Euer Tutorium fällt aus, ihr findet eure Bücher in der Bibliothek nicht wieder oder eure Professorin kommt unvorbereitet zur Vorlesung? Die Studentischen Hilfskräfte in Berlin halten an vielen Stellen im universitären Alltag den Laden am Laufen. Dafür bekommen sie seit 2001 das selbe Gehalt, trotz steigender Lebenshaltungskosten und Inflation. Am 16.01.2018 treten sie in einen eintägigen Warnstreik. Laura Haßler von der Tarifinitiative TV Stud erklärt im Interview, wie es zu dem Streikaufruf kam und welche Forderungen dahinterstecken.

UnAuf: Wie ist die Tarifinitiative TV Stud entstanden?

Laura Haßler: Es gab 2011 schon einmal eine Tarifinitiative, die eben auch schon gemerkt hat: Der Tarifvertrag ist nicht mehr das, was er mal war. Viele Vorteile, die der mal gebracht hat, verstreichen langsam. Damals sind sie allerdings am geringen Organisationsgrad gescheitert. Es waren sehr wenige SHKs in der Gewerkschaft. 2015 haben die Gewerkschaften GEW und ver.di dann eine neue Tarifinitiative gegründet. Der Zeitpunkt, an dem wir tatsächlich zu Verhandlungen aufgerufen haben, ergab sich aus einer Konstellation verschiedener Dinge: Einerseits wollten wir den Fehler von 2011 nicht wiederholen und haben deshalb sehr stark mobilisiert. Am Ende des Jahres 2016 hatten wir dann unser Ziel vom ‚Orgagrad 1000 ‚ zwar noch nicht erreicht, aber haben gesagt, okay, die sind in absehbarer Nähe. Dazu kam es in Berlin gerade zur Regierungsbildung und wir hatten es geschafft, unsere Forderung nach einem neuen Tarifvertrag in den Koalitionsvertrag zu bringen. Außerdem wurde das Haushaltsbudget der Hochschulen für die nächsten vier Jahre zu der Zeit ausgehandelt und wir wollten erreichen, dass Gehaltserhöhungen da mit bedacht werden. Das war der Hintergrund, so dass wir gesagt haben okay, jetzt oder nie, so eine gute Gelegenheit ergibt sich nicht noch mal.

Der ‚Orgagrad 1000‘ meint die studentischen Beschäftigten, die gewerkschaftlich organisiert sind?

Haßler: Genau. Es gibt insgesamt ungefähr 8000 SHKs und wir hatten 2016 eine Beschäftigtenumfrage gemacht. Dabei hatten circa 1000 Beschäftigte angegeben, dass sie bereit wären, in die Gewerkschaft einzutreten, und dann haben wir gesagt: gut, dann ist das jetzt unsere Messlatte. 1000 von 8000 ist auch eine gute Quote, um dem Vorhaben Legitimität zu verleihen.

Was sind denn eure zentralen Kritikpunkte am Tarifvertrag der studentischen Beschäftigten?

Haßler: Also das, worüber am meisten diskutiert wird, ist sicherlich der Lohn, der ist seit 16 Jahren nicht erhöht worden. Der Tarifvertrag ist von 1986 und anfangs war es so, dass der Lohn in regelmäßigen Abständen an die gestiegenen Lebenshaltungskosten angeglichen wurde. 2001 haben die Arbeitgeber damit einfach aufgehört und 2004 zusätzlich das Weihnachtsgeld gestrichen, also das so genannte 13. Gehalt, was auf das Jahr umgerechnet auch noch mal eine Lohneinbuße war. Seitdem wurde der Lohn nicht mehr erhöht. Die Inflation ist aber jetzt bei ungefähr 30 Prozent. Das ist der eine Kritikpunkt. Und der ist eben auch verbunden mit der Forderung, die stetige Anbindung wieder zu implementieren. Das andere sind Ungleichheiten zu anderen Beschäftigtengruppen. Zum Beispiel bekommen studentische Hilfskräfte als einzige Beschäftigtengruppe der Unis eine Woche weniger Urlaub. Und im Krankheitsfall bekommt man nach sechs Wochen gar kein Gehalt mehr. Diese Begrenzung der Lohnfortzahlung gilt zwar für alle Beschäftigtengruppen, die bekommen aber danach Krankengeld von ihrer Krankenversicherung. Das bekommt man aber nicht, wenn man in der studentischen Versicherung ist. Das heißt, hier führt sozusagen die Gleichheit trotzdem zu einer Ungleichheit. Das ist ein existenzielles Problem, weil sich chronisch Kranke Leute regelmäßig krank zur Arbeit schleppen müssen, um keinen Gehaltsausfall zu haben. Ein anderer wichtiger Punkt sind die Tutorien, die ja tatsächlich zentrales Aufgabengebiet der SHKs, ein wichtiges Standbein der Lehre in Berlin und mittlerweile hoffnungslos überlastet sind. Die Tutorien sind viel zu groß und es ist im Tarifvertrag zum Beispiel nicht festgeschrieben, wie viel Zeit ein*e Tutor*in mindestens benötigt, um ein Tutorium vorzubereiten. Und dadurch, dass das nicht festgelegt ist, können die Vorgesetzten den Hilfskräften einfach ein Tutorium mehr aufs Auge drücken und die Vorbereitungszeit unter den Tisch fallen lassen. Das würde ich sagen, sind einige der Hauptkritikpunkte.

