#HUgegenStudis?

Personen aus dem Umfeld des Personalrats der studentischen Beschäftigten (PRstudB) werfen der Uni vor, den Lohn für Studierende durch rechtswidrige Beschäftigungsverhältnisse gezielt zu drücken. Demnach seien bis zu 600 Studierende zu Unrecht unter dem studentischen Tarifvertrag (TV-Stud) angestellt. Einem Urteil des Berliner Landesarbeitsgerichts vom Juni zufolge hätten diese ein Anrecht auf eine Überführung in den Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes der Länder (TV-L), was teils Lohnerhöhungen und -nachzahlungen bedeuten könnte, falls Studierende die Uni verklagen. Dagegen heißt es aus Uni-Kreisen, dass nach dieser Logik alle verlieren würden. Die Umgruppierung hunderter studentischer Hilfskräfte von TV-Stud nach TV-L würde den Verlust vieler Hilfskraft-Stellen und damit von Verdienstmöglichkeiten und Serviceangebote für viele Studierende bedeuten

Aus dem Umfeld des Personalrats der studentischen Beschäftigten (PRstudB) heißt es, die HU diskriminiere ihre studentischen Mitarbeitenden systematisch. Bis zu einem Drittel von insgesamt etwa 1800 studentischen Beschäftigten seien unter rechtswidrigen Bedingungen eingestellt worden, um Kosten zu sparen. Vielen Studierenden, die nach dem studentischen Tarifvertrag (TV-Stud) bezahlt werden, stünde eine teilweise viel höhere Entlohnung nach dem Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TV-L) zu. Betroffen seien Studierende, die mit administrativen Aufgaben etwa in CMS oder der Bibliothek betraut seien, da der TV-Stud laut Berliner §121 Hochschulgesetz nur unmittelbar der Wissenschaft dienende Arbeiten abdecke.

Dieser Auffassung gibt ein potenziell wegweisendes Urteil des Berliner Landesarbeitsgerichts (LAG) Rückenwind, in dem zulässige Beschäftigung unter TV-Stud strikt an unmittelbare Wissenschaftlichkeit gekoppelt wird. LAG-Klägerin Katja Engels hatte während ihres Studiums als Programmiererin beim CMS zu den Bedingungen des TV-Stud gearbeitet. Laut LAG-Urteil war das rechtswidrig, da die Engels zugewiesenen Tätigkeiten eindeutig einem nicht-wissenschaftlichen Bereich zugeordnet werden konnten. Engels wurde dementsprechend in den TV-L überführt, was unter anderem eine Lohnnachzahlung und eine Entfristung zur Folge hatte.

HU gehe gegen Studierende vor

„Die HU geht gegen Studis vor, indem sie aggressiver und gewaltiger an Studierenden spart als die die anderen Unis in Berlin“, heißt es aus PRstudB-Kreisen. Das äußere sich in einer Personalpolitik, nach der studentische Beschäftigte nur auf Grundlage ihres Studierendenstatus zu den günstigeren Bedingungen des TV-Stud in möglichst allen Bereichen der Uni eingesetzt werden sollen. Das sei Diskriminierung aufgrund des Studierendenstatus. Der Fall Engels sei hier nur ein Beispiel unter vielen. Indem sie Studis gezielt den Weg in den TV-L versperre und nicht-wissenschaftliche Tätigkeiten aus dem TV-L, etwa in der Verwaltung, in den TV-Stud hinein interpretiere, spare die Universität gezielt an den Studierenden.

