiesen der Universität.
Am Ende eines langen Uni-Tages gehen viele Studierende wandern: Von der Universität aus spaziert man eine knappe Viertelstunde, bis man in der Natur ist. Von hier führen schmale Wanderwege durch den Wald, vorbei an kleinen Wasserfällen zum See Sognsvann oder auf den Berg Vettakollen.
Hier entkommt man dem Trubel und genießt eine wunderbare Aussicht. Digitales Detox muss trotzdem nicht sein: Der Handyempfang ist perfekt. Aber wer kann, der muss nicht: So selbstverständlich wie der Griff zum Smartphone, so schön ist es, selbiges einmal in der Tasche zu lassen und den atemberaubenden Ausblick über Stadt und Fjord zu genießen.