Wenn man sich jetzt auf den Punkt mehr Lohn konzentriert: Hätten die Universitäten dafür denn theoretisch genug Geld?

Haßler: Also wenn man die Hochschulen fragt natürlich nicht. Aber tatsächlich hat Tobias Schulze (Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses, die Linke, Anm. d. R.) eine schriftliche Anfrage im Abgeordnetenhaus gestellt und es kam in der Antwort von Steffen Krach (Staatssekretär für Wissenschaft und Forschung, SPD, Anm. d. R.) heraus, dass die Berliner Hochschulen seit 2010 jährlich immer mehr Gelder für die studentischen Hilfskräfte bekommen. Das Geld wird aber anderweitig benutzt. In den Verhandlungen haben sie uns also bis zuletzt weniger angeboten als sie zur Verfügung gehabt hätten.

Was hat die Neuverhandlung des TVStud mit dem TV L und dem Berliner Hochschulgesetz zu tun? Sollen studentische Hilfskräfte, die in der Verwaltung oder Bibliotheken arbeiten, generell nicht mehr nach TVStud, sondern nach TV-L beschäftigt werden, oder soll auch für sie unter guten Bedingungen Platz im TVStud sein? 

Haßler: Also es geht einfach darum, dass der TV-L, der Tarifvertrag der Länder, für andere Aufgabengebiete als der TV Stud gilt. Laut Berliner Hochschulgesetz sind studentische Hilfskräfte sehr klar definiert: Sie führen Unterricht in kleinen Gruppen, Tutorien, unterstützen die wissenschaftlichen und künstlerischen Dienstkräfte bei ihren Tätigkeiten in Forschung und Lehre durch sonstige Hilfstätigkeiten. Arbeit in der Verwaltung, Bibliothek oder im EDV-Bereich ist einfach nicht vorgesehen. Trotzdem sind ordentliche Verwaltungsstellen in den letzten Jahren prekarisiert worden. Da werden Studierende beschäftigt, die für die gleiche Arbeit weniger Lohn bekommen, also nach TV Stud bezahlt werden und nicht nach TV-L und gleichzeitig gehen ordentliche Verwaltungsstellen verloren, von denen eine dafür ausgebildete Person ihren Lebensunterhalt bestreiten kann. Wir kritisieren da vor allem die Prekarisierung im Wissenschaftsbereich, die dazu führt, dass Beschäftigtengruppen einen Jobmarkt verlieren. Hier werden Stellen verramscht und das Prinzip gleicher Lohn für gleiche Arbeit wird einfach völlig unverhohlen ausgehebelt. Wir fordern: Wenn jemand studentisch auf einer solchen Stelle beschäftigt wird, dann hat er den gleichen Lohn zu bekommen, wie andere Beschäftigte in diesem Bereich, muss also nach TV-L bezahlt werden. Am besten aber sollte man hier ohnehin Leute beschäftigen, die dafür ausgebildet sind, also Verwaltungsfachkräfte.

Vor ein paar Wochen gab es Protest der Initiative TVStud im Akademischen Senat der HU. Was sollte dort versucht werden, um zu legalisieren, dass SHKs auch nach TVStud auf Verwaltungsstellen beschäftigt werden dürfen?