Der TV-L macht im Gegensatz zum TV-Stud Befristungen viel schwerer und funktioniert wegen der vielfältigen Tätigkeitsbereiche, die er abdeckt, nach einem ausdifferenzierten Entgeltsystem, das zum Teil deutlich höhere Löhne als der TV-Stud vorsieht. Unter dem TV-L sollten laut einer Stellungnahme des PRstudB alle Uni-Angehörigen beschäftigt sein, die etwa in Sekretariaten, dem CSM, den Bibliotheken, Verwaltungen oder in Pressestellen arbeiten. Etwa ein Drittel der studentischen Hilfskräfte arbeiteten der Stellungnahme zufolge in diesen Bereichen rechtswidrig zu den Bedingungen des TV-Stud. Tatsächlich hat das Landesarbeitsgericht den Anwendungsbereich des TV-Stud deutlich von „Tätigkeiten wie (der) Erledigung von Aufgaben im Sekretariat oder in der Bibliothek“ und Beschäftigungen in technischen oder verwaltenden Bereichen abgegrenzt.

Ob die HU die Einstellung von studentischen Hilfskräften tatsächlich zum Geldsparen nutzt, ist umstritten. Während sich das Verhältnis von studentischen Hilfskräften zu regulären Kräften unter TV-L seit den 90er Jahren zwar zu Gunsten der Hilfskräfte verschoben hat, beweist das noch nicht, dass die HU Studierende gezielt in falsche Beschäftigungsverhältnisse gedrängt hat. Insider argumentieren, dass diese Verschiebung vor allem auf einen statistischen Effekt zurückführen sei: So habe die Universität nach Kürzungen bei regulären Beschäftigungsverhältnissen Zugeständnisse machen müssen, während die Stellen der studentischen Hilfskräfte unter TV-Stud über mehrere Haushaltskürzungen hinweg besonderen Schutz genossen hätten. Deswegen sei der Anteil studentischer Hilfskräfte über die Jahre relativ angestiegen.

Entweder handele die HU schnell oder riskiere Klagewelle

PRstudB-nahen Kreisen zufolge zeige das LAG-Urteil hingegen exemplarisch, wie die HU in der Vergangenheit gegen Studis vorgegangen sei und wie sie Wege in den TV-L versperrt habe. Die HU hatte gegen die Klage von Katja Engels Berufung eingelegt, der Prozess zog sich über ein Jahr. Darüber hinaus sei das Urteil wegweisend in Bezug darauf, wie Studierende in Zukunft gegen die HU vorgehen könnten. Entweder überführe die HU jetzt 600 Studierenden aus aktuell rechtswidrigen Beschäftigungsverhältnissen in den TV-L, oder sie ginge das Risiko ein, dass die Studierenden klagen, samt potenziellem Anspruch auf Nachzahlungen.

Dergestalt vorzugehen würde letztlich allen schaden, Studierenden und Universität, heißt es demgegenüber aus informierten Kreisen im Umfeld der Universität, wo man von ungefähr 500 potenziellen Fällen in nicht (ausschließlich) wissenschaftlichen Tätigkeitsfeldern ausgeht. Ein Blick auf die Mehrkosten von TV-L-Verträgen verrät die hohen Zusatzbelastungen, denen die Uni im Falle einer umfassenden Umwandlung ausgesetzt wäre. TV-Stud-Beschäftigungen lassen sich nicht ohne weiteres in TV-L-Stellen umwandeln. Hier droht massiver Stellenabbau anstelle von mehr Lohn im Einzelfall. Sollte sich die Lesart von §121 Berliner Hochschulgesetz, wie PRstudB und das Landesarbeitsgericht sie vertreten, hier durchsetzen, könnte das insbesondere Ausfälle in CMS oder Universitätsbibliothek drohen, wo studentische Hilfskräfte zurzeit nicht-wissenschaftliche Arbeit unter TV-Stud betreiben. Gerade hier müssten Stellen wegfallen, wenn Beschäftigungen nicht mehr unter TV-Stud möglich sind.

Darüber hinaus gilt, dass, selbst wenn TV-Stud-Verträge in Bereichen wie den Bibliotheken in TV-L umgewandelt werden könnten, die Betroffenen nicht unbedingt mit einem Gehaltplus rechnen können. Im Gegensatz zum Fall von Katja Engels, die aufgrund ihrer anspruchsvollen Tätigkeit im CMS in eine dem TV-Stud überlegene, höhere TV-L-Entgeltgruppe eingestuft worden ist, würden Studierende, die etwa ungelernte Sortier-Arbeit in der Bibliothek verrichten, bei einem Wechsel von TV-Stud zu TV-L in verhältnismäßig niedrigere Entgeltgruppen einsortiert werden.