Haßler: Also es gibt eine so genannte Erprobungsklausel. Die besagt, dass man zu dem Zweck, eine neue Praktik auszuprobieren, das Hochschulgesetz ändern bzw. den Antrag stellen darf, das zu ändern. Diese Änderung würde nur für die HU gelten. Also nicht für die anderen Unis. Und dem entsprechend bräuchte es auch nur die Zustimmung des Akademischen Senats der HU und natürlich des Abgeordnetenhauses. Die HU hat damit versucht, eine rechtliche Regelung aus dem Hochschulgesetz außer Kraft zu setzen, um eben Studierende nach dem TV Stud auf Verwaltungsstellen auch ganz legal beschäftigen zu können. Aber es ist einfach lächerlich, zu behaupten, dass sie hier eine neue Praktik ausprobieren wollen, denn es wird ja leider einfach seit Jahren so praktiziert. Der Personalrat der studentischen Beschäftigten hat jetzt eben im Moment die Kapazitäten, da mal strategisch gegen vorzugehen. Und das hat offensichtlich gleich an zentraler Stelle getroffen. (Der Personalrat der studentischen Beschäftigten blockiert immer häufiger die Besetzung von Verwaltungsstellen mit Studierenden, die nach TV Stud bezahlt werden würden. Wichtig ist, dass dabei niemand eine Stelle verliert, die er*sie schon hat. Es geht nur um Neubesetzungen, Anm. d. R.).

Wie ist es letztendlich zu der Entscheidung gekommen, dass ihr gesagt habt, wir kündigen jetzt?

Haßler: Vor den Semesterferien im Sommer haben wir zwei Monate lang eine starke Druckkampagne gefahren, viele Veranstaltungen gestört, aber gesehen, dass es erstmal keinen Effekt hat – die Hochschulen machen uns kein besseres Angebot. Die Verhandlungen wurden dann auch zunächst abgebrochen und wir haben uns auf eine Klausurtagung zurückgezogen. Dort haben wir gesagt: Entweder wir geben jetzt auf oder wir müssen noch mal eine andere Strategie ausprobieren. Wir haben uns dann für letzteres entschieden, nämlich den Tarifvertrag zu kündigen und zu streiken. Darüber haben wir vorher sehr sehr lange diskutiert. Es gab nämlich natürlich auch Gründe, die dagegensprachen. Zum Beispiel sind bestimmte Dinge im Tarifvertrag auch jetzt, so schlecht er insgesamt geworden ist, noch besser geregelt, als auf gesetzlicher Ebene. Wir haben dann aber auch gesagt, wenn wir diese Verhandlungen noch zu einem guten Ende führen wollen, dann brauchen wir die Möglichkeit, streiken zu können – als äußerstes Mittel des Arbeitskampfes. Und wir wollten damit auch ein Zeichen setzen, zu sagen, der Tarifvertrag ist nicht mehr das Symbol, das er einmal war, dass wir ihn jetzt kündigen können, weil es mittlerweile eben doch keinen so großen Unterschied mehr macht. Denn es gibt über die gesetzlichen Regelungen hinaus Dienstvereinbarungen, die auch für studentische Hilfskräfte die Arbeitsbedingungen regeln. Und den Personalrat der studentischen Beschäftigten, der darauf achtet, dass sie eingehalten werden. Das waren dann die Argumente, die uns dazu bewogen haben, der Tarifkommission die Kündigung zu empfehlen, die es wiederum den Gewerkschaften empfohlen hat, die dieser Empfehlung dann auch gefolgt sind.

Welche Angebote wurden von den Universitäten unterbreitet?

Haßler: Also es gab insgesamt fünf Angebote. Das erste war eine Lohnerhöhung von 45 Cent, die dann über den Verlauf von mehreren Jahren dynamisiert gewesen wäre, die aber selbst Ende 2022 sehr weit entfernt war von den geforderten 14 Euro. Im Folgenden hat man uns dann Angebote gemacht, die eine stärkere sofortige Lohnerhöhung gewesen wären, aber ohne Dynamisierung. Das Schockierende für uns war: Wenn man diese Angebote in einen Graphen nebeneinander einpflegt, dann sieht man, dass das erste Angebot vom Finanzvolumen her das beste war. Das heißt, man hat also, um mal den Begriff zu benutzen, einfach versucht, uns ein bisschen zu verarschen, indem man gesagt hat, man macht ein besseres Angebot, und im Endeffekt hat man aber einfach weniger Finanzvolumen angeboten. Und das waren nur die Angebote in Bezug auf den Lohn. Auf die restlichen unserer 13 Forderungen sind sie abgesehen vom letzten Angebot einfach überhaupt nicht eingegangen. Also die soziale Absicherung, Tutorien etc., das wollten sie gar nicht diskutieren. Die Gegenforderung war aber eben das, was jetzt mit dieser Erprobungsklausel auch diskutiert wurde. Die Arbeitgeberseite hat gefordert, dass sie gerne eine Ausweitung der Beschäftigungsmöglichkeiten der SHKs auf Verwaltungsstellen wünschen.

Kann man die 13 Forderungen irgendwo einsehen?

Haßler: Ja, die stehen auf unserer Website, tvstud.berlin. Da findet sich auch eine Begründung zu jeder Forderung und da steht auch, was wir nicht fordern und warum. Was wir zum Beispiel nicht fordern, ist eine Gliederung in Studierende mit und ohne Bachelorabschluss. Was es ja in vielen Bundesländern gibt.

Das heißt, die Konsequenz der Kündigung bedeutet auf jeden Fall auch, erstmal zu streiken, um gut aufgestellt in die neuen Verhandlungen zu gehen?

Haßler: Genau, die Konsequenz der Kündigung ist, dass wir ab Inkrafttreten der Kündigung zum 01.01.2018 die Möglichkeit haben, zu streiken. Das ist die Strategie, die wir gerade intensiv vorbereiten und in die wir ganz viel Hoffnung setzen.

Wie genau wird der Streik aussehen?

Haßler: Die Gewerkschaften haben alle unter TV Stud II beschäftigten Studierenden zu einem ersten Warnstreiktag am 16. Januar von Dienstbeginn bis Dienstende aufgerufen. An diesem Tag findet auch eine zentrale Kundgebung um 14 Uhr am Bebelplatz statt, bei der die Streikenden Präsenz zeigen und sich in die Streiklisten eintragen werden. Die anderen Unis und Hochschulen haben für den Vormittag Auftaktveranstaltungen und Anfahrtsgruppen organisiert, die sich alle auf unserer Webseite finden. Sollten die Hochschulen darauf nicht reagieren, dann werden in den kommenden Wochen bestimmt weitere Streiktage ausgerufen.

Warum ist es bei dem Streik so wichtig, dass viele mitmachen?

Haßler: Dass sich viele beteiligen, ist wichtig, damit der Streik effektiv ist. Wenn ein Tutorium von zehn ausfällt und vielleicht ein*e Kolleg*in noch sagt, ach komm, ich übernehme das ausgefallene Tutorium, dann entsteht kein Schaden. Und es muss Schaden entstehen. An der Uni werden Arbeiten verrichtet, die dann – anders als in der Autoindustrie zum Beispiel – auch manchmal nicht der eigentlichen ‚Zielgruppe‘ schaden. Also gerade, wenn Tutorien ausfallen, geht es natürlich erstmal zu Lasten der Studierenden. Aber wir haben da die große Hoffnung, dass Studierende sich dann auch solidarisch zeigen und verstehen: Ihr Tutorium fällt nicht aus, weil ihr*e Tutor*in irgendwie doof ist, sondern weil die Hochschulleitung kein besseres Angebot gemacht hat und damit in Kauf genommen hat, dass das Tutorium ausfällt.

Und es ist außerdem wichtig, um zu zeigen, dass die Leute hinter der Initiative stehen. Dass sie bereit sind, dafür ihre Arbeit niederzulegen. Diese Legitimation ist das Wichtige in den Verhandlungen.

Es gibt also irgendwo auch die Gefahr, dass die Verhandlungsposition der studentischen Beschäftigten in der Neuaushandlung des Tarifvertrags nicht ganz so stark ist, wenn zu wenige streiken? Die Unileitungen könnte sagen, dass anscheinend alle unter TVStud Beschäftigten ganz zufrieden sind.