Es bleibt die Möglichkeit, TV-Stud und Hochschulgesetz zu öffnen

Nichtsdestotrotz gilt nach dem Landesarbeitsgerichts-Urteil: Nicht-wissenschaftliche Arbeit unter dem TV-Stud zu vergüten ist nach der aktuell dominanten Lesart rechtswidrig. Ob deswegen gleich alle betroffenen studentischen Hilfskräfte die HU verklagen werden, bleibt abzuwarten. Nach einem erfolgreichen Streiksommer wird der TV-Stud jetzt besser vergütet werden; darüber hinaus müssen die Betroffenen Abwägen zwischen der persönlichen Situation und der potenziellen Destabilisierung des Arbeitsmarkts für studentische Hilfskräfte an der HU, da im Fall einer Klagewelle Stellenabbau droht. Zudem bleibt die Möglichkeit, das Berliner Hochschulgesetz und TV-Stud im Sinne der Hochschulen zu öffnen und zukünftig in einem zu definierenden Rahmen auch nicht-wissenschaftliche Tätigkeiten unter TV-Stud zuzulassen.

Mit Blick auf die eigene Befristung der potenziell rechtswidrigen TV-Stud-Anstellung heißt es von einer Person aus dem Umfeld des PRstudB trotzdem: „So lange die HU gegen Studis vorgeht und den PRstudB übergeht, um an uns Studis zu sparen, indem sie uns in den TV-Stud zwingt und uns den Weg in den TV-L versperrt, ist eine Klage das beste und lohnenswerteste Mittel, sich zu wehren. Ich selbst bin im TV-Stud angestellt und im nicht-wissenschaftlich Bereich tätig; wenn ich meinen Job behalten will, habe ich die besten Chancen und bekomme nur dann Lohn-Nachzahlungen, wenn ich mich selbst in den TV-L einklage. Das war noch nie so einfach wie nach dem Urteil der Mitstudentin. Deswegen klage ich als Studi gegen die HU.“ Es überwiegt die Überzeugung: An der HU kommen Studierende nur noch per Klage zu ihrem Recht.

Am Dienstag, den 18. März, wird der PRstudB die Universitätsleitung im Akademischen Senat auffordern, in der Sache rechtswidrige Beschäftigung unter TV-Stud Haltung zu beziehen und zu erklären, was sie unter wissenschaftlicher Arbeit versteht.

Foto: Matthias Heyde, Bilderservice Humboldt-Universität

1 KOMMENTAR

  1. […] Hintergrund der Auseinandersetzung ist ein Urteil des Landesarbeitsgerichts vom Juni. Das Gericht hatte zugunsten eines ehemaligen PRstudB-Mitglieds entschieden, dass studentische Hilfskräfte (SHK) unter TV-Stud zukünftig nicht mehr in sogenannten nicht-wissenschaftlichen Bereichen wie Bibliothek oder PC-Service eingesetzt werden dürfen. Grundlage dafür war §121 Berliner Hochschulgesetz, das für TV-Stud-SHK nur strikt wissenschaftliche Beschäftigungen vorsieht. Der PRstudB wirft der Universitätsleitung vor, durch rechtswidrige Beschäftigung Löhne zu drücken und forderte die Uni deswegen auf, alle betroffenen Stellen in den bessergestellten Tarifvertrag TV-L umzugruppieren. Erklärtes Ziel des PRstudB ist es, bis zu 600 aktuell rechtswidrig Beschäftigte in den TV-L umzugruppieren – und somit Lohnerhöhungen und Nachzahlungen zu erlangen. Die Unileitung fordert aus unter anderem aus Kostengründen eine Änderung von §121, damit SHK weiterhin wie gewohnt auch in administrativen Bereichen und den Bibliotheken eingesetzt werden können. […]

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