Haßler: Genau. Also das ist natürlich eine Gefahr und deswegen muss der Streik auch sichtbar sein. Es reicht nicht, nicht zur Arbeit zu erscheinen, die Streikenden müssen auch zu den zentralen und dezentralen Aktionen kommen oder an ihrem Arbeitsplatz als streikend sichtbar werden Man kann da richtig kreativ werden. Also gerade die Tutor*innen, die können auch sagen, Leute, kommt, wir gehen jetzt in den Park und wir machen Lehre eben mal ganz anders.

Es ging ja gerade schon ein bisschen darum, dass der Streik  auch Studierende treffen kann, die etwa dringend ein Buch brauchen, deren Tutorien ausfallen und die sich dann beschweren. Es wäre auch möglich, dass Dozierende, Chefs behaupten SHKs verdienen doch eigentlich genug.

Haßler: Also erstmal ist Streiken ein Grundrecht. Es ist im Grundgesetz verankert, dass man das Recht hat, seine Arbeit niederzulegen. Wenn mein Chef mir sagt, ich verdiene doch genug, dann würde ich mal den Gehaltszettel vergleichen und zeigen, wie SHKs dann eben doch die einzige Beschäftigtengruppe der Hochschulen ist, die so eine fehlende Lohnentwicklung hatte. Und in Bezug auf die entstehenden Schäden würde ich an die Studis, Dozierenden und Chef*innen appellieren, sich solidarisch zu zeigen. Niemand streikt, weil es irgendwie großen Spaß macht oder weil man gerne sieht, wie andere Leute Schaden nehmen, sondern es geht eben darum, sehr berechtigte Forderungen umzusetzen. Und wenn die Hochschulen kein anderes Mittel – wie vernünftige Verhandlungen – wahrnehmen, dann ist das eben das äußerste Mittel, das wir noch einsetzen können.
Andere Gegenargumente, die ich mir auch vorstellen könnte, sind, dass man damit die SHKs einem Risiko aussetzt. Das ist insofern kein valides Argument, als die SHKs, ob sie jetzt in der Gewerkschaft sind oder nicht, kein Risiko eingehen, wenn sie streiken. Juristisch belangt werden können nur die Gewerkschaften, die zum Streik aufrufen. Als Arbeitnehmer*in darf einem deswegen nicht gekündigt werden, man darf nicht abgemahnt werden. Und wir haben ja zum Glück, anders als in anderen Bundesländern, einen Personalrat nur für die studentischen Beschäftigten der da ein ganz besonderes Auge darauf haben wird. Das einzige, was passieren könnte, ist, dass Streikenden, die nicht Mitglied einer Gewerkschaft sind, ein Teil des Gehalts ausfällt. Sie haben nämlich keinen Anspruch auf Erstattung aus den Streikkassen der Gewerkschaft. Falls die Hochschulen ihnen für die Streiktage also das Gehalt kürzen, müssen sie das – anders als die Gewerkschaftsmitglieder – selbst auffangen. Hilfskräfte können aber auch noch kurz vor dem Streik in die Gewerkschaft eintreten. Es ist aber ohnehin unwahrscheinlich, dass die Unis den Verwaltungsaufwand betreiben, genau einzuholen, wer jetzt wo für wie viele Stunden gefehlt hat. Wir haben auf unserer Webseite auch ein FAQ zu allem rund um den Streik und sind da auch jeder Zeit ansprechbar.

Es darf also jede SHK streiken, egal, ob in der Gewerkschaft oder nicht. Aber nur, wenn man in der Gewerkschaft ist, hat man Anspruch auf Streikgeld. Dafür muss man sich aber in die Streiklisten eintragen, oder?

Haßler: Genau, man muss sich in die Listen eintragen, die bei unserer zentralen Kundgebung ausliegen werden. Zu diesen ganzen Feinheiten werden wir aber auch noch einmal umfassend informieren, wie das läuft mit der Beantragung des Streikgeldes und so weiter. Aber ja: Jede*r darf streiken, wenn der Aufruf zum Streik erfolgt ist. Und sollte sich im Nachhinein herausstellen, dass dieser Aufruf illegitim war, weil zum Beispiel Friedenspflicht geherrscht hätte oder so, dann haben Streikende keine rechtlichen Konsequenzen zu befürchten, sondern die Gewerkschaften müssen sich juristisch verantworten, weswegen die das auch sehr sorgfältig vorher prüfen.

Wie kann ich mich als Studi ohne SHK-Job solidarisch zeigen?

Haßler: Einerseits indem du dich informierst und dann auch Kommiliton*innen briefst, vielleicht auch studentische Hilfskräfte ansprichst, die bisher vom Streik noch nicht erfahren haben. Indem du dich genau in solchen Fällen solidarisch zeigst, wenn der Streik zum Beispiel dazu führt, dass das Tutorium ausfällt, oder eine Veranstaltung gestört wird, die du besuchen wolltest. Indem du dir in diesen Momenten dessen bewusst bist, dass dafür nicht die Initiative und die SHKs verantwortlich sind, sondern die Verhandler*innen die das hätten verhindern können.

Und wir machen ganz viele Aktionen und auch Demonstrationen, besonders natürlich an den Streiktagen. Zu denen kann jede*r kommen, egal ob SHK oder nicht und je mehr Leute da kommen, desto effektiver sind sie. Und wenn man ganz konkret mithelfen möchte, gibt es an jeder Uni und Hochschule dezentrale Treffen, bei denen Aktionen vorbereitet werden, Material erstellt wird – da brauchen wir immer helfende Hände. Man kann auch zum zentralen Aktivenkreis kommen, der sich jeden Freitag trifft, und muss da dann auch gar nicht regelmäßig mitmachen. Aber jede Person, die da mal vorbeikommt und uns die ein oder andere Aufgabe abnimmt, hilft uns ungemein. Die Infos zu all diesen Treffen und Veranstaltungen, Demos, Newsletter findet man alle auf Facebook, auf unserer Website oder auf Twitter. Es gibt also sehr vielfältige Möglichkeiten uns zu unterstützen.

Und zum Schluss, was würdest du allen SHKs in der Streik-Vorbereitung raten?

Haßler: Ich würde ihnen raten, die Arbeitgeber*innen nicht vorzuwarnen, dazu hat Ver.di auch noch einmal explizit aufgerufen. Der Streik ist ein Druckmittel und man darf dem*der Arbeitgeber*in nicht die Chance geben, den Ausfall irgendwie zu kompensieren. Und sonst: Vernetzen. Gerade Tutor*innen geben ihre Tutorien ja meist alleine und sind nicht untereinander vernetzt wie Kolleg*innen an einem Lehrstuhl. Sich vorher kennen lernen, falls man sich noch nicht kennt, um sich dann gegenseitig den Rücken stärken zu können. Einfach um dann nicht alleine in eine bedrängte Situation zu kommen, den Kontakt zu halten, auch zum Personalrat der Studentischen Beschäftigen, wenn man das Gefühl hat, man wird irgendwie bedrängt von einer*einem Arbeitgeber*in oder von anderen Kolleg*innen. Und sich umfassend über die eigenen Rechte informieren.

Also vernetzt euch?

Haßler: Vernetzung ist ganz wichtig, genau!

Dann vielen Dank für das Gespräch!

 

 Informationen:

TV Stud: Steht für Berliner Tarifvertrag für studentische Beschäftigte II. Nach einem wochenlangen Tutor*innen-Streik wurde er 1986 eingeführt. Er regelt die Arbeitsbedingungen studentischer Hilfskräfte, kurz SHKs, an Berliner Universitäten und Hochschulen. Anfangs noch dynamisch gekoppelt an die Lohnentwicklung im öffentlichen Dienst, werden seit 2001 keine Lohnanpassungen mehr vorgenommen. 2004 wurde das Weihnachtsgeld gestrichen.

TV-L: Steht für Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder. In verschiedenen Entgeltgruppen regelt er zum Beispiel auch die Bezahlung von Verwaltungskräften an Universitäten und Hochschulen. Gewerkschaften und die Tarifinitiative fordern u.a. eine Ankopplung des TV Stud an die Entgeltgruppe 4 aus dem TV L.

Die Tarifkommission: Bei einer Vollversammlung der gewerkschaftlich organisierten studentischen Beschäftigten wird die Tarifkommission gewählt. Die beiden für die Initiative zuständigen Gewerkschaften, Ver.di und GEW, können jeweils Kandidat*innen aufstellen, die in die Tarifkommission gewählt werden. Die Kommission fungiert als Interessensvertretung und Verhandlerin. Sie arbeitet die Forderungen aus, entsendet die Verhandler*innen und entscheidet, ob ein Angebot angenommen oder abgelehnt wird.